Das sollten Sie über die Klebetechnik wissen Geklebte Fensterkonstruktionen bieten viele Chancen

Geklebte Fensterkonstruktionen bieten durch die mittragende Wirkung des Glases sowie fertigungstechnische Vorteile Chancen für eine innovative Fenstergestaltung. GFF gibt Tipps für die erfolgreiche Anwendung der Klebetechnik.

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Das Glaskleben ist grundsätzlich nichts Neues und wird im Fahrzeugbau, in der Luftfahrt und im Bauwesen als Structural-Glazing-Fassade (SG-Fassade) schon lange eingesetzt. Die Erfahrungen aus Langzeituntersuchungen, Forschungsergebnissen und Gutachten des ift Rosenheim für SG-Fassaden zeigen deutlich, dass eine exakte Ausführung und eine sehr genaue Qualitätssicherung die Voraussetzung für eine dauerhafte Verklebung sind. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Kontaktfläche zwischen Klebstoff und den Rahmenmaterialien
(Holz, PVC, Aluminium) sowie der Ausführung des Mehrscheibenisolierglases. Die Einflüsse der unterschiedlichen Oberflächen muss der Anwender bei allen Rahmenmaterialien beachten. Darüber hinaus ist eine erfolgreiche Nutzung von Klebetechnologien nur durch die richtige Kombination von Klebstoff, Konstruktion und Maschinentechnik möglich.

Seit den 90er Jahren wird der Einsatz von Glas als mittragendem, aussteifendem Element im Fensterbau erprobt. Um den passenden Klebstoff zu ermitteln, muss der Anwender die Fensterkonstruktion und die Zielsetzung kennen. Das können sein die aussteifende Wirkung des Klebeverbunds, eine veränderte Optik oder die Optimierung des Fertigungsprozesses. Wichtig ist die Lage der Klebefuge innerhalb der Fensterkonstruktion.

So ist zum Beispiel bei einer Klebung auf der Glasposition 4 in der Regel nicht mit stehendem Wasser zu rechnen. Auch sind die auftretenden Temperaturspitzen wesentlich geringer als bei einer Klebung auf Position 1 oder 2. Ähnlich verhält es sich mit der UV-Beständigkeit. Auch eine Klebung im Falzgrund benötigt eine gewisse UV-Beständigkeit aufgrund der Reflexion über den Oberflächen des Glases. Klebstoff ist auch im Fensterbau nicht gleich Klebstoff. Deshalb ist eine sorgfältige Auswahl hinsichtlich der Eigenschaften unerlässlich und Bestandteil bei der Entwicklung eines neuen Fenstersystems. Von großer Bedeutung ist die Bewertung der Klebepartner, also von Fensterprofil und Isolierglas. Handelt es sich um Holz, sollte dieses für die Klebung unbehandelt sein. Holzart und die mechanische Bearbeitung der Holzoberfläche (Feinhobeln, Schleifen, Finieren) sollten vor dem Klebeprozess definiert werden. Bei Klebungen auf behandelten Hölzern muss die Prüfung mit dem verwendeten Holzschutz- und dem Oberflächenbehandlungssystem erfolgen. Bei Kunststofffenstern sollte auf dem vom Profilhersteller definierten Untergrund verklebt werden. Der Anwender legt den verwendeten Kunststoff und die Art der Vorbehandlung der Oberfläche fest. Bei Aluminiumfenstern kann er auf anodisch oxidierter oder pulverbeschichteter Oberfläche kleben. Die Oberflächen müssen definiert sein und nach den Vorgaben von Qualicoat bzw. Qualanod oder einem vergleichbaren Zertifizierungssystem überwacht werden. Auch hier prüft der Produzent jede verwendete Oberflächenbehandlung im Klebesystem. Bei Änderungen der Haftpartner ist eine erneute Prüfung nötig.

Je nach konstruktiver Ausbildung des Fensterflügels kommt im Randverbund des Mehrscheibenisolierglases eine tragende Klebung zum Einsatz oder die Randverbundklebung hat nur abdichtende Aufgaben. Wird eine tragende Klebung im Randverbund angesetzt, gelten für die Auswahl der Klebstoffe und die Dimensionierung der Höhe des Randverbundes die Vorgaben der EN 13022-1; dort finden sich Hinweise zur Bestimmung der Höhe h der äußeren Klebefuge. Bereits bei der Bestellung muss der Isolierglaslieferant wissen, wie sein Produkt im Anschluss weiterverarbeitet wird. Im Beispiel aus Abbildung 1 muss die Randverbundklebung dauerhaft das Eigengewicht der äußeren Glasscheibe aufnehmen. Die Funktion des Isolierglases (Dichtigkeit gegen Gasverlust und Wassereintritt) darf nicht unter der Dauerlast leiden. Der äußere Dichtstoff des Isolierglases muss dazu geeignet sein, erhöhte Dauerlasten aus Eigengewicht, Temperaturlasten, erhöhter UV-Strahlung und Umwelteinflüssen schadfrei aufzunehmen. Auch das Kriechverhalten des Klebstoffs bei erhöhten Temperaturen muss nachgewiesen sein. Besonders wichtig ist die Verträglichkeit des Randverbunds und der Klebung mit angrenzenden Stoffen: Dazu zählen Abdichtungsmaterial auf der Raumseite, Abdeckprofile, Glasauflager, Wetterversiegelungen, Reinigungsmittel und Ähnliches. Diese Produkte müssen mit den tragenden Klebstoffen kompatibel sein. Ein Lieferanten- und/oder Materialwechsel verursacht deshalb in der Regel zusätzlichen Aufwand und Risiko. Hinweise zur Prüfung und Bewertung finden Sie in der ift-Richtlinie DI-01/1 „Verwendbarkeit von Dichtstoffen“.

Eine dauerhafte Gebrauchstauglichkeit fordert die ganzheitliche Betrachtung der Fensterkonstruktionen und der einzelnen Funktionsträger. Das Isolierglas funktioniert als wichtige Komponente, die bei geklebten Verglasungssystemen unter Umständen zusätzlich belastet wird. Das ift Rosenheim hat deshalb gemeinsam mit der Holzforschung Austria und der Fachhochschule Bern Architektur, Holz und Bau eine Richtlinie erstellt (ift-Richtlinie VE 08/1 „Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme“) und damit eine Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme erarbeitet. Die Richtlinie beschreibt Verfahren für den Nachweis der Gebrauchstauglichkeit, der Verklebungsqualität und der Funktion des Fenstersystems. Die Ausführungen orientieren sich bezüglich der Prüfverfahren an der europäisch technischen Richtlinie ETAG 002-1 „Leitlinie für die europäisch technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen“. Danach ermittelte Ergebnisse können also übertragen werden. Der Begriff „System“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass nur ein abgestimmtes und geprüftes System verwendet werden darf. Der Systembeschreibung kommt deshalb eine wichtige Funktion zu und sie sollte aus diesem Grund folgende Vorgaben und Informationen enthalten:

– Systemzeichnung mit Angabe der Profile, Verstärkungen, Dichtungen, Verglasungen, Klotzungen und Beschläge
– Verbindungen und Öffnungsarten
– Hinweise zur Fertigung, zum Transport und zur Lagerung
– Einbauanleitung und Montagebeschreibungen
– Anleitung zur Pflege und Wartung sowie Reparaturhinweise
– Definition und Dokumentation der Systemänderungen

Auch ein Fensterflügel mit geklebter Verglasung ist Teil eines Fensters, das nach der europäischen Produktnorm DIN EN 14351-1 CE-gekennzeichnet werden muss. Da Fenster der Nachweisstufe 3 unterliegen, muss der Fabrikant eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) durchführen. Die Verglasungstechnik weicht hier von den gültigen technischen Richtlinien ab. Die Klebung ist ein eigenständiger Fertigungsgang und sollte deshalb auch als eigenständiger Teil der WPK verstanden werden. Weitere Informationen zu Konstruktion, Produktion und der werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) finden sich

– bei Klebstoffherstellern und Systemgebern
– in der EN 13022-2 – „Glas im Bauwesen
– geklebte lastabtragende Glaskonstruktionen
– Teil 2 – Glas“
– in der ift-Richtlinie VE 08/1 „Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme“ (erarbeitet von ift Rosenheim, HFA Holzforschung Austria Wien und Fachhochschule Bern Architektur, Holz und Bau)
– im Kompass Glasklebung des Bundesverbands Flachglas BF
– in den Gütebestimmungen der RAL-Gütegemeinschaft Fenster, Fassaden, Haustüren und Wintergärten (Frankfurt) und der RAL-Gütegemeinschaft Kunststoff-Fenstersysteme (Bonn)

In Bezug auf die Fertigung müssen die Klebstoffe auf den gewünschten Produktionsablauf abgestimmt werden. Die typische handwerkliche Auftragsmethode mit Kartusche und Auspresspistole hat sich im Versuch nicht bewährt. Die Einflüsse auf die Verarbeitungsqualität durch (Un-)Gleichmäßigkeit der Auftragsmenge und der Auftragsform entsprechen nicht den optischen und technischen Ansprüchen an die Klebung. Die händische Führung einer automatischen Dosiervorrichtung ist denkbar, erfordert jedoch sehr gut eingearbeitetes Personal. Das verursacht in der Regel zusätzliche Investitionen in Applikationsanlagen für die jeweiligen Klebstoffsysteme sowie die Vorbehandlung der Substrate (Rahmenmaterialien).

Der Verglasungsvorgang lässt sich bei geklebten Systemen in vollautomatische Fertigungssysteme einfügen. Von der Längenoptimierung beim Einsatz verleimter Kanteln über die Profilbearbeitung, Rahmenherstellung, Oberflächenbehandlung und Bestückung mit Beschlägen bis hin zum Verglasungsprozess durch Klebung bietet die Maschinenindustrie heute Lösungen an.

Abgesehen von der aufwändigsten Variante einer vollautomatischen Linie sind freilich auch Teillösungen möglich. Voraussetzungen für alle Klebeverfahren sind aber eine weitgehend staubfreie Umgebung für die Klebestation, die frei ist von störenden Einflüssen, und ein separater Raum für die Lagerung von Isolierglas und Flügelrahmen. Zu den störenden Einflüssen zählen Ausgasungen anderer Chemikalien, zu hohe oder zu niedrige Temperaturen und Luftfeuchte. Deshalb sollte das automatische Auftragssystem bei empfindlichen Klebesystemen eine Anpassung der Reaktionszeiten an die Umgebungstemperatur und -feuchte enthalten. Für alle Methoden sind ein Qualitätssicherungssystem und eine werkseigene Produktionskontrolle (WPK) notwendig. Die WPK umfasst vor allem eine regelmäßige Überprüfung der Haftflächen, des Mischbildes des Klebstoffs und die Haftzug eigenschaften nach der Aushärtung.

Geklebte Verglasungssysteme stellen im Bereich des Fensterbaus eine von den vorhandenen Normen und Richtlinien bisher nicht beschriebene Variante dar. Dennoch ist auch ein Fensterflügel mit geklebter Verglasung Teil eines Fensters, das nach der europäischen Produktnorm DIN EN 14351-1 CE-gekennzeichnet werden muss. Abgesehen von dem üblichen Weg, das geklebte Fenster als System zu definieren und auf seine Leistungseigenschaften im Rahmen eines ITT (Initial Type Test) zu überprüfen, kann der Produzent den Nachweis für die CE-Kennzeichnung auch über Zusatzprüfungen nach der ift-Richtlinie VE 08/1 führen.