Gefahren bei der Floatglasproduktion Nickelsulfid-Einschluss: Verunreinigung mit Folgen

Bei der Floatproduktion entstehen zum Teil kleinste Kristalle aus Nickel und Schwefel. Diese Nickelsulfid-Einschlüsse wirken sich bei den meisten Glasarten nicht negativ aus, können aber bei ESG zu Spontanbruch führen. GFF-Online nahm das Thema mit dem Experten Dr. Andreas Kasper unter die Lupe.

Nickelsulfideinschluss
Nickelsulfidenischluss, Floatproduktion, Gefahren - © Kasper/Saint Gobain

Spontanbruch bei ESG möglich
Die Produktion des Lebenselexiers der Glasbranche läuft in riesigen Schmelzwannen endlos 24 Stunden am Tag. Dabei kontrollieren die Hersteller ständig Qualität und Zusammensetzung des Floatglases. Allerdings lassen sich auch bei genauester Prüfung nicht alle Störenfriede aussperren. Sehr selten werden Kristalle aus Nickel und Schwefel in der Größe von etwa 0,2 Millimeter im fertigen Floatglas eingeschlossen. Diese Nickelsulfid-Einschlüsse können bei Temperaturbelastung ihre Zustandsform ändern und sich dadurch deutlich vergrößern. Daraus folgt ein Spannungsanstieg im Glas, der im Extremfall ausschließlich bei Einscheibensicherheitsglas (ESG) zum spontanen Bruch ohne äußere Einwirkung führen kann. Der Grund dafür liegt im Zusammenwirken von Druck- und Zugspannung im vorgespannten ESG mit den sich ausdehnenden Nickel-Sulfid-Einschlüssen. Dadurch entsteht eine Gesamtspannung, die das Glas nicht mehr aushält und schließlich zerbricht.

Risiko deutlich minimierbar
Das Risiko für einen Spontanbruch durch Nickelsulfid-Einschlüsse beträgt laut dem Experten Dr. Andreas Kasper, Head of dept. "Chemistry of Glass Melting" (CGM) bei Saint-Gobain Sekurit Deutschland, bei nicht heißgelagertem ESG mit acht Millimeter Dicke zirka ein Bruch auf sechs Tonnen Glas oder umgerechnet auf 300 Quadratmeter. Zur Senkung des Spontanbruchrisikos durch Nickel-Sulfid-Einschlüsse eignet sich das in der EN-14179-1 geregelte Heißlagerungsverfahren (Heat-Soak-Test), das auch in der deutschen Bauregelliste seine Entsprechung hat. Kommentar: Es gibt hier einen entscheidenden Unterschied: lt. Bauregelliste muss die Haltezeit vier Stunden betragen, lt. EN14179-1 nur zwei Stunden. In Deutschland hat erstere Vorrang. Dadurch sinkt die Spontanbruch-Wahrscheinlichkeit nach Berechnungen von Dr. Kasper auf einen Bruch pro 20.000 Quadratmeter. "Das Problem von Spontanbrüchen durch Nickel-Sulfid-Einschlüsse bei ESG ist seit den 1960er Jahren bekannt. Erst der seit 2002 europäisch einheitlich geregelte Heißlagerungstest hat eine wirkliche Senkung des Risikos auf nahezu Null gebracht", erläutert der Fachmann. "Seit der Einführung des Verfahrens 2002 sind uns in Europa keine neuen Meldungen über Nickelsulfid bedingte Spontanbrüche von ESG-H bekannt", betont Kasper die Wirksamkeit der Methode.

Heißlagerungstest im Detail
Im Rahmen des Heat-Soak-Tests wird Einscheiben-Sicherheits-Glas (ESG) zur Vermeidung von Spontanbrüchen nach dem Vorspannen einer Heißlagerung unterzogen. Der gesamte Prozess dauert zwischen acht und zwölf Stunden; sein Kern ist die Lagerung des Glases (nicht zu verwechseln mit der Ofentemperatur) bei 290 ± 10°C. Das Erreichen des korrekten Temperaturintervalls wird durch den Test von Prüfscheiben mit aufgeklebten Thermoelementen nachgewiesen. Die Aufheizphase endet erst, wenn das letzte Glas auf den Thermoelementen im Ofen eine Temperatur von 280°C erreicht. Ab diesem Zeitpunkt setzt die Haltezeit von zwei (EN14179-1) bzw. vier Stunden (lt. deutscher Bauregelliste) ein. Diese künstlich erzeugte Erwärmung der Gläser regt das beschriebene Kristallwachstum an. Sind entsprechende Nickel-Sulfide im Glaskörper eingeschlossen, bricht die Scheibe und gelangt nicht in den Markt. Das auf diese Weise gefertigte Produkt wird als ESG-H, also heißgelagertes Einscheibensicherheitsglas, bezeichnet.

So sind Verarbeiter und Monteure auf der sicheren Seite
Mit einem speziellen Stempel bestätigt der Hersteller seinem Abnehmer die Konformität des Produkts mit der EN 14179-1, die die Durchführung des Heißlagerungstests und seine Qualitätssicherung beschreibt. Da eine technische Überprüfung dieses Labels nicht möglich ist, sind die Produzenten zu umfangreichen Qualitätssicherungsmaßnahmen und externen Überprüfungen des Heißlagerungsprozesses verpflichtet. Kasper empfiehlt den Heißlagerungstest für alle ESG-Gläser, die im Fassadenbau eingebaut werden, da in solchen Elementen durch äußere Einflüsse hohe Temperaturen entstehen können, die das Wachstum der Nickel-Sulfid-Kristalle und damit die Bruchgefahr beschleunigen. Bei ESG-Bauteilen in Innenräumen, etwa Duschen oder Innentüren, hält der Experte den Heat-Soak-Test für unnötig: "Selbst wenn dort Nickelsulfid-Einschlüsse vorhanden sind, wachsen diese so langsam, dass die Gläser in der Regel nicht vor Ende der normalen Nutzungsdauer spontan brechen." Außerdem bestehe hier ja auch keine Gefahr für Leib und Leben, im Gegensatz zu den Fassadenanwendungen.

Andere Ursachen für Spontanbrüche
Ein unerwarteter Bruch von ESG ohne offensichtliche Schäden Beschädigung kann auch die Folge anderer Ursachen als Nickelsulfid-Einschlüsse sein. Möglich sind beispielsweise feuerfeste Einschlüsse oder Blasen im Floatglas in einer Größe von mehr als zirka 0,5 Millimeter, die bei der Qualitätskontrolle übersehen werden. Darüber hinaus führen auch Kantenschädigungen zur Schwächung des Glases, die dann später einen Spontanbruch verursachen kann. Zu den weiteren Risiken zählen Planungsfehler bei der Baustatik, der Kontakt von Glas mit Metall oder simpler, mutwilliger Vandalismus.