Arnold entdeckt Potenzial der Lasertechnik und will US-Markt aufmischen Glas-Funktionen on demand

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Anfang Oktober tritt Arnold Glass USA in den Markt für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein. Beinahe genauso viele Optionen bietet das zweite Thema beim GFF-Exklusivtermin mit Hans-Joachim Arnold sowie Boraident-Technikchef Dr. Thomas Rainer in Remshalden: die Lasertechnik.

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    Die Stimmung erinnert ein wenig an die Inbetriebnahme des ersten eigenen Autos: Dr. Thomas Rainer, Hans-Joachim Arnold und Manuel Jess (v.li.) auf der Kommandobrücke des ersten zur Bearbeitung von Glas eingesetzten Laser Bird in Remshalden
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    Kamera filmt Kamera: In der unteren rechten Ecke des Bildes lässt sich erkennen, wo der Laser auf die Scheibe trifft.

Wer gedacht hat, Hans-Joachim Arnolds Rückzug in den Aufsichtsrat der gleichnamigen Glaswerke sei eine Art Vorruhestand mit Händeschütteln, sieht sich getäuscht. In seiner Fabrik, 20 Kilometer von Stuttgart gelegen, sagt er: „Ich bin froh, dass ich auch räumlich von der Gruppenleitung in Feuchtwangen getrennt bin. So können die in Ruhe arbeiten.“ Dazu macht er ein Gesicht, als ergänzte er im Stillen: Und ich kann es auch.

Als sein Produktionschef Manuel Jess ihn 2012 auf der glasstec auf den Stand des ostdeutschen Maschinenbauers Boraident hinweist, kommt Arnold über den laserbasierten Markierungslösungen, über die in 12/10 GFF in einem Praxistipp („Zaubertinte für ESG-Hersteller“) informiert hatte, mit Dr. Thomas Rainer, dem Technikchef des Unternehmens, „ins Spinnen“, wie er rückblickend sagt. Schon damals geht es um die Frage, wie sich die Lasertechnik für die Glasbranche gewinnbringend einsetzen lässt, um dem transparenten Material zusätzlichen Funktionsnutzen zu geben; Arnold, dem noch immer die Begeisterung ins Gesicht geschrieben steht, erinnert sich an den Ausspruch Rainers, es sei damit möglich, Material unter die Glasoberfläche zu bekommen: „Ich dachte mir, jetzt spinnt er.“

Die wundervolle Welt des Glases

Dem verdutzten GFF -Reporter kommt der technische Geschäftsführer von Boraident mit der Präzisierung zu Hilfe, die Rede sei nicht von irgendwelchen Gräsern zwischen den Scheiben – das gibt’s schon. Mit Laser Bird, so heißt die eine halbe Million Euro teure, auf Grundlage des Dialogs mit Arnold entwickelte Maschine, ließen sich Stoffe in die Scheibe einbringen, ohne dabei die Glasoberfläche zu schädigen; und mit den Stoffen zusätzliche Funktionen.

Dabei haben die beiden ein Konzept ersonnen, das Glasveredler mit der Maschine in die Lage versetzt, mit überschaubarem Aufwand, schnell und bei Bedarf für Losgröße eins dank lizenzierter Applikationen (vulgo Apps) ein Portfolio aufzubauen, das Verschattungsstrukturen (Borashade), Muster/Logos (Lightdecor), Lichtlenkung (Sunshade) oder leitfähige Strukturen (Circuit Flow) beinhaltet – sowie natürlich eine Vogelschutzfunktion (Ornilux). Zwölf Jahre beschäftigt sich Hans-Joachim Arnold mit diesem Thema. Dass es sich um ein persönliches Anliegen handelt, verdeutlicht der extreme Aufwand mit Tests in Weißrussland oder Powdermill im US-Bundesstaat Pennsylvania, die absolvieren muss, wer für sein Produkt eine entsprechende Schutzfunktion reklamiert.

Vogelschutzglas in der Times

Dazu kommt der glückliche Umstand, dass sich die Passion für den Unternehmer auszahlt. Während Ornilux Mikado, das Arnold als Maybach unter den Vogelschutzgläsern bezeichnet „und halt auch so viel kostet“, im deutschen Markt standardmäßig an der Kostenkontrolle scheitert, ist die Situation in den USA eine vollkommen andere. Dort erhalten die Glaswerke Arnold im Oktober für die Verdienste um den Schutz des Gefieders einen Award der Autobahngesellschaft – und haben es mit dem Produkt auf die Nachrichtenseiten von New York Times und von weiteren Leitmedien geschafft.

Da passt es gut, dass in diesem Monat im Land der unbegrenzten Möglichkeiten Arnold Glass USA an den Start geht, wie GFF in Remshalden ebenfalls exklusiv erfährt. Mutmaßlich von Boston aus will der familiengeführte deutsche Mittelständler mit einem Umsatz von 110 Millionen Euro und dem Pfund des 1959 von Firmengründer Alfred Arnold erfundenen, zweistufig geklebten Randverbunds den Megamarkt erobern – auch dank der Vogelschutz-Vorschusslorbeeren. Das kommt Kooperationspartner Boraident zugute, im weniger zerklüfteten US-amerikanischen Glasmarkt sieht Hans-Joachim Arnold gute Perspektiven für den Vertrieb der in Remshalden bereits genutzten Maschine. Damit lässt sich ein neuer Typus Ornilux, genannt „Line“, fertigen, der preislich unterhalb des Maybach angesiedelt sein soll. Weil das Geschäft von jedermann regional zu betreiben ist, sieht der Aufsichtsratsvorsitzende der Glaswerke Arnold im (nicht ganz unsichtbar bearbeiteten) Endprodukt im Verhältnis zur makellosen Mikado-Qualität den Vorteil der potenziell höheren Marktdurchdringung.

Dazu laufen im deutschen Markt Gespräche mit einem halben Dutzend Interessenten an der Laser-Bearbeitungstechnologie, die es dem Anlagennutzer erlaubt, über ein System mit bis zu drei Laserköpfen on demand Glas-Funktionalitäten auszuwählen und in das Produkt einzubringen. Dr. Thomas  Rainer vergleicht das mit einer CNC, mit der in Abhängigkeit von dem gewählten Bohrer verschiedene Anwendungen zu realisieren sind. Was die Entwicklungsmöglichkeiten angeht – über Borashade, Lightdecor, Sunshade, Circuit Flow und Ornilux Line hinaus – ist der Status quo nach Einschätzung Arnolds der Anfang; regelmäßige Updates für in Lizenz genutzte Applikationen scheinen denkbar.

So bleibt die Frage, warum der Pionier für den Einsatz von Lasertechnik in der Branche mit den Chancen für die Aufwertung von Glas seine Mitbewerber ausstatten will. Arnold sagt: „Wir sind nicht klein. Aber wir sind nicht groß genug, die Technologie alleine im Markt zu verankern.“ Mit Lizenzen kennen sie sich ja aus in Remshalden, Isolar-Mitglieder sollen Vorzugskonditionen erhalten.