In fünf Jahren zum Gesellen, Meister und Ingenieur Drei auf einen Streich

Die Berufsakademie im niedersächsischen Melle bildet Fachkräfte im dualen Studiengang Glas-, Fenster- und Fassadentechnik aus. Sehr gute Karrierechancen ermöglicht das jüngste Qualifizierungsmodell, bei dem Absolventen drei Abschlüsse in fünf Jahren erlangen.

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    Dorothee Stukenborg erwirbt an der Berufsakademie Melle in fünf Jahren drei Abschlüsse: die Erstausbildung zur Tischlerin, Glasermeisterin und Ingenieurin
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    Meisterstück: Die Bleiverglasung greift Elemente der japanischen Kultur auf.

2 + 1 + 2 = 5. Die Formel beschreibt das neue Qualifizierungsmodell für Durchstarter der niedersächsischen Berufsakademie (BA) Melle. Die Bildungseinrichtung bietet das duale Studium Glas-, Fenster- und Fassadentechnik in Kooperation mit dem GFF Baden-Württemberg an. Absolventen erlangen in fünf Jahren drei Abschlüsse: die zweijährige Tischler- bzw. Schreinerausbildung, die einjährige Meisterausbildung an der Fachschule GFF in Karlsruhe und das auf zwei Jahre verkürzte Bachelorstudium. Dual heißt auch immer, dass ein Partnerunternehmen mit an Bord ist. „In der Branche ist zunehmend eine übergreifende Arbeitsweise von Meistern und Ingenieuren aus unterschiedlichen Bereichen der Wertschöpfungskette gefragt“, sagt Akademieleiter Joachim Martin. Dieses fünfjährige Qualifizierungsmodell sei einzigartig in der Branche und biete die Möglichkeit, junge Menschen auch ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung zu fördern. Es entzerre den Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte. Mit dem Bachelor of Engineering und dem Meister stünden Absolventen vielfältige Karrierechancen in der Industrie oder im Handwerk offen.

Auf Umwegen zum Berufswunsch

Dorothee Stukenborg ist die erste Studentin, die sich für das jüngste Modell der BA Melle entschieden hat. Ihr Praxispartner ist der elterliche Familienbetrieb, die Tischlerei Stukenborg in Lohne. 2016 startete sie dort die zweijährige Tischlerausbildung, im zweiten Jahr begann parallel dazu das erste Studienjahr. Dabei wechseln sich Theorie- und Praxisblöcke ab. „Für Prüfungen lernen, das Gesellenstück anfertigen und dabei alle Termine im Auge behalten – das war schon stressig“, resümiert die 24-Jährige, die auf Umwegen in dem Studiengang gelandet ist. Nach dem Abitur nahm sie zunächst ein Lehramtsstudium auf, später entdeckte sie bei einem Praktikum im elterlichen Betrieb ihr Faible fürs Handwerk. „Es macht Spaß, ein Werkstück zu konstruieren und das fertige Produkt später in den Händen zu halten“, sagt Dorothee Stukenborg.

Mitte 2018 verlegte sie ihren Wohnsitz nach Karlsruhe, um den einjährigen Meisterkurs an der Fachschule GFF zu besuchen. Und auch diese Hürde hat sie inzwischen erfolgreich genommen. Eine der dort erlernten Fertigkeiten setzte sie in ihrem Meisterstück um. „Die Technik der Bleiverglasung interessiert mich“, hebt sie hervor. Bei der Gestaltung ließ sie sich von der japanischen Kultur inspirieren, das Motiv zeigt den Fuji als höchsten Berg Japans sowie Kraniche, die in Japan für ein langes Leben stehen. Die Blumen veredelte sie mit Glassteinen, für den Schnee wandte sie die Sandstrahltechnik an. „Die Inhalte in Karlsruhe sind breit gefächert, man lernt viel und auch der Bereich Fensterbau ist abgedeckt“, erinnert sie sich.

Theorie-Praxistransfer ist ein Gewinn

Aktuell befindet sich Dorothee Stukenborg auf der Zielgeraden, seit Oktober ist sie für die nächsten zwei Jahre wieder an der BA Melle. Der Unterricht findet zusammen mit den Studierenden der Fachrichtung Holz- und Möbeltechnik statt. Zentrales Element im dualen Studium ist der Theore-Praxistransfer. „Damit dieser gelingt, erstellen die Studierenden – mit Unterstützung der Dozenten – in jedem Semester ein Praxistransferprojekt“, beschreibt Akademieleiter Martin die Anforderungen. „Dabei definiert der jeweilige Partnerbetrieb die Projektaufgabe.“ Fünfmal könnten sich die Studierenden erproben, bevor die Aufgabe im sechsten Semester in die Bachelorarbeit münde. „Die realen Lernerfahrungen sind ein echter Gewinn für beide Seiten“, ergänzt er.

Und was schätzt die angehende Ingenieurin an dem Studium? „Den persönlichen Rahmen“, sagt sie. „Wir sind nur zwölf Studierende im Semester.“ Die Abbrecherquote sei sehr gering, die Dozenten gäben sich große Mühe, um die zum Teil sehr anspruchsvollen Lerninhalte verständlich zu vermitteln. Ihr Tipp an potenzielle Studieninteressenten: „Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass es ein Haufen Arbeit ist. Aber es ist machbar!“