Sanierung unter Denkmalschutz Lichter Raum in Holz, Stahl und Glas

Ein Pfarrstadl wird unerwartet unter Denkmalschutz gestellt, die Pfarrgemeinde zur Erhaltung verpflichtet. Doch wie bringt man Licht in das Dunkel eines nahezu fensterlosen Gebäudes? Die Lösung ist verblüffend einfach – mit viel Glas.

  • Bild 1 von 4
    © Jansen AG/Petra Steiner, Berlin
    Das Licht fällt von oben durch einen verglasten Dachfirst sowie zwei weitere Oberlichter aus Stahl und Glas in den Innenraum.
  • Bild 2 von 4
    © Jansen AG/Petra Steiner, Berlin
    Vom Pfarrsaal aus erblickt man den Himmel.
  • Bild 3 von 4
    © Jansen AG/Petra Steiner, Berlin
    Die Trennwände für die Tenne wurden ebenfalls aus dem Stahlprofil gefertigt.
  • Bild 4 von 4
    © Jansen AG/Petra Steiner, Berlin
    Besucher gelangen vom Hof aus über das rechte der verglasten Scheunentore auf die Tennenbrücke, die alte Zufahrt für die Erntewagen.

Der Pfarrstadl Aufkirchen stammt aus einer Zeit, als Ökonomien dem wirtschaftlichen Unterhalt des Seelsorgers dienten: Aus ihren Erträgen wurden Priester bezahlt und kirchliche Gebäude unterhalten. Das mächtige Gebäude wurde 1837 als Dreiseitanlage mit einem Bezug auf das Pfarrhaus von 1734 errichtet. Bis heute prägt das Ensemble von Kirche, Pfarr-hof und Pfarrstadl die Mitte der oberbayerischen Gemeinde Aufkirchen. Das ist nur dem beherzten Eingreifen einer engagierten Bürgerin zu verdanken, die Mitte der 1980er-Jahre das Landesamt für Denkmalpflege über den geplanten Abbruch informierte. Als „ein besonders eindrucksvolles Beispiel eines umfassenden landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäudes einer Pfarrökonomie“ steht der Pfarrstadl seither unter Denkmalschutz.

Seit 1995 beherbergt der sanierte Westflügel den örtlichen Kindergarten. Im Zuge eines ersten Bauabschnitts erfuhr darüber hinaus das gesamte Dach eine Erneuerung, was das Gebäude vor weiterem Verfall schützte. Es folgten jahrelange Evaluierungen für eine Nutzung des übrigen Gebäudes als Pfarrgemeindezentrum, bis der Münchner Architekt Benno Bauer das bischöfliche Ordinariat und das Brucker Landesamt für Denkmalpflege auf eine gemeinsame Linie brachte.

Verblüffend einfache Lösung

Als gelernter Zimmermann faszinierte ihn die handwerkliche Konstruktion aus Stützen, Trägern und Holzverbindungen. Als Architekt verfügte er über das Vorstellungsvermögen, die eng stehende Balkenkonstruktion in dem nahezu fensterlosen Gebäude mit den Nutzungsanforderungen eines Pfarrheims in Einklang zu bringen. Die Lösung des Architekten ist verblüffend einfach: Er fügte die Innenräume mit verglasten Trennwänden in das Raster der Holzstützen ein. Das Licht fällt von oben in den Innenraum durch einen verglasten Dachfirst und zwei großflächige Oberlichter aus Stahl und Glas. Dank dieses architektonischen Geniestreichs bleibt der Stadl nicht nur in seiner ursprünglichen Form erhalten, sondern macht die beeindruckende Holzkonstruktion in ihrer ganzen Größe erfahrbar: In der Längsachse misst sie mehr als 47 Meter sowie in der Höhe bis zu 15 Meter.

Erhaltungsverpflichtungen bedingen das Raumprogramm

Besucher gelangen vom Hof aus über das rechte der drei einst hölzernen, heute verglasten Scheunentore auf die Tennenbrücke, die alte Zufahrt für die Erntewagen. Von hier aus wurde das Erntegut zu den unteren Lagerkellern abgeworfen oder mit Gabeln nach oben durchgereicht. Die Tennenbrücke zu erhalten, war eine unabdingbare Vorgabe der Denkmalpflege. Sie gliedert das Gebäude in zwei Bereiche: Rechter Hand befindet sich der ungefähr 50 Quadratmeter große Mehrzweckraum, linker Hand der mehr als 100 Quadratmeter fassende Pfarrsaal mit einer breiten Empore, die vom Obergeschoss aus zugänglich ist. Ebenfalls im Obergeschoss angeordnet sind ein Übungsraum für den Chor und ein Jugendraum. Der eigentliche Haupteingang mit Zugang vom Parkplatz aus liegt im Untergeschoss, welches aufgrund der Hanglage ebenfalls ebenerdig erschlossen wird. In den einstigen Lagergewölben sind Sanitär- und Nebenräume untergebracht.

Wolkenbilder erleben

Innerhalb des Rasters der 29 mächtigen Holzstützen von 4,3 mal 4,3 Meter ordnete Bauer mit verglasten Wänden transparente Innenräume an, die vielfältige Blickbeziehungen ermöglichen. Dabei blieb nahezu die gesamte Tragekonstruktion erhalten. Lediglich im Pfarrsaal mussten zwei Stützen zurückgebaut werden, im etwas kleineren Mehrzwecksaal eine. Die Last wird jeweils von Leimbindern im Dachgeschoss aufgefangen. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen, schmalen Lichteinlässen genügten vier zirka einen Meter breite und sechs Meter hohe Öffnungen, um das Innere des Pfarrstadls in einen taghellen und lichtdurchfluteten Raum zu verwandeln. Der Pfarrsaal selbst ist zwar nur sechs Meter hoch, aber dessen verglastes Oberlicht und der verglaste Dachfirst öffnen den Raum zum Himmel hin und machen unterschiedliche Lichtstimmungen und Wolkenbilder erlebbar.

Überkopf-Verglasung für einzigartiges Raumerlebnis

Die weit gespannten Oberlichter bestehen aus 36 respektive 32 Elementen im Format 90 mal 160 Millimeter. Sie verhindern im Brandfall den Feuerüberschlag in den Dachstuhl, als F30-Brandschutzverglasungen sind sie mit dem Stahlprofilsystem Jansen VISS Fire ausgeführt. Mit seinen schmalen, nur 50 Millimeter breiten Profilansichten entsprach das Stahlprofilsystem optimal dem Wunsch des Architekten nach einer feingliederigen und dennoch hochgradig tragfähigen Konstruktion, die die größtmögliche Lichtmenge einfallen lässt. Auch die Trennwände, die das Innere der zirka 8.000 Kubikmeter umschließenden Tenne durchziehen, sind mit Jansen VISS Fire erstellt. Es versteht sich (fast) von selbst, dass die Anschlüsse an den Bestand eine Fülle von Detaillösungen erforderten, die die Oberland Metallbau und Bauschlosserei GmbH, Weira, nach Vorgaben des Architekten umsetzte.

Zeugnis ländlicher Baukultur

Die Befürchtung, dass die Räume hellhörig sein könnten, erwies sich als unbegründet: Die transparenten Konstruktionen aus Stahl und Glas bieten einen wirksamen Schallschutz (R’w = 50 Dezibel). Mit schallabsorbierenden Akustikplatten an der Decke entsprechen sie den üblichen Anforderungen an Schallschutz in Besprechungs- und Veranstaltungsräumen. Der erste Spatenstich erfolgte im Mai 2015. Zum Jahreswechsel 2017/2108 feierte die Kirchengemeinde hier erstmals gemeinsam Silvester. 180 Jahre nach seiner Erbauung ist der revitalisierte Pfarrstadl nicht nur ein wichtiges Zeugnis ländlicher Baukultur, sondern auch das neue kulturelle Zentrum der oberbayerischen Gemeinde Aufkirchen: Offen für Jung und Alt, ermöglicht er die zwanglose Begegnung in einzigartigen Räumen, welche Ruhe und Geborgenheit ausstrahlen.