Nachwuchsmangel bei Fachlehrern gefährdet Glaskunst-Ausbildung Glaserhandwerk sollte Wissen weitergeben

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Gestalten mit Glas

Die Kunst, Glas verständig mit den Händen zu formen und zu gestalten, geben Handwerker seit Generationen vom einen zum nächsten weiter; so sichern sich Fachbetriebe eine attraktive Nische im Markt. Hans Wudy, Leiter der Glasfachschule Zwiesel, sieht dieses Wissen in Gefahr.

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    © Glasfachschule Zwiesel
    Die Fachlehrer an der Glasfachschule Zwiesel setzen ihre Zeichnungen gestalterisch mit den Schülern um.
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    Die Schüler lernen unter anderem das Gestalten mit Flachglas.
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    Die Bearbeitung des transparenten Werkstoffs verlangt viel Kreativität und ist echte Handwerkskunst.

„Ich habe Angst, dass vorhandenes Wissen und die kulturell wertvolle Erfahrung des Glaserhandwerks ohne Not unwiederbringlich verloren gehen. Diesen Schatz können wir nicht wieder zum Leben erwecken, er ist dann passé“, betont Wudy. Der Schulleiter aus dem Bayerischen Wald, seit Generationen Heimat der Glasmacher, schlägt Alarm, weil Schüler- und Lehrerzahlen seit Jahren rückläufig sind. Als Gründe sieht er die sinkende Zahl an ausbildungsfähigen Nachwuchskräften aufgrund der demografischen Entwicklung und die wachsende Konkurrenz mit der Industrie. Dort zahlen die Unternehmen oft ein höheres Gehalt im Vergleich zum Handwerk und schöpfen nach Wudys Einschätzung einen immer größeren Teil der ohnehin weniger gewordenen Nachwuchskräfte ab. Zudem seien es viele junge Menschen nicht mehr gewohnt, mit ihren Händen kreativ zu arbeiten. Um die wirtschaftlich attraktive Nische der individuellen Glaskunstgestaltung zu besetzen, brauchen Handwerksbetriebe Facharbeiter, die handwerkliches Geschick mit gestalterischen Ideen und Kreativität kombinieren. „Dieses Wissen lernen fertige Gesellen aus dem Glaserhandwerk an der Fachschule Zwiesel. Dafür benötigen wir erfahrene Glaser, die ihr Know-how und ihre Leidenschaft an die jungen Menschen weitergeben und bei ihnen das Feuer wecken“, erklärt Wudy. Die aktuelle Generation der Lehrer geht großenteils in zirka 15 Jahren in Pension und wird ihr Wissen mitnehmen, wenn sich nicht ausreichend Nachfolger finden. Hinter dem Wissenstransfer steckt ein langwieriger Prozess, deshalb drängt die Zeit schon jetzt. „Wir haben seit zwei Jahren eine Lehrerstelle für einen Glasgestalter und -veredler mit Erfahrung in der Gravur offen. Bewerbungen nehmen wir jederzeit gerne entgegen“, wirbt Wudy für seinen Berufsstand – und um eine gehörige Portion Enthusiasmus.

Sicherung der handwerklichen Tradition als Lohn

Trotz der mit dem Handwerk vergleichbaren Bezahlung und der Vorteile einer möglichen Beamtenlaufbahn mit einem sicheren Arbeitsplatz und einer Pension haftet dem Fachlehrerberuf im Vergleich zu einer Stelle in der Industrie das Image an, weniger attraktiv zu sein. „Dabei stellen sich unsere Lehrer unter dem Strich nicht schlechter. Außerdem haben sie bei uns die Möglichkeit, ihre Arbeit an der Fachschule sehr frei und kreativ zu gestalten“, zählt der Glasexperte Vorzüge des Fachlehrerjobs auf. Trotz der zirka 400 Schüler an der Berufsfachschule herrschten eine familiäre Atmosphäre und ein enger Kontakt zu den Nachwuchskräften. „Lehrer sind bei uns Menschen und geben Fachwissen des Handwerks von Generation zu Generation weiter. Sie erhalten die Tradition und können den Werdegang ihrer Schützlinge begleiten“, sagt Wudy. Mit der Weitergabe dieser Kunst erhält sich das Handwerk eine wichtige Nische im Wettbewerb mit der Industrie, weil individuelle Produkte mit Gravuren, Schleifarbeiten sowie anderen Veredelungstechniken je nach Kundenwunsch nicht in dem Maß industriell herstellbar sind.

Bitte nicht noch mehr an Boden verlieren

„Ich fürchte leider, dass unser Glaserhandwerk in Deutschland noch erheblich mehr an Boden verlieren wird, wenn es uns nicht gelingt, das Wissen über die Glasveredelung zu bewahren“, äußert der Schulleiter seine Angst.
Wer als Fachlehrer an der Glasfachschule Zwiesel lehren möchte, braucht eine Berufsausbildung und eine Weiterbildung zum Meister an einer Fachschule oder eine vergleichbare Technikerausbildung plus mindestens drei Jahre Berufserfahrung. Nach einem Aufnahmetest mit einem einstündigen Probeunterricht folgt eine einjährige Ausbildung als Kombination aus Unterricht sowie pädagogischer Fortbildung. Danach winken eine Beamtenstelle und die Chance, mit den Händen und mit jungen Menschen zu arbeiten. Auf der Tätigkeitenliste stehen: Gravur, Schliff, Flachglasveredelung und Flachglasmechanik in der Praxis und in der Theorie. Dazu kommt gestalterisches und fachliches Zeichnen. 

Dem zunehmenden Mangel an Fachlehrern in der Glaskunst und in der Glasgestaltung begegnet die Glasfachschule in Zwiesel mit dem Kontakt zu ehemaligen Schülern. „Wir verfolgen die Entwicklung unserer Ehemaligen und sprechen diese Kandidaten gezielt an“, sagt Wudy. Allerdings stehe die Schule auch hier in immer stärkerer Konkurrenz zur Industrie, die mit höheren Gehältern lockt. „Langfristig stoßen wir mit dieser Strategie an unsere Grenzen und müssen den Umfang der Ausbildung zurückfahren, um die Qualität sicherzustellen“, bekennt der Experte.