Zukünftiger Umgang mit Blei Musterbrief der Glaser-Innung Niedersachsen

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) plant, das Material Blei in all seinen Formen auf den so genannten Appendix XIV (Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe) zu setzen. Die Glaser-Innung Niedersachsen ruft dazu auf, ein Protestschreiben zu verfassen.

Protestschreiben
Die Glas-Innung Niedersachsen ruft zu Protestschreiben gegen die Europäische Chemikalienagentur auf, welche das Material Blei in all seinen Formen auf den Appendix XIV setzen will. - © stock.adobe.com – VDR

Die Glaser-Innung Niedersachsen informiert, dass die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) plant, das Material Blei in all seinen Formen auf den so genannten Appendix XIV (Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe) zu setzen. Das würde bedeuten, dass für jede Anwendung dieses Stoffes – Herstellung, Bearbeitung, Lagerung – eine Sondergenehmigung erforderlich sei: Herstellung, Restaurierung, Lagerung oder Präsentation von neuen oder historischen Glasmalereien und Bleiverglasungen – beispielsweise im Museum – seien ansonsten nicht mehr möglich.

Frist für Einwände endet am 2. Mai 2022

Bevor ein Material auf diese Liste gesetzt wird, gibt es jedoch einen Konsultationsprozess, bei dem jeder Bürger, alle betroffenen kommerziellen Firmen sowie Institutionen – Interessenvertretungen, Verbände, Vereine, Museen, Denkmalämter – einen Kommentar zu diesem Vorgehen abgeben dürfen. Die Frist für Einwände und Kommentare endet am 2. Mai 2022.

Die Glas-Innung Niedersachsen ruft dazu auf, im Namen der eigenen Institution bzw. Firma oder auch als Privatperson einen entsprechenden Kommentar zu verfassen. Im Folgenden finden Interessierte ein Musterschreiben, welches mit eigenem Briefkopf versehen, verwendet oder abgeändert benutzt werden kann.

Musterbrief zur freien Verfügung

[Bitte diesen Entwurf beliebig verändern oder kopieren; ggf. an die Institution anpassen, ggf. auf das Risiko für Arbeitsplätze oder auf den Verlust kulturellen/künstlerischen Erbes hinweisen]

BITTE EINFÜGEN

Briefkopf der Organisation, wenn möglich
Absender: Name, Institution/Organisation, Adresse, Land, Datum

An die
European Chemicals Agency (ECHA)
P.O. Box 400
FI-00121 Helsinki
Finnland

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Und/Oder:

An
Ms. Mariya Gabriel
Directorate-General for Education and Culture
European Commission
1049 Bruxelles/Brussel
Belgium

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bezogen auf die vorgeschlagene EU-Verordnung [REACH Anhang XIV, EG-Nummer 231-100-4]

Gefahr für unser europäisches kulturelles Erbe und für die Kunstgattung der Glasmalerei
Gefahr der Zerstörung der Berufsausübung für Glasmaler und Glasmalereirestauratoren

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Mariya Gabriel,

das Material Blei, gegossen, gezogen oder kalt verformt in Form von Bleiruten oder Walzblei, ist ein unverzichtbarer und wesentlicher Bestandteil bei der Herstellung und Restaurierung von Glasmalerei-Fenstern. An seinen Kreuzungspunkten mit Lot fixiert, bildet es eine starke und langlebige Grundstruktur, die farbiges und bemaltes Glas tragen kann.

Es handelt sich um eine Kunstform mit einer tausendjährigen Geschichte, die in weltberühmten Bauwerken wie den Kathedralen von Chartres, Notre Dame de Paris und Sainte Chapelle (Frankreich), den Kathedralen von Köln und Naumburg (Deutschland), den Kathedralen von Brüssel und Antwerpen (Belgien) sowie der Kathedrale von Canterbury und dem York Minster (Vereinigtes Königreich) zu finden ist, auch in den Kathedralen von Leon und Girona (Spanien), in der National Cathedral, Washington DC (USA). Jeder einzelne Sakralbau in Europa ist ohne bleigefasste Fenster unvorstellbar.

Diese Kunstform gehört überdies zu den größten Schätzen von Museen wie dem Victoria and Albert Museum (London), dem Metropolitan Museum (New York), dem Schnuetgen Museum (Köln) und der Burrell Collection (Glasgow), um nur einige wenige exemplarisch zu nennen.

Nachdem die Bleiverglasung im mittelalterlichen Europa als Kunstphänomen eine Blütezeit erreichte und im 19. Jahrhundert ein großes Revival erlebte, wird sie heute in der ganzen Welt praktiziert und hat moderne Künstler von internationalem Rang wie zum Beispiel Henri Matisse, Marc Chagall, Georges Braque, John Piper, Johannes Schreiter, Georg Meistermann, Brian Clarke, Narcissus Quagliata, Markus Lüppertz und Gerhard Richter begeistert.

Die Formbarkeit, Festigkeit und Nachhaltigkeit von Blei über Jahrhunderte hinweg haben dazu geführt, dass dessen einzigartigen Eigenschaften als wesentlicher Bestandteil von Glasmalereien unersetzlich sind. Ohne Blei könnten die historischen Fenster unserer Kulturdenkmäler und Museen nicht repariert, konserviert und erhalten werden. Es könnten zudem keine großartigen Kunstwerke in dieser Gattung mehr erschaffen werden, so dass dieses Material für den Fortbestand und die Erhaltung dieser einzigartigen Kunstform unverzichtbar ist.

Die Toxizität von Blei ist sehr gut bekannt, und seine Gesundheitsrisiken werden von professionellen Glasmalerei-Künstlern, -Verarbeitern und -Restauratoren in der ganzen Welt wirksam gehandhabt. Die Verwendung von u. a. Absauganlagen, geeigneter persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und regelmäßige Bluttests sorgen dafür, dass die vielen Tausend Menschen, die in dieser Branche arbeiten, dies sicher und mit einem minimalen und sorgfältig kontrollierten Risiko tun.

Wir fordern die ECHA und die Europäische Kommission nachdrücklich dazu auf, die Verwendung von Blei bei der Herstellung, Erhaltung, Lagerung und Präsentation von Glasmalereien von dem vorgeschlagenen Verbot auszunehmen. Ein solches Verbot würde nicht nur den Lebensunterhalt von Glaskünstlern, Kunsthandwerkern und Restauratoren, die sich mit der Pflege des Glasmalereierbes in Europa befassen, vernichten sondern auch die Pflege und Präsentation dieser Werke in Museen, Kirchen und öffentlichen Gebäuden erschweren. Die Auswirkungen eines solchen Verbots wären in der ganzen Welt zu spüren und würden letztlich das Todesurteil für eine der schönsten Kunstformen der Menschheit bedeuten.

Mit freundlichen Grüßen

[Unterschrift /Institution]