Glasschäden Teil 1 Thermischer Glasbruch – ein Übel moderner Verglasungen?

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Glasschäden

Fachbuchautor Ekkehard Wagner stellt in der GFF verschiedene Auszüge aus seinem Buch Glasschäden vor, das nun in fünfter Auflage vorliegt. In der ersten Folge einer mehrteiligen Serie stellt Wagner das Schadensbild Thermischer Glasbruch vor und gibt eine Empfehlung.

Starker thermischer Glasbruch: rechtwinklig, Ein- und Durchlauf. - © Ekkehard Wagner

Moderne Verglasungen, wie sie heute überall zum Einsatz kommen, müssen an erster Stelle eine hohe Wärmedämmung aufweisen. Durch die gültige Energie-Einspar-Verordnung (EnEV) ist der Bauherr fast gezwungen, nur noch hochwärmedämmende Dreifachverglasungen einzusetzen. Deshalb wird dieses Dreifach-Isolierglas mit Ug-Werten von 0,8 – 0,5 ­W/­m2K inzwischen in fast allen Neubauten als Standard-Isolierglas im Fenster eingesetzt. Die extrem gute Wärmedämmung wird erreicht, indem zwei der drei Glasscheiben zum Scheibenzwischenraum hin mit einer inzwischen sehr neutralen, aber hoch wirksamen Wärmedämmbeschichtung versehen sind. Die beiden Scheibenzwischenräume sind mit Edelgas (Argon, Krypton) gefüllt.

LowE-Wärmedämmbeschichtungen halten Räume warm

Mit diesen Aufbauten erreicht man diese sehr guten Wärmedämmeigenschaften bei sehr neutraler Durchsicht. Der Mehrfach-Schichtaufbau solcher LowE-Wärmedämmbeschichtungen lässt die kurzwellige Sonneneinstrahlung (kurzwellige IR-Strahlung) noch zu einem hohen Prozentsatz passieren, während die langwellige Strahlung von warmen Oberflächen aus dem Raum kaum mehr hindurch kann und in den Raum zurück reflektiert wird. Hier werden, wie der Name sagt, niedrige Emissionen dieser Strahlung von nur noch zirka drei Prozent zugelassen, also nur noch zirka drei Prozent der Wärmestrahlung aus dem Raum kann durch diese hochwärmedämmende Verglasung nach außen gelangen – der Raum
bleibt warm.

Dieser Effekt, Treibhauseffekt bei normalem Glas genannt, wird durch die hochwirksamen Beschichtungen noch erheblich verstärkt. Ein zusätzlicher Vorteil dieser Dreifach-Verglasungen ist weiterhin, dass die raumseitigen Oberflächen wesentlich wärmer bleiben und dadurch das Raumklima angenehmer ist.

Gegenstände an oder nahe bei Glasflächen sind ein Risiko

Da nun nur noch wenig Wärme nach außen gelangen kann, bleibt die
äußere Scheibenoberfläche natürlich auch wesentlich kälter. Dies kann dann dazu führen, dass sie morgens Kondensat oder sogar Einbildung aufweist – ein klares Zeichen dafür, dass die Verglasung hochwärmedämmend wirkt. Dieser erwünsche Effekt kann aber auch Probleme bereiten. Sobald sich direkt hinter dieser Verglasung ein Gegenstand befindet, in sehr geringem Abstand zur Glasfläche oder oftmals direkt an die Scheibe angelehnt, kann sehr schnell Glasbruch auftreten. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn ein Sessel die Verglasung berührt, wenn eine Aktentasche oder ein Kissen innen an der Isolierglaseinheit lehnt, wenn Kinderzeichnungen innen auf die Verglasung geklebt werden etc.

Wärmestau

Der physikalische Effekt, der dann entsteht, ist folgender: kurzwellige Sonnenstrahlung fällt durch die Scheibe auf den dahinter befindlichen Gegenstand und erwärmt diesen sehr schnell. Diese warme Oberfläche gibt nun eine langwellige Wärmestrahlung ab, die jedoch von der Wärmedämmbeschichtung daran gehindert wird, wieder nach außen zu gelangen. Es entsteht ein Wärmestau, der sich sehr schnell zu hohen Temperaturen aufschaukelt. Die so entstehende starke örtlich Erwärmung führt zu Spannungen im Glas. Normales, nicht vorgespanntes Glas hält Temperaturunterschiede bis zirka 40 Grad Celsius aus, bei höherer Teilerwärmung sind die dadurch entstehenden Spannungen zu groß, so dass es zu Glasbruch kommt. Ein Glasbruch tritt immer nur dann auf, wenn die einwirkende Belastung die Materialkennwerte des Glases überschreitet. Diese Belastung kann sowohl mechanisch, oder, wie hier beschrieben, thermisch verursacht werden.

Besonderheiten von thermischen Glasbrüchen

Ein Glasbruch, der durch starke Teilerwärmung verursacht wurde, also ein thermischer Glasbruch, ist an einigen Besonderheiten eindeutig zu erkennen:

  • rechtwinkliger Einlauf (immer vorhanden)
  • rechtwinkliger Durchlauf (immer vorhanden)
  • mehrfacher Richtungswechsel (sehr häufig)
  • Häkchenbildung am Rissende (häufig)
  • Wallner’sche Linien am ersten Richtungswechsel (bei dickeren Gläsern)
  • auffallend oft in der Winterjahreshälfte (häufig)
  • auf der raumseitigen Scheibe auftretend (sehr häufig)
  • aus der Ecke herauslaufend (nie)

Gerade die heute sehr beliebten raumhohen Verglasungen ab Fußboden sind besonders gefährdet. Es heißt also: Abstand halten! Bereits zehn Zentimeter Abstand reichen in der Regel aus, den Hitzestau zu vermeiden. Erfahrungsgemäß ist der hier beschriebene Glasbruch einer der häufigsten, die an hochwärmedämmenden Verglasungen auftreten.

Garantie und Gewährleistung

Die fünfjährige Garantie bei Isolierglas bezieht sich ausschließlich auf Kondensatfreiheit im SZR, nicht jedoch auf Glasbruchfreiheit. Eine Gewährleistung bezüglich Glasbruchs ergibt sich nur dann, wenn ein Verglasungsfehler vorliegt.

In allen anderen Fällen ist Glasbruch allein Kundenrisiko, gegen das man sich beispielsweise auch versichern kann (Urteil OLG Karlsruhe). Deshalb sollte bei solchen Verglasungen der Hinweis an Bauherren bzw. Nutzer erfolgen, dass keinerlei Gegenstände raumseitig direkt an die Verglasung gestellt werden dürfen.