Kunst am Bau, Frankfurt Dichrotische Gläser als Gestaltungselemente

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Im Herbst 2017 hat die Einweihung des Kunstwerks Colour Fields von Inga Danysz an der Uni-Klinik in Frankfurt am Main stattgefunden. Besonders bei Sonnenschein entsteht der Eindruck, vor einer Seifenblase zu stehen – die gebogenen dichroitischen Gläser lassen Farben tanzen.

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Faszination entsteht, wo etwas für den Geist unbegreiflich bleibt. Und genau diese Faszination geht von jenem weltweit einzigartigen Kunstwerk aus. Die ineinandergreifenden gläsernen Halbkreise sind am Fußpunkt in eine Stahlunterkonstruktion eingefasst, um so ihre ganze Transparenz zur Geltung zu bringen. Obwohl ein Glasaufbau von zweimal zehn Millimeter und zweimal zwölf Millimeter Weißglas plus fünf Millimeter Spezialglas eher wuchtig wirken müsste, kommt es durch die einseitige Einfassung zu einer gewollten Leichtigkeit der Elemente. Je vier Teile bilden einen Halbkreis, die Unterkante der Glaselemente ist in ihrer Stahleinfassung dauerhaft vergossen.

Was ist dichroitisches Glas?

Zum Einsatz kommen dichroitische Gläser der Firma Prinz Optics. Diese filtern bestimmte Lichtfarben aus, so dass je nach Betrachtungswinkel in Reflexion und Transmission spielerische Farbwechsel entstehen. Zur Herstellung werden die Gläser in einem speziellen Verfahren vollautomatisch getaucht. So entsteht eine metallische Nanoschicht, welche die farbfilternden Eigenschaften ermöglicht. Im Anschluss trägt das Unternehmen eine Solgelschicht auf und brennt diese bei einer Temperatur von mehr als 200 Grad Celsius ein. Schon seit einigen Jahren finden diese technischen Gläser Einsatz in der modernen Architektur und begeistern Planer und Besucher gleichermaßen: ein schönes Beispiel, wie ein ursprünglich auf rein technischem Nutzen basiertes Produkt als Gestaltungselement in die Kunst am Bau Einzug hält.

Um die von der Künstlerin gewünschte Form zweier Halbkreise zu realisieren, galt es zunächst, einen geeigneten Partner für das Biegen der Gläser zu finden. Der Projektleiter Peter Röhlen von Prinz Optics wurde auf die Firma Decor-Glas in Rheine aufmerksam. Die Firma ist für den Bereich Sonderform und Sondergläser in der Branche bekannt. Erste Gespräche fanden statt. Da aber auch Decor-Glas noch keine sonderlichen Erfahrungen mit den zu verwendenden Gläsern gesammelt hatte, waren eingehende Tests vor einer Projektzusage unerlässlich. Schnell stellte sich bei ebendiesen Tests heraus, welche Schichttypen geeignet sind und welche eher nicht. Mit den gewonnenen Erkenntnissen konnte die Auswahl der Schicht durch die Künstlerin erfolgen.

Hohe Biegekompetenz

Der engen Zusammenarbeit mit der Künstlerin durch die Projektleitung schon von Beginn an ist es zu verdanken, dass es bei der Auswahl des dichroitischen Glases zu keinen Verzögerungen kam. Da in der Kommunikation mit ihr schon vor dem ersten Entwurf eine vollumfängliche Aufklärung über die Eignung der Gläser stattfand, waren auch die Erwartungen an das Material entsprechend seinen Eigenschaften. Die vorab investierte Zeit zahlte sich aus, da nicht – wie so oft – eine Änderung der Materialien in letzter Minute erfolgen musste, sondern das Projekt sich mit den geplanten und getesteten Gläsern realisieren ließ.

Da die Rohtafeln des dichroitischen Glases maximal 1.080 mal 800 Millimeter Nutzfläche bieten, die eigentlichen Gläser aber bis zu 1.700 mal 2.500 Millimeter aufweisen, war es nötig, diese im Stoßverbund anzuordnen. Auch hier zeigte sich die hohe Fertigungskompetenz des Biegers: Die Gläser waren im Dreifach-Paket zu biegen, auch musste die beschichtete mittlere Lage noch gestoßen werden. Maßarbeit und Fingerspitzengefühl waren gefragt, um ein solch brillantes Ergebnis ohne Risse und etwaige Stauchung der dichroitischen Schichten zu erzeugen.

Laminieren mit EVA-Folien

Die in Form gebrachten Gläser mussten nach Plan beschriftet und bruchfest verpackt werden, um so den 350 Kilometer langen Transport zum Laminierer nach Ginsheim-Gustavsburg sicher zu bewältigen. Nach erfolgreichem Transport galt es, eine erste Sichtprüfung der Gläser vorzunehmen. Da von jedem Maß eine Ersatzeinheit gefertigt wurde, ließ sich umgehend die Auswahl der zu laminierenden Einheiten vollziehen.

Um einen dauerhaften und wetterfesten Verbund zu garantieren, wählten die Verarbeiter eine Etyhlenvinylacetat (EVA)-basierte Laminierfolie. Die Firma Glas-Mayer Ginsheim ist einer der führenden Betriebe, wenn es um Sonderlaminate mit EVA-Folien geht. Ein Verbund aus drei gebogenen Gläsern, von denen die mittlere Lage auch noch mehrteilig zu fügen ist, war auch für die Profis in Ginsheim Neuland. Die bereits gesammelte Erfahrung mit gebogenen Gläsern sowie dem Fügen von mehrteiligen Lagen bei Flachglas war eine gute Grundlage für den Laminierprozess. Als Besonderheit EVA-basierter Folien ist zu erwähnen, dass diese bei einer Temperatur von 85 bis 100 Grad Celsius eine Schmelzphase durchlaufen, um dann ab 110 bis 140 Grad Celsius eine vernetzte Struktur auszubilden. Dieses Verhalten macht die Dauerhaftigkeit des Laminats aus, da ein weiteres Erweichen/Schmelzen somit unmöglich ist. Um einen einwandfreien Verbund zu garantieren, muss der Verarbeiter seine Prozesse kennen und diese auch durch Fremdüberwachung sicherstellen.

Gemeinsam stark: Handwerkund Industrie

Bei der Montage vor Ort stand die Firma Glas-Mayer Ginsheim dem ausführenden Glasermeister Hulbert aus Eltville ebenfalls als Partner mit Kranwagen und Spezial-Sauganlage zur Seite stehen. Als alle Gläser eingeschuht und ausgerichtet waren, erfolgte mit einem vorab auf Verträglichkeit getesteten Zwei-Komponenten-Kleber der Verguss von Glas und Stahl. Diese Art der Befestigung ermöglicht eine dauerelastische Verbindung, die eventuell auftretende Schwingungen in begrenztem Umfang aufnimmt. Handwerkliches Geschick und industrielle Fertigungsprozesse waren bei diesem außergewöhnlichem Projekt vereint. Dass dies kein Wiederspruch sein muss, zeigte sich am reibungslosen Projektverlauf.