Nachgefragt „Montage hat in anderen Ländern höhere Wertigkeit“

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Sein Verweis auf die infolge explodierender Rohstoffpreise unbefriedigende Erlössituation beim Weltmarktführer für Drehkipp-Beschläge hat aufhorchen lassen. GFF wollte es genau wissen und traf den Roto-Vorstandsvorsitzenden Dr. Eckhard Keill zum Exklusivinterview.

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    „Gesetzliche Mindeststandards in Sachen Einbruchschutz haben nichts mit Subventionen zu tun“, sagt der Liberale Dr. Eckhard Keill.
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    „Die Politik wird für die Wirtschaft zum Problem, wenn sie unberechenbar ist“, betont der 64-jährige Spitzenmanager der Roto Frank AG.
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    Vorstandsvorsitzender Dr. Eckhard Keill (re.) sprach am Firmensitz von Roto in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart mit GFF-Chefredakteur Reinhold Kober.

GFF: Herr Dr. Keill, welchen Einfluss hat die Politik auf die Entwicklung der Märkte, Branchen und Unternehmen?

Keill: Ich habe häufig darauf hingewiesen, dass die Politik für die Wirtschaft zum Problem wird, wenn sie unberechenbar ist. Das gilt für Entscheidungen und Entscheider. Welche negativen Folgen das hat, musste auch Roto schmerzhaft erfahren. Ein exemplarisches Beispiel dafür ist der russische Fenster- und Türenmarkt. Der drastische Nachfrageeinbruch, den wir dort speziell 2015 und 2016 erlebten, war praktisch ausschließlich das Resultat politischer Krisen. Sie führten u.a. bekanntlich zu Wirtschaftssanktionen und am Ende zu dem für den russischen Staat bedrohlichen Ölpreisverfall. In solchen – völlig unvorhersehbaren – Situationen sind Unternehmen faktisch chancenlos. Sie können noch so gut aufgestellt sein; der Marktsog wird sie unweigerlich ebenso erfassen.

Sehen Sie da Risiken für das Jahr 2018?

Das lässt sich nicht ausschließen. Denken Sie an die Nordkorea-Krise mit ihrem völlig ungewissen Ausgang. Generell schätzen wir die für uns relevanten Märkte 2018 relativ optimistisch ein – solange uns die Politik nicht dazwischenfunkt.

Verträgt sich die Forderung nach staatlicher Förderung von einbruchhemmenden Maßnahmen im Zuge Ihrer erfolgreichen Quadro Safe-Kampage mit Ihrem Appell, die Politik möge sich raushalten?

Roto hat nie nach staatlicher Förderung gerufen, sondern sie immer als zweitbeste Lösung bezeichnet. Getreu unserer Maxime „Prävention vor Subvention“ sagen wir: In einer Zeit, in der in Baden-Württemberg die Zahl der Fahrradständer sorgar vor privaten Wohngebäuden gesetzlich geregelt wird, sollte der Staat besser bauliche Mindeststandards zur Sicherung von Wohneigentum festlegen. Zudem ziehen Einbrüche ja polizeiliche Ermittlungen nach sich, die zulasten aller gehen. Im Übrigen ist die deutsche Bevölkerung für eine solche gesetzliche Vorgabe mehrheitlich aufgeschlossen, wie die von uns initiierte Forsa-Umfragen 2016 ermittelte. Das individuelle Bedürfnis nach Sicherheit nimmt zu – mit Rosa Luxemburg würde ich sagen: Die Freiheit des Einzelnen hört dort auf, wo die Freiheit des anderen anfängt.

Wow, Sie zitieren Rosa Luxemburg.

(lacht) Als Liberaler habe ich damit keine Probleme.

Sind Sie stolz, in einer Zeit, in der alle monothematisch nur über den U-Wert gesprochen haben, mit Einbruchschutz ein Thema gesetzt zu haben, das die Leistungsvielfalt des Fensters zeigt?

Jedenfalls bin ich sehr froh darüber, dass uns unsere Kunden auf diesem Weg gefolgt sind. Fenster, das heißt für mich Schalldämmung, Tageslicht, Wärmedämmung, ganz wichtig: Gestaltung – und eben Sicherheit. Unsere Initiative hat damals gepasst und passt weiter, weil es nach wie vor sehr hohe Einbruchszahlen gibt – und das ungesicherte Fenster daran natürlich einen großen Anteil hat. Um die Leistungsvielfalt moderner Fenster stärker herauszuarbeiten, gehöre ich zu den Befürwortern einer gemeinsamen Branchenkampagne. Sie könnte man zum Beispiel gut bei einem leistungsstarken Verband andocken. Persönlich macht es mir etwa Mut, dass die Nachfrage nach farbigen Fenstern wächst.

Wieso das denn?

Weil es zeigt, dass sich die Menschen mit dem Bauteil Fenster als Bestandteil ihrer Einrichtung auseinandersetzen. Wenn ich als Branche unterschiedliche Varianten zur Verfügung stelle, bringe ich die kaufende Zielgruppe dazu, sich mit der für den Einzelnen richtigen Wahl zu beschäftigen – und nicht mehr nur dazu, mit dem Fenster ein Loch in der Wand zuzumachen. Deshalb setzt sich Roto für wohnraumspezifische Fenster ein – mit je nach Anwendung z.B. im Kinderzimmer, im Wohnzimmer oder in der Küche abweichenden Ausstattungsdetails. Fenster ist Vielfalt – so eine Kampagne könnte ich mir gut vorstellen. Auch wenn ich von einigen höre, bunte Fenster würden nur die Produktion durcheinanderbringen.

Bei Roto stellen Sie Ihrerseits einiges auf den Prüfstand. Was hat es mit den neuen Strukturen denn auf sich, von denen zuletzt bei Ihnen die Rede war?

Nehmen wir als Beispiel von Kunden angestoßene Produktapplikationen. Zum Glück sind die Betriebe, mit denen wir zusammenarbeiten, in großer Zahl an Verbesserungen interessiert und weisen uns auch darauf hin, wenn es ihrer Meinung nach noch Potenzial gibt. In diese Themen involviert sind auf unserer Seite u.a. Marketing, Vertrieb, F&E, Produktion und Controlling. Bisher verliefen die Kommunikationsströme oftmals zwischen den Abteilungen und gleichzeitig innerhalb der beteiligten Units – also gewissermaßen horizontal und vertikal. Nun haben wir vier so genannte Leitprozesse definiert und installiert, um Verantwortlichkeiten klar zu regeln und so zu schnelleren Ergebnissen zu kommen. Sie gliedern sich in Kunden und Märkte, Kunden und Marktlogistik, Produktinnovation sowie Produktherstellung. Ich denke, dass uns die vollständige Umsetzung dieser neuen Struktur noch ein bis zwei Jahre beschäftigen wird.

Vor Journalisten haben Sie sehr offen über die unbefriedigende Erlössituation gesprochen und drastische Preiserhöhungen angekündigt – was bewog Sie dazu?

Zunächst einmal: Roto schreibt natürlich keine roten Zahlen. Aber die Richtung hat zuletzt nicht mehr gestimmt. Die enormen Preissprünge bei Zink, Alu und Stahl haben uns keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Wahl gelassen. Ich habe mich entschieden, damit offensiv umzugehen, weil wir stets etwas zur Ertragssituation sagen. Aber ich wollte nicht riskieren, von einer moderaten Preisanpassung zu sprechen und dann mit der sicher ungewöhnlichen Anhebung zwischen sechs und acht Prozent draußen auf völliges Unverständnis zu stoßen. Leider ist es so, dass Zinkminen geschlossen wurden, die nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben waren. Auf das Geschehen an den Rohstoffbörsen und -märkten haben wir generell natürlich überhaupt keinen Einfluss. Bisher habe ich den Eindruck, dass unsere Kunden die unstrittigen Sachzwänge nachvollziehen.

Wie sehen Sie die Entwicklung auf der Personalseite, gerade in der Montage?

Das ist für das Handwerk und damit die ganze Branche ein gravierendes Problem. Von den Kollegen in der Division Dach- und Solartechnologie weiß ich, dass jede zehnte Dachdecker-Stelle nicht besetzt ist. Bei Fassadenfenstern ist die Wertigkeit der Montage in anderen Märkten übrigens höher: So höre ich aus Frankreich, dass die Betriebe dafür zwischenzeitlich 100 Prozent auf den Preis für das Element aufschlagen.

Zur Übernahme der Firma Wollenberg äußern Sie sich in dieser GFF-Ausgabe an anderer Stelle ausführlicher („Kurz gefragt“, S. 12; Anm. d. Red.). Wird daraus eine deutschlandweite Option?

Das hängt wesentlich von den Erfahrungen ab, die wir mit dem Konzept und der zunächst regionalen Umsetzung machen. Wollenberg ist ja in Berlin ansässig. Davon will ich mir auch einen persönlichen Eindruck verschaffen. Deshalb habe ich vor Weihnachten mit den Servicespezialisten zusammen einige Baustellen besucht. Aber eines steht schon heute fest: Roto tritt sicher nie als Konkurrent seiner Kunden auf. Es wird vielmehr immer darum gehen, die erheblichen Chancen, welche im Geschäftsfeld Nachversorgung liegen, gemeinsam zu nutzen.

Herr Dr. Keill, haben Sie vielen Dank für dieses Gespräch.