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Michael Höhler hatte Experten von Saint-Gobain Deutsche Glas und Warema für das Thema „Glas in der Gebäudehülle – Einsatz von Funktionsgläsern und Sonnenschutzsystemen“ gewonnen. GFF berichtet aus dem Unterricht.

Von den Erfahrungen und dem Fachwissen der Praktiker sollten die angehenden Metallbauer an der David-Roentgen-Schule in Neuwied profitieren und Erkenntnisse für den eigenen beruflichen Werdegang mitnehmen. Im Fokus stand dabei die Gestaltung der klimaaktiven Fassade mit vielen Funktionen, einem Mehr an Komfort und mit optischen Variationen. Dazu hatte der Pädagoge in den Wochen zuvor Inhalte im Unterricht mit den Schülern erarbeitet und Fachfragen für das Expertengespräch formuliert, die als Leitfaden durch die Diskussion führten.

Glas erwacht zum Leben

Wolfgang Böttcher, der Leiter Anwendungstechnik von Saint-Gobain Deutsche Glas, erläuterte den Schülern der Berufsschule die Grundlagen des Werkstoffs Glas, der moderne Fassaden als wichtiger Bestandteil prägt. Er zeigte, wie lange die Geschichte des transparenten Baustoffs zurückreicht: Vor mehreren Tausend Jahren schmolzen die Ägypter aus dem Sand ihres Landes erste, wenn auch optisch nicht so hochwertige, Gläser. Aus der noch warmen, formbaren Masse bliesen sie Flaschen, schnitten diese auf und rollten das Material zu Scheiben aus. Erst in den 1950er-Jahren etablierte sich in der Branche das Floatglasverfahren, bei dem sich die bei zirka 1.400 Grad Celsius geschmolzene Mixtur aus Sand, Soda, Sulfat, Dolomit und Kalk über ein Zinnbad in einem endlosen Fluss durch die Floatglaswanne bewegt.

Der Sand bildet die eigentliche Glasmasse, Soda und Sulfat regulieren den Flüssigkeitsgrad der Masse, die Menge an Dolomit und Kalk steuert Härte, Glanz und Haltbarkeit des Basisglases. Mit dem Fluss über das Zinnbad verbessert der Hersteller die Qualität der glatten, homogenen Oberfläche. Erst mit der Beschichtung bringt er die Funktion ins Floatglas. Die unter Hochvakuum aufgebrachten Schichten, meist aus Silber, variieren hauchdünn bei zirka 80 bis 90 Nanometer Dicke die Reflexion, Absorption (Aufnahme) und die Transmission (Leitung) des Glases.

So kommt die Funktion ins Glas

Damit steuert der Produzent den g-Wert als Anteil der Sonnenenergie, die durch das Glas in den Raum dringt (Sonnenschutz), und beeinflusst, wie viel Energie wieder von innen nach außen zurückfließt (Wärmedämmung), gemessen als Ug-Wert. Die Wirkung von Sonnenschutzgläsern, meist mit einer Beschichtung auf Position 2 des Isolierglases, testeten die Metallbauschüler an Isolierglasmustern: Bei einem Modell mit einem g-Wert von 22 Prozent und 50 Prozent Lichttransmission wirkt die Durchsicht deutlich dunkler als bei Sonnenschutzglas mit 33 Prozent g-Wert sowie 70 Prozent durchdringendem Licht. Neben diesem starren Sonnenschutz profitiert der Kunde bei einer Jalousie im Scheibenzwischenraum (SZR) von einem beweglichen Hitze- und Blendschutz, der sich an die Bedürfnisse des Nutzers anpasst. Dabei sollten Hersteller laut Böttcher auf die Klimalasten im Isolierglas achten, die durch den Höhenunterschied zwischen Herstellungs- sowie Einbauort entstehen und die Scheiben mit Druck nach innen oder außen biegen. Ist die Biegung zu stark, nimmt die Jalousie Schaden – und das komplette Isolierglas muss ersetzt werden. Zwischen dem Produktions- und Einbauort sollte möglichst kein oder nur ein geringer Höhenunterschied liegen – der Hersteller kann den Druck im SZR entsprechend einstellen.

Noch mehr Komfort

Eine Wärmeschutzschicht, üblicherweise auf Position 3, verringert den Wärmetransport nach außen und spart damit Heizkosten während des Winters. Mehr Sicherheit gewährt dem Kunden der Einsatz von thermisch vorgespanntem Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG). Durch die Druckspannung in der Glasoberfläche sowie eine Zugspannung im Kern bricht ESG in viele kleine, stumpfe Stücke und senkt damit das Verletzungsrisiko. Zudem sinkt mit dieser Veredelungstechnik die Gefahr von thermischen Glasbrüchen. Floatglas verträgt maximal einen Temperaturunterschied von 40 Kelvin an verschiedenen Stellen, zum Beispiel bei Teilverschattungen oder Reflexionen durch dunkle Gegenstände in unmittelbarer Nähe zur Oberfläche.

Teilvorgespanntes Glas (TVG) verträgt dagegen einen Temperaturunterschied von 100, ESG sogar von 200 Kelvin – beide Varianten machen beispielsweise als Schaufensterverglasung Sinn. Verbundsicherheitsglas (VSG) ermöglicht als Verbund von mindestens zwei Scheiben mit Spezialfolien den Einsatz von Glas unter anderem für den konstruktiven Glasbau. Böttcher beschrieb den Schülern ein Projekt, bei dem der Glasbauer 18 Zentimeter dicke VSG-Scheiben als befahrbare Überdachung eines U-Bahnhofs einsetzte, die einer Last von fünf Tonnen standhalten mussten. VSG weist im Fall eines Bruchs eine hohe Resttragfähigkeit auf und bindet Splitter; deshalb eignet es sich als Überkopfverglasung, zum Beispiel in Wintergärten. Schallschutzfolien, verschiedene Farben und Muster sowie bedruckte Gläser erweitern die gestalterischen Einsatzmöglichkeiten für VSG. Durch eine typische Wärmeschutzverglasung dringt im Mittel Sonnenenergie von 580 W/m2 oder 5,8 kW ins Gebäude, das entspricht der Leistung eines Holzofens – bei großen Glasflächen in der Fassade eine beträchtliche Menge, die effizienten und variablen Sonnenschutz unverzichtbar macht.

Guten Sonnenschutz erkennen

Die Wirkungsweise und den Nutzen entsprechender Technik zeigten Ulrich Lang und Horst Rexroth von Hersteller Warema. Trotz vieler Funktionen, die ein Sonnenschutz-Produkt mitbringen muss, stehen die Aspekte der thermischen und visuellen Behaglichkeit im Vordergrund – die Technik soll Nutzer vor Hitze sowie Blendung bewahren.

Den Gesamtenergiedurchlassgrad gtot verringert der Fachmann durch außen und/oder innen liegenden Sonnenschutz um den Abminderungsfaktor Fc der eingesetzten Lösung, der zwischen 0 und 1 liegt. Dabei spielt die Positionierung des Produkts eine wichtige Rolle: Außen angebrachter Sonnenschutz (z.B. Raffstores, Jalousien, Fenstermarkisen, ZIP-Screens) wirkt je nach Typ und Gebäudefaktoren um das Sieben- bis Zehnfache effektiver als innen liegender Sonnenschutz. Im SZR von Isolierglas wirkt der Sonnenschutz immerhin um das Drei- bis Vierfache besser als innen. Bei Außenanlagen spielt die Farbgebung bei ausreichender Hinterlüftung keine Rolle; innen sollte der Experte dagegen auf helle, reflektierende Farbtöne und Beschichtungen setzen. Auch die Qualität und der Funktionsaufbau einer Verglasung beeinflussen die Leistungsfähigkeit des Sonnenschutzsystems, die Planer und Handwerker laut Lang nach folgenden Gesichtspunkten bewerten sollten:

  • Der g-Wert alleine sagt wenig über die Qualität des Sonnenschutzsystems aus.
  • Der Lichttransmissionsgrad Tvis sollte möglichst hoch sein für eine gute Tageslichtnutzung.
  • Der sekundäre Wärmeabgabegrad qi sollte möglichst klein sein.
  • Der Farbwiedergabeindex Ra sollte einen möglichst hohen Wert aufweisen. 

Als Tipp gab der Experte den angehenden Metallbauern an die Hand, die entsprechend der DIN EN 13363, Teil 2, berechneten Werte für das Glas-/Sonnenschutzsystem beim Hersteller anzufordern.

Klimaaktive Fassade

Mit diesen Infos versorgt, beantworteten die Schüler Langs Frage, welche der beiden Sonnenschutzlösungen sie als die bessere Variante wählen würden: eine Wärmeschutzverglasung mit Ug = 1,1 W/m2K und g = 0,64 und einem innen montierten, weißen Blendschutzrollo oder die gleiche Verglasung in Kombination mit einem außen liegenden, weißen Raffstore? Schüler und Lehrer entschieden sich zutreffend für die zweite Variante. Eine Fassade, die auf klimatische Einflüsse flexibel reagiert, nannte Lang die optimale Lösung im Sinne einer klimaaktiven Gebäudehülle. Per beweglichem Sonnenschutz passt der Nutzer den g-Wert an die jeweilige Jahres- und die Tageszeit an – zum Beispiel von 0,6 auf 0,05 – und verhindert damit ein Überhitzen während des Sommers. Im Winter verbessert die Kombi aus Wärmeschutzverglasung, Rollladen und innen liegendem Rollo den U-Wert von 1,1 auf 0,7 W/m2K. Mit Raffstore und verschiedenen Verglasungstypen steuert der Nutzer den Lichttransmissionsgrad Tvis. Die Steuerung des Systems mit Antrieb inklusive programmierbarer Lamellennachführung verbessert die Leistung und den Komfort weiter. Außerdem nutzt der Kunde mit einer solchen Lösung Tageslicht effektiver und spart Kunstlicht. 

Das sagen Experten und Lehrer

„Wir freuen uns, Fachwissen an die Nachwuchskräfte unserer Branche weiterzugeben und damit die Zukunft für alle zu sichern“, beschrieb Böttcher die Motivation für die Teilnahme von Saint-Gobain Deutsche Glas am Expertengespräch (ExGespräch). „Wir wollen das Wissen um die klimaaktive Fassade und die Möglichkeiten zur Steuerung von Licht und Sonnenenergie in Gebäuden an Fachkräfte weitergeben“, sagte Warema-Experte Lang.

Pädagoge und Organisator Höhler war zufrieden mit dem Verlauf des Unterrichts inklusive des Praxisbezugs: „Es entwickelte sich eine Diskussion mit interessanten Fragen der Schüler, die daraus Erkenntnisse für ihr Fachgespräch als Teil der Gesellenprüfung mitnahmen.“ Er hatte die Unternehmen als Verbindungselement zwischen Schule und Wirtschaft beim aktuellen Lehrplanthema Fenster, Fassaden und Glasaufbauten eingeladen.