In einer mehrteiligen Serie beleuchten wir den Trend zum Bauen und Sanieren mit Produkten und Materialien aus Recyclingmaterial. Wie weit ist die Entwicklung vorangeschritten und welche Chancen und Herausforderungen ergeben sich daraus für mittelständische Metallbaubetriebe?

Bereits heute zeichnet sich ab: Nachhaltiges Bauen wird aus Sicht von Planern künftig Standard sein. "Wir spüren bei praktisch allen Auftraggeber – von der öffentlichen Hand über Projektentwickler bis hin zu privaten Unternehmen – eine zunehmende Sensibilisierung und den Wunsch, nachhaltiger zu bauen", sagt Roman Schieber, Geschäftsführer von Knippershelbig, einem internationalen Ingenieurbüro für Tragwerks- und Fassadenplanung.
"Vor wenigen Monaten haben wir z.B. bei der Ausschreibung der Fassaden eines Hauptquartiers für einen deutschen DAX-Konzern in Abstimmung mit dem Bauherren CO2-Grenzwerte für Profilsysteme und Gläser festgelegt. Die Anforderungen wurden von den anbietenden Metallbauern gut aufgenommen und entsprechend angeboten."
Was heißt das für Metallbauer?
Metallbauer sollten sich noch mehr mit den Themen Life-Cycle-Assessment bzw. CO2-Bilanzierung vertraut machen, empfiehlt Schieber, damit sie bei entsprechenden Ausschreibungen mit Grenzwerten überhaupt am Wettbewerb teilnehmen können. Es gebe nach seinen Worten aber auch neue Betätigungsfelder, etwa Rückbau von Fassaden, Wiederverwendung von Bauteilen, bautechnische Untersuchungen von Bestandsgebäuden bzw. das Öffnen von Fassaden. „Das ist mit Sicherheit ein wachsender Markt“, sagt er.
Produkte und Verfügbarkeit
Bereits heute gibt es Industriestandards für Produkte mit hohem Recyclinganteil. Ein Beispiel sind die Aluminiumprofile großer Systemhäuser wie Circal 75R und 100R von Hydro bzw. Wicona und Hueck. Sie werden laut Schieber vermehrt Einzug in Ausschreibungen finden. Es sei vorstellbar, dass bestimmte Recyclingquoten für Glas, Aluminium oder andere Baumaterialien standardisiert werden.
Verfügbarkeit und Kosten
"Die Verfügbarkeit sehe ich allgemein unkritisch", sagt der Geschäftsführer. Man müsse jedoch bei neueren Produkten wie CO2-reduzierter Verglasung mit erhöhtem Recyclinganteil beachten, dass die Lieferzeiten häufig länger seien. Am Ende des Tages sei das aber alles eine Frage der Planung. "Wenn neue Produkte eingesetzt werden sollen, muss man eben etwas Redundanz bei Terminplänen einplanen."
Aktuell seien CO2-optimierte Baumaterialien etwas teurer als konventionelle Baumaterialien. Dies ist laut Schieber aber Sache der Marktanteile bzw. der Skalierung. Hier gebe es interessante Entwicklungen. Beispielsweise bekomme man von Hydro bzw. Wicona und Hueck heute schon standardmäßig ein Circal75R Aluminium ohne Mehrkosten.

"Das zeigt, wohin die Reise geht", sagt er. "Abgesehen davon denke ich, dass man auch an die Welt jenseits der Standard-Produkte denken soll." Knippershelbig habe vor gut fünf Jahren für die Harvard University in Boston ein Projekt realisiert, bei dem zunächst konventionell geplant wurde mit Aluminium-Paneele mit 2,5 Millimeter Blechstärke und Pulverbeschichtung. Dann setzte man aber kostenneutral auf hydrogeformte 1,2 Millimeter dicke, doppelt gekrümmte Edelstahlbelche, welche nur etwa die halbe CO2-Bilanz hatten. Das Ganze sei durch kreative Planung und Engineering im Zusammenspiel mit innovativen Herstellern möglich gewesen.
So arbeiten Planer heute bei der Konzeption der Gebäudehülle
Für Fassadenplaner gibt es beim CO2-armen Planen und Bauen zwei Themen: zum einen die Verbrauchsenergie bzw. das CO2, das durch den Betrieb der Gebäude bzw. Heizen, Kühlen etc. freigesetzt wird, und zum anderen die graue Energie bzw. das CO2, das durch die Materialgewinnung und Herstellung von Produkten freigesetzt wird.
Während die Verbrauchsenergie schon seit einigen Jahren im Fokus der Planenden ist, nicht zuletzt durch die immer höheren Energie-Mindeststandards, gewinnt die graue Energie auch bei Fassaden zunehmend an Bedeutung. "Für unsere tägliche Projektarbeit bedeutet das, dass wir in frühen Projektphasen zunächst die gesetzlichen Mindestanforderungen in Erfahrung bringen müssen, aber auch mit Bauherren das Gespräch suchen, ob es weitere bzw. höhere Zielsetzungen bzgl. Nachhaltigkeit gibt", berichtet Schieber. "In diesem Prozess begleiten wir Auftraggeber und Objektplaner, beraten zu Vor- und Nachteilen und ggf. Auswirkungen auf die Baukosten."
Realisierte Projekte
Knippershelbig hat bereits zahlreiche CO2-optimierte Gebäude realisiert. Im kanadischen Calgary ließ das Ingenieurbüro ein Hochhaus entkernen und eine Doppelfassade mit knapp 3000 motorisierten Öffnungsflügeln einbauen. Für Alnatura und Weleda realisierte Knippershelbig Gebäude in Lehmbauweise. "Konventionellere Fassaden mit CO2-optimierten Profilsystemen und Gläsern haben wir in der Planung bzw. im Bau – hier muss die Industrie noch nachziehen, ist aber auf bestem Wege", sagt Schieber.