Eurocode 1 stellt höhere Sicherheitsanforderungen So ermitteln Sie die richtige Windlast

Mit der Veröffentlichung von DIN 18055:2014-11 (Kriterien für die Anwendung von Fenstern und Außentüren nach DIN EN 14351-1) richtet sich der Fokus in der Branche auf eine korrekte Ermittlung der Windlast. GFF-Experte Reiner Oberacker erläutert wichtige Punkte.

© Quelle: Oberacker

Durch die Berücksichtigung der aktuellen Normen in dem Bereich steigen die Bemessungswindlasten in sehr vielen Fällen an. Dies sollten Fachbetriebe berücksichtigen, um bei der Standsicherheit hinsichtlich der „Grundanforderung an Bauwerke“ keine groben Fehler zu machen.

Im Prinzip wurde die derzeit objektbezogene Ermittlung der Windlast bereits vor zehn Jahren auf den Weg gebracht. Bereits die DIN 1055-4:2005-03 Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 4: Windlasten hatte im Wesentlichen die heute noch gültigen Anforderungen enthalten.

Deutsche Ergänzungen

Im Dezember 2012 wurde dann die europäische Grundlagennorm für die Windlast-Ermittlung veröffentlicht: Die DIN EN 1991-1-4 Eurocode 1: Einwirkungen auf Tragwerke; Teil 1–4: Allgemeine Einwirkungen, Windlasten. Da trotz europäischer Harmonisierung die Nationalstaaten bei ihrem Sicherheitsniveau eigene Vorstellungen verwirklichen, packen einige Staaten länderbezogene Regelungen in einen so genannten nationalen Anhang (NA). Deutschland hat dies mit der DIN EN 1991-1-4/NA getan. Dabei wurden insbesondere die von der Gebäudegeometrie abhängigen Außendruckbeiwerte für den Randbereich von Gebäuden um 21 Prozent höher angesetzt als in der EU-Vorlage. Die genannten Normen, Mitte 2012 in Deutschland bauaufsichtlich eingeführt und dadurch geltendes Baurecht, beschreiben in allgemeiner Form die Anforderungen bei der Ermittlung der Windlasten. Diese gelten sowohl für den Standsicherheitsnachweis des Gesamtgebäudes als auch zum Beispiel für die Ermittlung der Glasdicke einer größeren Schiebetür sowie hinsichtlich der Dimensionierung eines Pfostens in einem Fenster- oder Haustürenelement. Neu gemäß DIN 18055:2014-11 ist, dass der Anwender aus dieser Bemessungswindlast auch den Prüfdruck für eine passende Klasse zur Schlagregen- bzw. Luftdichtigkeit auf einfache Art und Weise ableitet. Grundsätzlich erfolgt die Ermittlung der Bemessungswindlast zum Standsicherheitsnachweis für ein im Wesentlichen rechteckiges Gebäude nach DIN EN 1991-1-4 sowie nach DIN EN 1991-1-4/NA so:

  • Entscheidung: Anwendung des vereinfachten Verfahrens (B.3.2; Gebäudehöhe bis 25 Meter und Bauwerksstandort bis 800 Meter über Normalnull) oder aber eines genauen Verfahrens (B.3.3)
  • aus dem Standort, der Windzone und der Geländekategorie ergibt sich der Geschwindigkeitsdruck qP
  • dieser Druck ist je nach Lasteinzugsfläche mit dem Außendruckbeiwert cpe zu multiplizieren zur Ermittlung des Winddrucks (für die Lasteinzugsfläche D) bzw. Windsogs (für die übrigen Lasteinzugsflächen)

Weil das genaue Verfahren für sämtliche möglichen Anwendungsfälle anwendbar ist und bei erhöhtem, teils komplizierten Rechenaufwand eventuell etwas geringere Belastungswerte ergibt, eignet es sich für Statiker. Das vereinfachte Verfahren passt für die überwiegende Mehrzahl der Anwendungsfälle.

So haben Sie die Anwendung im Griff

Die ermittelte Windlast, welche als Winddruck, aber überwiegend und dann mit höheren Werten als Windsog auftritt, ist die Bemessungswindlast. Während zur Dimensionierung eines Pfostens in einem Fenster- oder auch Fassadenelement das Vorzeichen vor dem Wert der Windlast („+“ bzw. ohne Vorzeichen für Winddruck von außen nach innen; „-“ für den Windsog weg vom Gebäude) keine wirkliche Rolle spielt, kann dies mit Blick auf die planerische Weiterleitung der Kräfte hinsichtlich der Fensterbefestigung anders sein; besonders bei geringen Randabständen der Verschraubungspunkte. Die Anwendungstabellen in der neuen DIN 18055 enthalten auch die cpe,1-Werte für das in der Praxis kaum vorkommende Verhältnis von Höhe zu Breite eines Gebäudes (h/d-Verhältnis) von mindestens 5 und gehen von einem Quadratmeter Bauteilfläche aus. Bei den häufigeren (viel) kleineren h/d-Werten und auch bei größeren Bauteilflächen ergibt sich eine deutlich reduzierte Bemessungswindlast.

Dies wird an den Werten der Tabelle (siehe Grafik auf Seite 28) deutlich, die alle auf Basis des niedrigsten normativen Geschwindigkeitsdrucks von qP = 0,5 kN/m² gerechnet sind. Es wird aufgezeigt, welche Windlasten sich für ein bis zu zehn Meter hohes Gebäude im Binnenland, in der Windzone 1, beispielsweise an Fensterelementen von bis zu einem Quadratmeter, von fünf Quadratmeter bzw. zehn Quadratmeter bei h/d-Verhältnissen von höchstens 1, von 3, von höchstens 5 ergeben. Und das Rechnen lohnt sich durchaus. Denn die braun hinterlegten Felder ergeben sich aus dem nationalen Anhang zum Eurocode 1; die restlichen durch lineare Interpolation.

Fazit

Zumindest mit Blick auf das vereinfachte Verfahren ist die Ermittlung der Windlasten zur Bemessung von Gebäuden oder Bauteilen kein Hexenwerk. Das Ablesen aus den Tabellen bringt schnelle Ergebnisse, die aber hohe Sicherheiten beinhalten. Wenn der Fachmann sich nur ein bisschen mit den Grundlagen beschäftigt, ermittelt er für im Wesentlichen rechteckige Gebäude hinsichtlich der relevanten Lasteinzugsbereiche Rand (A) sowie Mitte (B) optimierte Werte aus nur wenigen Angaben.