Glaskongress des Bundesverbands Flachglas, 23.-24. April in Braunschweig An den Rahmenbedingungen liegt’s nicht, Glasbranche!

Zu niedrige Preise, der Umgang mit neuen Anforderungen und technologischen Entwicklungen sowie Abgrenzung gegen Ausgrenzung waren die dominierenden Themen auf dem Glaskongress des Bundesverbands Flachglas im April 2015 in Braunschweig. Wir fassen den Event zusammen.

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    Noch vor Kongressbeginn steckten die Glasleute (hier v.li. Fränkische Thermoglas-Geschäftsführer Wolfgang Franz, Glasverarbeiter und BF-Vorstand Thomas Dreisbusch und Glaswerke Arnold-Aufsichtsratsvorsitzender Hans-Joachim Arnold) die Köpfe zusammen.
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    Sieben (Vorstandsmitglieder) auf einen Streich: Thomas Stukenkemper (Flachglas MarkenKreis), Michael Dobbe (Teuto-Glasveredelung), Jürgen Halbmeyer (Sanco Beratung), neu: Ralf Vornholt (Saint-Gobain Glass Deutschland), Thomas Dreisbusch (Glas-Dreisbusch), Thomas Fiedler (Uniglas), Nils-Christian Plaum (Glaszentrum Weber + Wagener; v.li.n.re.)

Aufrütteln, statt in trügerischer Sicherheit zu wiegen und Durchhalteparolen auszugeben: Es scheint, als habe sich die Spitze des Bundesverbands Flachglas (BF) um Geschäftsführer Jochen Grönegräs (im Videointerview auf www.gff-magazin.de) und den wiedergewählten Vorsitzenden Thomas Dreisbusch (mit ihm im Amt bestätigt Jügen Halbmeyer, Sanco; neu in den Vorstand gewählt Ralf Vornholt, Saint-Gobain Glass Deutschland) vor dem Glaskongress in Braunschweig genau diese Marschroute verordnet. „Highway to hell“ von AC/DC: Was zunächst wie eine Referenz an den Aussie-Auftritt in technofreier Vorzeit auf ebendieser Bühne des Hotels Steigenberger aussieht, erhält programmatische Bedeutung durch die erneute Beschallung der 170 Teilnehmer zum Start des zweiten Tages; und die klare Botschaft Dreisbuschs schon in der Begrüßung: Die Glasbranche habe es verpasst, den Markterfolg von Dreifachglas mit einem Anteil von 60 Prozent in entsprechende Erträge umzuwandeln, „und wir haben es nicht verstanden, leistungsfähige Gläser mit teuren Beschichtungen ihrem Wert entsprechend im Markt zu platzieren“. Die Hoffnung, alles werde besser, wenn der Staat wie so oft herbeigeschrieben das Füllhorn der steuerlichen Förderung über der stagnierenden energetischen Gebäudesanierung ausschüttet – Grönegräs: „Das scheint zunehmend von der Tagesform der Herren Seehofer und Söder abzuhängen“ – scheint sich zu zerschlagen. Dreisbusch klagt: „Die Energiewende ist Wachs in den Händen der Politik.“

EZB, oh je

Dabei ist trotz der mutmaßlich nicht nachhaltigen EZB-Geldpolitik (Dreisbusch) vieles gut, laut Referent Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln steigen die Preise für Wohneigentum weiter, gleichzeitig begrenze der hohe Eigenkapitalanteil an den Wohnungskäufen die Gefahr einer Immobilienblase. Für Heinze ergänzt Dr. Christian Kaiser die positiven Prognosen für BIP (plus 2,1 Prozent 2015), die Bauinvestitionen (plus zwei, nächstes Jahr plus 1,7 Prozent) und das Marktvolumen Fenster (plus 2,2 Prozent auf 13,7 Millionen FE 2015). Und dennoch: „Der Importanteil steigt. Dadurch erodieren unsere Preise“, fasst Fränkische Thermoglas-Geschäftsführer Wolfgang Franz die Stimmungslage in der Glas- und vielfach v.a. der Fensterbranche zusammen. Die Frage ist, ob das ein Naturgesetz ist. Oder ob nicht die völlige Reduktion der Branchenprodukte auf energetische Werte, von Verbänden und Instituten an vorderster Stelle proklamiert, genau dieser Entwicklung Vorschub leistete.

Polen: auf Distanz
zum VFF

Zahlenwerte machen Produkte vergleichbar. Heute liefern andere längst ebenso gute Werte, da entfällt vielfach vermeintlich jedes Argument für den Abnehmer, mehr zu zahlen. Grönegräs deutet während der beiden Tage an, sich künftig weniger stark auf das Thema Energieeinsparung bzw. die Förderpolitik kaprizieren zu wollen – und geht in Sachen Importe aus Polen auf Distanz zum VFF: „Wir sehen das nicht so politisch und keine Notwendigkeit, da mitzumachen und uns vor diesen Karren spannen zu lassen. Einfach weil wir es nicht für produktiv und im europäischen Binnenmarkt Abschottung nicht für den richtigen Weg halten“, gibt er die Position der Projektgruppe Pro Glas wieder. Die Verbandsspitze präsentiert sich mit klarem Blick nach vorne. So erteilt der Geschäftsführer allen eine Absage, die auf Widerstand gegen die heftig umstrittene DIN 18008 zur Glasbemessung gehofft haben mögen: „Es ist nicht unsere Aufgabe, Veränderungen von vorneherein zu verhindern. Diese
Totalverweigerung ist beim Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks zu besichtigen.“

Dass es nicht nur Handwerker sind, die die Norm für ungeeignet halten, zeigt der Beitrag von Rosenheimer Flachglashandel-Geschäftsführer Volker Bastian in GFF 4/15 (S. 44 f.).

Schließlich liest Prof. Dr. Heiko Hessenkemper, Glasexperte der TU Bergakademie Freiberg, den Branchenunternehmen die Leviten und verweist auf vorhandene technologische Weiterentwicklungen in der Flachglasproduktion (schnellere Schmelzprozesse durch die dynamische Beschleunigung kompaktierter Gemenge) sowie in der Veredelung (höhere Festigkeiten durch thermisches Härten), die auch aus Mangel an Mut bisher ungenutzt in der Schublade liegen würden.