Trends, Stimmen und Stimmungen von der wichtigsten Fensterbau-Messe des Jahres Messebericht fensterbau/frontale 2010

Mehr als 100.000 Besucher haben das Messedoppel fensterbau/frontale und Holz-Handwerk vom 24. bis 27. März 2010 zu einem tollen Publikumserfolg gemacht.

Dass dabei die 1.270 Aussteller aus 35 Ländern wie vor zwei Jahren für volle Hallen sorgten und demnach viele wiedergekommen waren, darf die NürnbergMesse zweifellos als Bestätigung ihres Kurses werten. Außer dem speziellen Messelayout, das aus Sicht des Fensterbauers von der maschinellen Fertigung über die argumentative Unterstützung am Point of Sale (Nachhaltigkeit!) bis hin zu optischen und bautechnischen Trends alle Teilbereiche seines beruflichen Alltags umfasst, gehört dazu ein verkäuferischer Kniff. Wenn fensterbau/
frontale-Projektleiter Willy Viethen im Vorfeld stolz darauf verwies, dass im Oktober 2008 die zur Verfügung stehende Fläche zu 90 Prozent vergeben war, liegt dies auch daran, dass der Veranstalter nach dem Motto verfährt: Was lange währt, ist meistens gut.

So bekommen die Stammaussteller, oftmals Besuchermagneten, nur dann die gewohnten Stände zugewiesen, wenn die Buchung innerhalb einer, wie man hört eher kurz gehaltenen, Frist erfolgt. Für die Messe erhöht dies die Planungssicherheit, für die Standbesucher vereinfacht es die Orientierung und für die Firmen ist es ein Risiko. Denn mal ehrlich: Das vom VFF bei seinen Mitgliedern ermittelte Plus von fünf Prozent für 2009 in allen Ehren, aber garantierte das allein wirklich schon, dass die NürnbergMesse am 25. März 2010 mit mehr als 31.000 Besuchern den erfolgreichsten Tag ihrer Geschichte erleben würde? Auch wenn die KfW-Förderung energetische Sanierungen und das Konjunkturpaket II öffentliche Bauvorhaben ankurbelten, so leiden doch Betriebsinhaber ungeachtet dessen sehr wohl unter der Krise und ihren Folgen: Kreditklemme in Handwerk und Mittelstand, steigende Energiepreise, teures Öl. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, was an den mehr als 760 Ausstellungsständen der fensterbau/frontale los war. Noch schöner ist es, wenn hinter dem fachlichen Interesse offenbar echte Investitionsbereitschaft steht. So meldet Maschinenhersteller Weinig nach der Holz-Handwerk so viele Auftragseingänge wie 2008. Und Rolf Knoll, der wortgewaltige Vorsitzende des Fachverbands Holzbearbeitungsmaschinen im mitveranstaltenden VDMA, frohlockte noch an Ort und Stelle: „Das Handwerk ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Endlich macht es wieder Spaß, auf Messen zu gehen.“ Dabei ist auf Ausstellerseite sicherlich stark zu differenzieren: Wenn Roto Frank für seine Fenster- und Türtechnologie-Sparte ein Minus von 15 Prozent bilanziert, dann wird diese Zahl erst mit der flankierenden Angabe zur aussagekräftigen Information, dass der Beschlagexperte 70 Prozent seiner Geschäfte nicht in Deutschland tätigt. Gut läuft es laut Marketingleiter Ralph Saile abgesehen von D-A-CH in Asien, wo zweistellige Zuwachsraten eingefahren werden. Aber da sind eben auch die Sorgenkinder Osteuropa, Spanien, Irland, England.

Ganz insgesamt scheint der Niedergang der Weltwirtschaft eine stark nivellierende Komponente zu haben: „Alte“ Märkte wie Deutschland, die vor wenigen Jahren noch ob ihrer Überregulierung weltweit mitleidig belächelt wurden, geben zumindest im kontinentalen Umfeld wieder das Tempo vor. Und ein vermeintliches Schlaraffenland wie die Golfregion taucht in den Statements der Global Players heute meist unter der Überschrift „Totalzusammenbruch“ auf. Beispiel Dubai: Von 100 Wolkenkratzern, über deren Bau noch vor Monaten die Investoren von überallher laut jubelten – so berichtete es Tremco-Illbruck-Geschäftsführer Reiner Eisenhut – sind ganze drei entstanden. Die Kölner, die längst zum US-amerikanischen Milliardenkonzern RPM gehören, erwirtschaften den größeren Teil ihres Umsatzes von zuletzt 300 Millionen Euro ebenfalls außerhalb Deutschlands. Doch sieht Eisenhut den „Hausmarkt für die Entwicklung als den wichtigsten“ an.

So gesehen beweist die Haas Group mit Sitz im niederbayerischen Falkenberg Mut, wenn Spartenleiter Bauelemente (Bayerwald Fenster und Türen, Hoco, Wo & Wo Sonnenlichtdesign), Dr. Wolfgang Marka, angesichts zum Teil schwacher Exportmärkte von Expansionsbestrebungen spricht. Doch die 400 Millionen Euro schwere Unternehmensgruppe, die sich seit den 70er Jahren aus einem Drei-Mann-Betrieb entwickelte und dabei noch heute von der Familie geführt wird, setzt auf Innovationskraft und Kundennähe. Jüngstes Beispiel ist die Entwicklung HX Passiv, nach Herstellerangaben das erste Fenster auf dem Markt mit vier Dichtungsebenen; hinzu kommen DreifachVerglasung, ein Sieben-Kammern-Isoliersystem mit thermischer Entkopplung und ein Schaumstoffkern in der vorgesetzten Aluminiumschale. Ferner sollen die ab sofort erhältlichen Holz- beziehungsweise Holz-Aluminium-Fenster mit Bautiefen von 90 und 106 Millimeter sowie „entsprechender Verglasung den Anforderungen der gültigen und kommenden Verordnungen für Fensterbausysteme im Neubau und in der Renovierung entsprechen“. Konkret will der Hersteller „dem Verbraucher im Hinblick auf die 2012 zu erwartende Verschärfung der Energieeinsparverordnung Sicherheit bieten“.

Dies wirft als Beispiel für eine besonders nachdrückliche Beteiligung an der U-Wert-Olympiade drei Fragen auf:

1. Was bedeuten immer bessere Dämmwerte für den Verarbeiter? Fest steht, dass mit zunehmendem Gewicht der Fenster deren Montage erschwert wird. Nun lässt sich freilich das Drängen des Verordnungsgebers vorerst so wenig aufhalten wie das legitime Gewinnstreben der Industrie, die auf immer niedrigere Werte mit weiter verbesserten Produkten reagieren wird. Buchstäblich erschwerend hinzu kommt die bekannte Liebe der Architekten zu Großflächenelementen. Abgesehen von spannenden Lösungen wie Scholls Heat-Mirror-Technologie mit beschichteter Kunststofffolie statt der dritten Scheibe bleibt Handwerkern wohl nur, sich mit regionalen Netzwerken und/oder gemeinschaftlich erworbenem Spezialgerät eben selbst zu helfen.

2. Steigt nicht die Gefahr von Schimmelbildung,wenn die ständig erhöhte Dichtigkeit gleichzeitig ausreichend Frischluftzufuhr verhindert? Wie aktuell die Problematik ist, zeigt die Tatsache, dass gerade mit dem ift Rosenheim das maßgebliche Institut der Fensterbranche dem nutzerunabhängigen Lüften einen eigenen Forschungstag widmete. Produktseitig bereits reagiert hat etwa Branchenriese Schüco, der auf der fensterbau/frontale unter dem Namen VentoTherm ein fensterintegriertes Zu- und Abluftsystem mit Luftfilter, Wärmerückgewinnung und Sensorsteuerung vorstellte. Es soll bei geschlossenem Fenster für kontinuierlichen Luftaustausch sorgen und gleichzeitig leidgeplagte Allergiker per integriertem Pollenfilter schützen.

3. Festigt die Rekordjagd beim U-Wert nicht die Position des Fensters als energetische Schwachstelle in der Fassade und bewirkt damit eine langfristig angelegte Abwertung dieses Bauteils? Immerhin haben zwischenzeitlich auch die Branchenverbände BVRS, GFF und BF eine einseitige Betrachtung in der EnEV ausgemacht und eine Studie in Auftrag gegeben, die dem Verordnungsgeber eine stärkere Berücksichtigung des solaren Energiegewinns am Fenster nahelegen soll. Gut, dass es Leute vom Schlage eines Rainer W. Schmid gibt. Der Interpane-Marketingleiter sagte in Nürnberg, die aktuelle Wendung in der Diskussion hin zum g-Wert komme ihm noch aus den Zeiten der Wärmeschutzverordnung bekannt vor. Da habe sich Prof. Dr.-Ing. Gerd Hauser dafür starkgemacht, den äquivalen Wärmedurchgangskoeffizienten keq zur Bewertung des solaren Energieeintrags heranzuziehen – die Verbandsstudie erarbeitet das Ingenieurbüro Hauser. Für Schmid, der Interpane bei einem Gesamtumsatz zwischen 200 und 300 Millionen Euro in Deutschland unter den Top drei der Isolierglashersteller sieht, ist „kein anderer Baustoff geeignet, diese Funktion als intelligente Quelle für Energiezugewinne“ zu übernehmen.

Ein weiterer großer Trend ist ganz sicher die Automatisierung; wenn man so will eine Gegenbewegung zur ansonsten über allem stehenden Energieeffizienz. Denn was würde eindeutiger Ressourcen schonen als auf all die Schalter, Sensoren sowie Funkfernbedienungen zu verzichten und die Balkontür stattdessen wie bisher mit Muskelkraft zu bedienen? Weil das gerade im Alter einfacher gesagt als getan ist, zeigte GU Hebe-Schiebe-Beschläge der Oberklasse mit im Profilsystem integriertem Antrieb (HS-Master Concealed). Ganz zu schweigen von den großen Sonnenschutzanbietern: So setzt Somfy, das gerade den Ausstieg aus dem Baumarktgeschäft bekannt gegeben hat, künftig noch stärker auf die io-Homecontrol-Funktechnologie und bietet entsprechende Vereinfachungen nun auch für Screens, Markisen und Außen jalousien an. Wettbewerber Rademacher verfügt mit RolloTube über eine leistungsstarke Elektronikplattform und hat bereits weitere Antriebsvarianten angekündigt. Außerdem, so war zu hören, besteht offenbar Interesse an einer Kooperation mit dem Anbieter.

In: integrierte Fensterlüftungssysteme, schmale Flügelrahmenansichten, verdeckt liegende Beschläge, Großflächenelemente, Automatisierung von Schiebesystemen und Sonnenschutz, Digitaldruck auf Glas, Thema Sicherheit/Einbruchhemmung (WK2 als Standard), Energiesparen und Nachhaltigkeit, bautiefe Systeme für passivhaustaugliche Fenster, g-Wert.

Out: Jammern.