VDMA Forum Glastechnik Bergmann: "Bei OPC UA sind wir auf einem sehr guten Weg."

Auf der glasstec 2024 haben wir mit Gesine Bergmann, Abteilungsleiterin beim VDMA Forum Glastechnik, darüber gesprochen, wie die Vernetzung des Maschinen- und Anlagenbaus mit OPC UA künftig gelingt und welche weiteren Themen die Verbandsarbeit beherrschen.

Gesine Bergmann ist Head of Forum Glass Technology beim VDMA. - © Friedrichs

GFF: Frau Bergmann, im VDMA Forum Glastechnik haben Maschinenbauunternehmen für die Bereiche Flachglas, Containerglas, Tableware, Spezialglas und Faserglas eine gemeinsame fachspezifische Heimat. Wie groß ist das Netzwerk aktuell?

Gesine Bergmann: Wir haben derzeit 66 Mitglieder aus den verschiedensten Bereichen der Wertschöpfungskette. Wir haben damit ein Netzwerk von der Rohstoffaufbereitung, über Schmelztechnologie, Formgebung, Glasbearbeitung und Dekoration, Inspektion bis hin zur Verpackung. Dabei kommen 64 Unternehmen aus Deutschland. Zudem haben wir ein belgisches und ein österreichisches Mitglied. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass wir es schaffen, in Zukunft europäischer zu werden. Das ist nicht nur eine Aufgabe des Forum Glastechnik, sondern des gesamten VDMA.

"Bei den OPC UA Aktivitäten ist die Glasbranche im VDMA schon sehr europäisch aufgestellt."

Gesine Bergmann, VDMA Forum Glastechnik

Wir beobachten, dass Maschinenbauer in Europa mehr und mehr zusammenrücken und der innereuropäische Konkurrenzkampf im Zuge der globalen Herausforderungen in den Hintergrund tritt. So stärken sie ihre Position gegenüber dem außereuropäischen Wettbewerb. Die Unternehmen sind auf der Suche nach innereuropäischen Schnittmengen, ohne dabei natürlich auf ihre jeweiligen Spezifika zu verzichten. Sie könnten sich z.B. im Hinblick auf rechtliche Belange zusammenschließen, um gemeinsam auf die Herausforderungen zu reagieren, die ihnen durch regulatorische Vorgaben aus Brüssel begegnen. Ein weiteres Thema gemeinschaftlicher Aktivitäten ist die Sicherheitsnormung.

Bei den OPC UA Aktivitäten hingegen ist die Glasbranche im VDMA schon sehr europäisch aufgestellt. In unserer Joint Working Group mit der OPC Foundation sind nicht nur Kollegen aus Deutschland, Belgien und Österreich vertreten, sondern auch aus Italien, Frankreich, Polen und Finnland. Ein weiterer Treiber können politisch motivierte Digitalisierungsthemen sein.

Das heißt, in der OPC UA Joint Working Group engagieren sich nicht nur die Mitgliedsunternehmen des VDMA Forum Glastechnik?

Gesine Bergmann: Ja, genau. Die offizielle Lesart ist, dass man für die Teilnahme an der OPC-Foundation Joint Working Group entweder Mitglied im VDMA oder bei der OPC Foundation sein muss. Isst man das nicht, entscheidet die Gruppe über die Aufnahme. Bei den Glasherstellern betrifft das vor allem die Verarbeiter- und Anwenderseite, also diejenigen, die den Schnittstellenstandard nutzen sollen. Wir sind natürlich offen und gerne bereit, uns da ein möglichst breites Feedback einzuholen, um zu verstehen, was Kunden sinnvoll einsetzen können und was sie wirklich benötigen.

Als herstellerübergreifender Schnittstellenstandard ist die Open Platform Communications Unified Architecture – kurz OPC UA – eine Voraussetzung für die Einführung von Industrie 4.0 in der Produktion. Wie ist der aktuelle Stand bei der Erarbeitung branchenspezifischer OPC UA Companion Specifications?

Vor zwei Jahren haben wir die erste Version der OPC UA Companion Specifications veröffentlicht. Aktuell ist die zweite Version verfügbar, die deutlich verschlankt wurde, weil wir glücklicherweise viele Punkte an übergeordnete Stellen adressieren konnten.

So haben wir uns zum Beispiel mit dem Thema Zeiten beschäftigt, um KPIs (Key Performance Indicator) im Prozess zu berechnen. Dazu haben wir uns die ISO 22400 angeschaut und haben eine Zeit lang mit dem entsprechenden Normungs-Gremium zusammengearbeitet. Dabei haben wir Maschinenstatus, Produktionsstatus und Zeiten übereinandergelegt und alles so abgebildet, dass man eine viel genauere Beschreibung hat und die Gesamtanlageneffektivität (Overall Equipment Efficiency; OEE) sinnvoller auf die gleiche Art und Weise berechnen kann. Die OEE ist ein wesentlicher Baustein, um die Effizienz und Produktivität von Maschinen und Anlagen, und damit auch erfolgte Optimierungen, zu bewerten.

Das, was wir hier initiiert haben, ist jetzt nicht mehr in unserer Companion Specification enthalten, sondern auszugsweise im Anhang der übergeordneten Spezifikation OPC UA for Machinery 40001-1, Annex C, weil die ISO 22400 noch nicht final veröffentlicht war. Und diese Spezifikation und Norm wiederum sind dann für den gesamten Maschinenbau und nicht nur für die Glasindustrie oder den Glasmaschinenbau relevant.

Auch unser Jobmodell, das wir hier verwenden, ist jetzt abgestimmt mit dem Standard ISA 95 und damit ebenfalls Bestandteil der OPC UA for Machinery. Unterm Strich haben wir ein paar Dinge über ganz weite Bögen zusammengeholt, die tatsächlich von allen aufgegriffen, zum Teil 1:1 umgesetzt, zum Teil angepasst oder um notwendige Erweiterungen ergänzt wurden und jetzt für viele verschieden Industrien Anwendung finden können. Ich finde, das ist ein schöner Erfolg für die Gruppe.

"Vor zwei Jahren haben wir die erste Version der OPC UA Companion Specifications veröffentlicht. Aktuell ist die zweite Version verfügbar, die deutlich verschlankt wurde."

Gesine Bergmann, VDMA Forum Glastechnik

Technische und editorische Unterstützung in der OPC Arbeitsgruppe erhalten wir von Sebastian Friedl, Head of Interoperability bei der FVA GmbH und interop4X. Er war bei der Erarbeitung der ersten und der zweiten Companion Specification dabei. Auf unserem Messestand auf der glasstec 2024 hat er unser Dashboard betreut und gezeigt, wie Unternehmen über den Kommunikationsstandard plattform- und herstellerunabhängig Aufträge hin und her schicken können und ein Feedback über die Aufträge gesendet wird. Also ich denke, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind.

Welches sind hier die nächsten Schritte?

Es gibt zum einen die Companion Specification, und dann gibt es noch ein zweites Dokument, die Job Target Definition (JTD). Das hat als Recipe-Beschreibung angefangen, also als Rezept, wie zum Beispiel im einfachsten Fall eine Scheibe ausgeschnitten werden soll. Und dann haben wir schnell festgestellt, dass es allein um ein Viereck zu beschreiben, unzählige verschiedene Möglichkeiten gibt. Die Harmonisierung war in Form einer CS zunächst zu kompliziert, daher haben wir zunächst ein VDMA-Einheitsblatt VDMA 24124 erstellt, welches in einiger Zeit in eine CS umgewandelt werden soll. Die JTD enthält alle Informationen über die verwendeten Materialien, Geometrien, die Verarbeitungsschritte und die Qualitätsanforderungen. Es werden damit Eingangsmaterialien definiert und das herzustellende Endprodukt beschrieben.

Die Stückliste (Bill of Material, BOM) wird so für jeden Verarbeiter gleichartig beschrieben, Dabei ist es unerheblich, ob es um den Prozess des Schneidens geht oder um andere Kantenbearbeitungen. Der nächste Schritt besteht darin, auch diese Beschreibung auf noch komplexere Prozesse auszudehnen und fehlende seltener Prozesse zu integrieren. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg.

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