Glasschäden Teil 5 Was Unverträglichkeiten auslösen können

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Glasschäden

Auf der Baustelle werden viele Produkte eingesetzt. Oft weiß der Verarbeiter nicht, welche zusätzlichen Stoffe mit seinem Gewerk noch in Kontakt treten. Die beim Einsatz von Glas und Isolierglas verwendeten Materialien dürfen keine Reaktionen oder Wechselwirkungen zeigen.

Unverträglichkeiten zwischen den verwendeten Stoffen können bei Isolierglas beispielhaft an diesen Stellen auftreten. - © Wagner

Glas ist bekanntermaßen ein Material, das mit nur ganz wenigen anderen aggressiven Chemikalien eine Wechselwirkung eingeht. Unter normalen Einsatzbedingungen kommt es zu keinerlei negativen Reaktionen, es bleibt in seinen Eigenschaften dauerhaft bestehen.

Anders sieht dies bei den vielen Materialien, Stoffen oder Stoffgemengen aus, die zur Weiterverarbeitung zu Isolierglas, zur Verglasung, Verklebung, Abdichtung usw. verwendet werden.

Stoffe auf Wechselwirkung prüfen

Dabei ist nicht nur die Eignung für das jeweilige Einsatzgebiet zu prüfen, sondern auch besonderes Augenmerk darauf zu richten, welche Stoffe miteinander in Kontakt kommen und ob hierbei negative Wechselwirkungen entstehen.

Eine Vielzahl an unterschiedlichsten Materialien und Produkten ist heute am Bau im Einsatz.
Oft ist es dem Verarbeiter nicht bekannt, welche zusätzlichen Materialien oder Stoffe mit seinem Gewerk noch in Kontakt treten können.

Umso wichtiger ist es deshalb, dass die beim Einsatz von Glas und Isolierglas verwendeten Materialien keinerlei negative Reaktionen oder Wechselwirkungen zeigen, sie müssen miteinander verträglich sein.

Was versteht man unter Verträglichkeit und Unverträglichkeit?

Von Verträglichkeit spricht man immer dann, wenn die in einem System enthaltenen Materialien bzw. Stoffe keinerlei schädliche Wechselwirkungen zeigen.

 Unverträglichkeit liegt dann vor, wenn folgende Veränderungen durch negative Wechselwirkungen der beteiligten Substrate auftreten:

  • Struktur- oder Konsistenzveränderungen, z. B. Oberflächenklebrigkeit, Erweichung, Verhärtung, Versprödung, Verflüssigung, Auflösung
  • Volumenveränderungen, z. B. Quellung, Schrumpfung
  • Optische Veränderungen, z. B. Farbveränderung, Blasenbildung
  • Veränderungen der mechanischen Eigenschaften, z. B. Haftverlust, Elastizitätsverlust, Plastizität, Bruchdehnung, Querkontraktionszahl
  • Migration von X nach Y, also direkter Kontakt zweier Stoffe

Eine oder mehrere migrationsfähige Komponenten des Stoffes X wandern beispielsweise direkt über die Kontaktfläche in Stoff Y ein und verändert dessen Eigenschaften meist negativ.

Stoffkomponenten von X wandern über Stoff Z nach Stoff Y

Dabei kann es auch zu negativen Veränderungen im Stoff X kommen, dem dann die abgewanderten Inhaltsstoffe fehlen.

So können beide Stoffe durch die Migration geschädigt werden.Eine oder mehrere migrationsfähige Komponenten des Stoffes X wandern im dargestellten, schematisierten Beispiel über den dazwischen liegenden Stoff Z in den Stoff Y ein und verändern dessen Eigenschaften negativ. Die Eigenschaften von Stoff Z müssen diese Durchwanderung allerdings auch ermöglichen.

Dabei kann es sowohl zusätzlich auch zu negativen Veränderungen im Stoff X kommen, dem dann die abgewanderten Inhaltsstoffe fehlen, wie auch zu negativen Veränderungen im Stoff Z durch die eingewanderten bzw. durchgewanderten Stoffe kommen. So können alle beteiligten Stoffe (X, Y und Z) durch die Migration geschädigt werden.

Weichmacherwanderung im Isolierglas

In den meisten Kunststoffen sind sog. Weichmacher enthalten. Diese Additive sorgen in Stoffen dafür, dass bestimmte erwünschte Eigenschaften (weich, geschmeidig, flexibel, elastisch, thermoplastisch u. a.) erreicht und beibehalten werden.

Sie lassen Kunststoffe unter anderem aufquellen und überführen sie in einen gelartigen Zustand. Diese Weichmacher sind meist Ester (Phthalate), Weichharze, Extender (fette Öle) oder Campher.

Physikalische Diffusion löst teilweise chemische Reaktion aus

Im System Isolierglas ist diese Weichmacherwanderung das am häufigsten auftretende Verträglichkeitsproblem. Diese Diffusionsprozesse sind meist physikalischer Natur, in einigen Fällen schließt sich aber auch eine chemische Reaktion an.

Folgende Materialien kommen hauptsächlich in Fenster und Fassade zum Einsatz und müssen miteinander verträglich sein:

  • Verbundsicherheitsglas oder Verbundglas mit div. Zwischenlagen wie PVB, Sentry-Glas, EVA, PU u.a.
  • Isolierglas (Butyl/Polyisobutylen, TPS, Silikon, Thiokol/Polysulfid, PU)
  • Abstandhalterprofile aus Kunststoff oder aus Schäumen
  • Klotzung (div. Kunststoffe, Holz)
  • Falzversiegelung, Verklebung
  • Trockendichtungen (EPDM o.a.)
  • Nassversiegelung Fenster/Glas, Fenster/Mauerwerk
  • Dicht- und Vorlegebänder
  • Montageschäume
  • Fensterprofile (Kunstsoff, Holz, Metall)
  • Hinterfüllmaterialien

Diese Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da diverse Sonderkonstruktionen noch weitere Stoffkombination ermöglichen, wie z. B. Structural Glazing, begehbare Verglasungen und Brandschutzverglasungen.

Die vertikale Grafik zeigt die Möglichkeiten auf, bei denen Stoffe miteinander in Kontakt treten und Reaktionen auslösen können.

Bei Betrachtung erkennt man, dass die Kombination der Vielzahl inzwischen in Fenster und Fassade verarbeitbaren Stoffe und ihre Variationen sehr schnell zu Unverträglichkeitsreaktionen führen können.

Fachbuch zeigt Beispiele aus der Praxis

Im Fachbuch Glasschäden von Holzmann Medien, 5. Auflage, sind derartige Reaktionen unter 8.3 in diversen Varianten aus der Sachverständigenpraxis dargestellt.