Nachgefragt „Kosten und Erträge müssen in Relation stehen.“

Warum Kundenstrukturen im Glas und bei Nutzfahrzeugen Parallelen aufweisen, wieso ihn der Glaston/Bystronic-Deal nicht überrascht hat und warum bei Lisec auch nach dem Tod des Firmengründers Strategiewechsel nötig waren, sagt CEO DI Gottfried Brunbauer (58) in GFF.

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    © Alle Fotos: Filip Miermans/Lisec
    DI Gottfried Brunbauer analysiert die Strukturen in verschiedenen Branchen.
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    „Innovation ist, wenn der Prozess hinterher effizienter ist oder das Produkt mehr kann.“
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    Der 58-jährige Ingenieur formuliert im GFF-Interview wägend, liefert Substanz.
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    Das Videointerview mit Gottfried Brunbauer zu den Zielen für DACH, Entwicklungsthemen und den Neuaufstellungen beim Mitbewerb finden Sie exklusiv auf www.gff-magazin.de.

GFF: Herr DI Brunbauer, die Branche spricht über die Akquisition von Bystronic durch Glaston. Wie sehen Sie’s?

Brunbauer: Wir beobachten das genau, bewegen wir uns doch im gleichen Markt. Aber sehr überrascht hat es uns nicht. Es gibt am Markt heute zunehmend Turn key-Projekte, die wir für unsere Kunden am besten mit einem Gesamtkonzept realisieren. Dafür bekommen die Verarbeiter auf Maß gefertigte Anlagen geliefert, die möglichst viele Prozessschritte integrieren, am besten automatisiert. Es macht Sinn, sich dafür aufzustellen, an diesen wachsenden Segmenten teilzuhaben.

Wie viel Automatisierung ist denn zu empfehlen?

Grundsätzlich reduziert jeder manuelle Bearbeitungsschritt, den ich einspare, den Ausschuss an der Linie spürbar. Am wichtigsten ist das, wenn der produzierende Betrieb Volumen bei einem nicht so breiten Produktspektrum fertigt. Ich sage aber auch: Bewege ich mich mit meiner Produktrange in der Nische, etwa weil ich spezifische Sonderlösungen für die Fassade abdecke, macht eine umfangreiche Automatisierung weniger Sinn.

Was macht aus Lieferantensicht mehr Spaß?

(lacht) Wir wollen weiterhin beides abdecken. Aber wir sind als Hersteller mit Einzelmaschinen immer eher vergleichbar als mit integrierten Anlagen, mit denen Sie die gesamte Prozesskette von der Anlieferung und dem Einlagern der Jumboformate bis zum Abstapeln fertiger Elemente abbilden, auch in der Software.

Können Sie Drittanlagenprozesse in Ihre Softwarelösungen integrieren?

Das ist ja das Tagesgeschäft, dass einer eine bestimmte Härtetechnologie, bestimmte Bearbeitungs- oder Vorspannprozesse anderer Hersteller nutzen möchte, da haben wir viel Erfahrung gesammelt. In diesen verketteten Anlagen, auch mit Komponenten von Fremdherstellern, können wir unsere Stärken ausspielen.

Welche Stärken sind das vor allem?

Wir sind breit aufgestellt. Nehmen wir einmal Formate aus, die kleiner als 250 mal 350 Millimeter sind, und das Thema Glas biegen, dann ist unser Leistungsportfolio ziemlich komplett. Dadurch dass wir vor Jahren Kompetenz beim Laminieren und in der Wärmebehandlung mit Luftkissentechnologie aufgebaut haben, entsprechen wir dem zunehmenden Trend hin zu Sicherheitsglas.

Gehören Innovationen zum Anspruch?

Zunächst finden viele Innovationen beim Endprodukt statt, wenn neue Funktionen in das Glas kommen. Das ist nicht der Bereich, den wir aktiv treiben. Da stellen wir die erforderlichen Verarbeitungslösungen auf Anforderung bereit. Wenn wir über Produktverbesserungen reden, von denen unsere Kunden wirtschaftlich profitieren, dann ist das unser Fokus. Damit beschäftigen wir uns.

Welche Aspekte in der Prozesskette bieten das größte Potenzial?

Ein Nadelöhr in der Isolierglasfertigung ist z.B. das Gasfüllen, Zusammenbauen und Pressen der Isolierglaselemente.

Das heißt, hier arbeiten Sie an einer Verbesserung?

Unter anderem. Ideen für Innovationen können aus der Mannschaft stammen, oder wir erhalten sie als Anforderungen von Kunden. Bisweilen sind wir in Entwicklungskooperationen unterwegs, in denen sich auf der Herstellerseite die Projektbeteiligten bei Glas, Abstandhalter und Versiegelung einbringen. Trotzdem wollen wir zu enge Verflechtungen vermeiden. Lizenzierungsmodelle haben die Krux, dass hinterher Aufwände und Vorteile für den Einzelnen schwierig transparent zu machen sind. Am Ende sollte jeder vermarkten, was er in das Projekt eingebracht hat.

Über welchen Zeitkorridor sprechen wir? Welche Faktoren entscheiden über die etwaige Markteinführung?

Das bewegt sich meist bei einem bis drei Jahre. Es gibt einen Proof of Concept, dann beantworten wir Fragen: Gibt es einen Marktbedarf? Welchen Preis ist der Kunde bereit, für den Mehrwert zu bezahlen? Können wir die Kosten in einer gesunden Relation dazu darstellen? Wird eine der Fragen mit Nein beantwortet, erhält das Projekt die rote Karte.

Wenn wir bei den Zahlen sind: Das ursprünglich für 2024 ausgegebene Umsatzziel von 400 Millionen Euro (derzeit sind es ca. 230 bis 240 Millionen Euro; d. Red.) haben Sie auf der glasstec relativiert und wollten es nicht in Stein gemeißelt sehen.

Ja, das ist richtig. Ich würde ein jährliches Realwachstum von fünf Prozent als nicht unrealistisch betrachten, das würde uns mit dem üblichen jährlichen Nominalwachstum in den nächsten Jahren auf zirka 350 Millionen Euro bringen. Wichtiger aber ist mir, dass wir nicht auf Kosten des Ertrages wachsen wollen.

Jetzt sind wir bei Ihrer Aussage, Lisec habe sich in den vergangenen Jahren an der einen oder anderen Stelle zu sehr mit sich beschäftigt.

So ist es. Nach dem Übergang von einem inhabergeführten zu einem managementgeführten Unternehmen gab es einige Phasen, in denen Lisec einen zu kompromisslosen Wachstumskurs eingeschlagen hatte. Beispielsweise gab es an der einen oder anderen Stelle Zusagen an Kunden, die uns in Bereiche geführt haben, in denen wir unseren Kunden nicht mehr die Qualität und Performance bieten konnten, die sie von Lisec gewohnt sind und die sie zu Recht erwarten. Und wir haben in dieser Zeit zum Teil Strukturen aufgebaut, die nicht nur Kosten verursachten, sondern auch dazu führten, dass für unsere Kunden nicht immer klar war, ob sie ihre Frage nun z.B. an die Maschinensparte oder an das Softwarehaus adressieren müssen. Daher folgen wir dem Zielbild, dass wir kein Maschinenbauer mit Softwarehaus, sondern ein Maschinenbauer mit optimal integriertem, erweitertem Leistungsangebot an Software sein wollen – vom Produktmanagement bis zu After Sales agieren ab sofort beide Teams wieder als eines. Und wenn es um neue Projekte geht, müssen Kosten und Erträge wieder in der richtigen Relation stehen.

Gibt es eigentlich Parallelen zwischen dem Glassektor und den von Ihnen bisher bearbeiteten Branchen Nutzfahrzeuge inklusive Landmaschinen und Feuerwehr?

Die größten Parallelen sehe ich im Bereich der Nutzfahrzeuge/Landmaschinen. Da haben Sie es von der Kundenstruktur häufig mit großen Unternehmen als Kunden zu tun, den Frächtern, aber auch mit privaten Einzelkunden, den Landwirten. Die geben Ihnen bisweilen genauso ungeschminkt Feedback, wie das bei den Glasverarbeitern der Fall ist, bei denen der Unternehmensgründer oft noch operativ eingebunden ist. Bei größeren Gesellschaftergruppen ist das ausgewogener, ähnlich kommunalen Gremialstrukturen bei Entscheidungen im Feuerwehrbereich.