Glass Competence Center der TU Darmstadt Glas im Bauwesen – wohin geht die Reise?

Am Glass Competence Center (GCC) der TU Darmstadt arbeiten Wissenschaftler an aktuellen Forschungsthemen rund um die Glastechnik im Bauwesen. Ein Neubau, der in Kürze auf dem Campusgelände entsteht, eröffnet neue Perspektiven im Bereich der Glasveredelung.

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    © Dietz Joppien Architekten
    Entwurfsdesign des Glass Competence Center: Der Neubau vereint moderne Technologien wie schaltbare Gläser und Glas/Sandwich-Paneele.
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    © Messe Düsseldorf/ctillmann
    Glas neu gedacht: Auf der Messe glasstec 2018 zeigten die Forscher das Konzept eines Besucherpavillons aus zweifach gekrümmten Dünnglas-Papierverbundträgern.
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    © Friedrichs
    3D-gedrucktes Bauteil: Durch die geschützte Lage im Scheibenzwischenraum (SZR) ist das Tageslichtsystem Okalux 3D wartungsfrei.

Der Zukunft sehen die zirka 15 Mitarbeiter des Glass Competence Centers (GCC) der TU Darmstadt mit Spannung entgegen. Läuft alles nach Plan, werden sie in absehbarer Zeit ein neues Gebäude auf dem Campusgelände beziehen. „Der Neubau schließt eine große Lücke“, freut sich Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider vom Institut für Statik und Konstruktion (ISM+D). Erst vergangenes Jahr hatten das ISM+D und die Materialprüfanstalt der TU Darmstadt ihre Kompetenzen gebündelt und das GCC gegründet, um innovative Technologien rund um den Glasbau zu erforschen.

Die Bauarbeiten für das GCC beginnen im Oktober 2019, die Fertigstellung ist für Spätsommer 2020 avisiert. „Im neuen Gebäude können wir sämtliche Verarbeitungsprozesse wie Waschen, Schneiden, Bohren, Kantenbearbeitung, thermisches Vorspannen und Laminieren des Glases abbilden“, erklärt Schneider. „Das ist bisher einzigartig in der Forschung.“ Zur Ausstattung gehören u.a. ein Labor zur Prüfung von Spannungsoptik, ein Klebe-Labor, ein Prüfstand für die Alterung bzw. Freibewitterung auf dem Dach des Gebäudes, ein Heißlabor, ein Seminarraum für die Lehre sowie eine Wechselfassade für Fassadenbauteile. „So sind wir künftig unabhängig und müssen für die Glasveredelung nicht mehr die Anlagen unserer Industriepartner blockieren“, sagt der Baustatiker und benennt einen weiteren Vorteil: „Indem wir jeden Fertigungsschritt vom Zuschnitt des Glases bis hin zum fertigen Produkt selbst vollziehen, können wir die Prozesse besser analysieren und bewerten.“ Zudem hätten die Forscher mehr kreativen Freiraum, um neue Ideen auszuprobieren.

Fassade strahlt in Weiß

Der Neubau des GCC ist mit modernen Technologien ausgerüstet, die das Forscherherz höherschlagen lassen. Für die weiße Außenfassade kommen Glass Sandwich Panele (GSP) von Iconic Skin zum Einsatz. Das 3-in-1-Produkt vereint Glasoberfläche, Wand und Dämmung in einem Bauelement. An der Längsseite im Erdgeschoss wird Isoshade von Iconic Skin verbaut. Die Isolierglaseinheit mit werksseitig integriertem Sonnenschutz besteht aus Dreifach-Iso und einer Sonnenschutzanlage im SZR. Den Besprechungsraum im Erdgeschoss verdunkelt das schaltbare Glas Eyrise von Merck. Ein Prüfstand für Witterungsversuche an Fassadenelementen rundet die Architektur des Forschungs-Gebäudes ab.

Dünnglas: Festigkeit erhöhen

Ein Forschungsschwerpunkt in Darmstadt sind Dünngläser für verformbare und bewegliche Tragstrukturen. „Im Vergleich zu konventionellem Glas weist Dünnglas eine geringere Steifigkeit auf, kann aber kalt gebogen und verformt werden“, sagt Schneider. Um es gegen Bruch widerstandsfähiger zu machen, müsse das Material vorgespannt werden. So entstehe eine ultradünne und hochfeste Glasfolie, wie man sie z.B. von Smartphones kennt. „Unser Team sucht nach neuen Anwendungen, die sich mit Dünnglas realisieren und dauerhaft im Bauwesen etablieren lassen“, ergänzt er. Das könnten z.B. in sich bewegliche Fenster oder dämmende, transparente Fassaden sein.

Weitere Aktivitäten beinhalten formschlüssige Verbindungstechniken mit transparenten Klebstoffen auf Silikon- oder Polyurethanbasis. Zudem gibt es erste Versuche mit 3D-gedruckten Bauteilen. Durch den schichtweisen Materialauftrag entsteht ein additiv gefertigtes Bauteil, das entweder als Verbindungskomponente dienen kann oder die Glasfläche stabilisiert. Auch großformatige Fassadenelemente mit Abmessungen von bis zu 20 Meter sowie Dickgläser wie gläserne Backsteine sind Gegenstand der Forschung. „Derzeit machen eingeschränkte Produktions- und Transportmöglichkeiten den größeren Formaten das Leben schwer“, merkt Schneider an. Daher bedürfe es Strategien zur Bemessung und Sicherung von großen Fassadenelementen sowie Reparaturmöglichkeiten im Schadensfall. Auch in diesen Bereichen seien die Wissenschaftler aktiv. „Das Potenzial von Glas im Bauwesen ist noch längst nicht ausgeschöpft“, resümiert der Baustatiker im GFF-Gespräch.