Lenderoth, Wicona und Saint-Gobain Glass Pionierprojekt für Kreislaufwirtschaft vorgestellt

Fassadenbau der Zukunft: Unter diesem Motto fand am 15. Februar 2024 beim Bremer Metallbauunternehmen Lenderoth die Vorstellung der revitalisierten Unternehmensfassade statt – ein deutschlandweites Pionierprojekt für Kreislaufwirtschaft von Lenderoth, Wicona und Saint-Gobain Glass.

Das Unternehmensgebäude des Bremer Metallbauunternehmens Lenderoth mit seiner revitalisierten Fassade.
- © Hydro Building Systems

Realisiert wurde die rund 370 Quadratmeter große Fassade mit einer anforderungsgerechten Wicona Pfosten-Riegel-Konstruktion vom Typ Wictec 50 – hergestellt aus der Aluminiumlegierung Hydro Circal 100R. Diese besteht zu 100 Prozent aus End-of-Life-Material und verfügt laut Hersteller mit durchschnittlich 0,5 Kilogramm CO2 pro kg Aluminium über den im weltweiten Vergleich geringsten CO2-Fußabdruck. Die Verglasung der neuen Fassade besteht aus Oraé von Saint-Gobain Glass. Das CO2-reduzierte Glas bietet durch die Kombination eines hohen Anteils an recyceltem Glas mit circa 64 Prozent Scherben und der Verwendung erneuerbarer Energien für die Herstellung einen sehr niedrigen CO2-Fußabdruck von 6,64 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Quadratmeter auf (bei vier Millimeter Glasdicke). Durch das zukunftsweisende Konzept konnte die Fassaden-Revitalisierung komplett aus Sekundärrohstoffen realisiert werden – was letztendlich eine Ersparnis von insgesamt 24,6 Tonnen CO2 bedeutete.

Der Kreislaufgedanke im Fokus

Zunächst stellte Christophe Lenderoth, Geschäftsführer Lenderoth, das Revitalisierungsprojekt vor. Dabei ging es darum, die 1972 erstellte Pfosten-Riegel-Fassade des unternehmenseigenen Bürogebäudes zukunftsgerecht zu sanieren – denn diese konnte den aktuellen Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Wärmeschutzes und der Energieeffizienz nicht mehr gerecht werden. "Wir wollten mit gutem Beispiel vorangehen und nicht nur eine energieeffiziente Fassade aus Glas und Aluminium bauen, sondern auch Materialien verwenden, die besonders CO2-sparend hergestellt werden", sagte er. "Hier stand für uns der Kreislaufgedanke im Fokus." Vor diesem Hintergrund sei das gemeinsame Projekt mit den langjährigen Partnern Wicona und Saint-Gobain Glass entstanden. Im Ergebnis konnten bei der Revitalisierung der rund 370 Quadratmeter großen Pfosten-Riegel-Fassade 24,6 Tonnen CO2 eingespart werden – dank der Verwendung von 100 Prozent recycelten Aluminium-Profilen und 64 Prozent recyceltem Glas.

Christophe Lenderoth, Klaus Peter Sedlbauer, Sarah Ryglewski, Ralf Seufert, Pascal Decker (v. li.). © Hydro Building Systems

Neue Mitstreiter gesucht

Auch Ralf Seufert, VP Commercial North Europe Hydro Building Systems, betonte den Pioniercharakter des Projekts. "Wir stehen vor einer riesigen Renovierungswelle und müssen die verbauten Materialien recyceln. Und genau hier setzen wir an." Dabei unterstrich er die Vorreiterrolle von Wicona beim kreislauffähigen Bauen. Schon seit sechs Jahren habe das Unternehmen mit Hydro Circal ein Produkt im Markt, das zu mindestens 75 Prozent aus End-of-Life-Aluminium bestehe. Mit Hydro Circal 100R sei nun auch eine Aluminiumlegierung aus 100 Prozent Recycling-Material erhältlich – eingesetzt auch bei Lenderoth.

Dieser Innovationsgeist erfordere umfangreiches technologisches Know-how, insbesondere der Sortierungs- und Wiederaufbereitungsprozess sei High-Tech. Derzeit werden von Hydro 55.000 Tonnen Aluminium jährlich recycelt und in den Markt zurückgeführt. Mit der Errichtung weiterer Sortierwerke u.a. in Spanien und England erhöhe man die Kapazitäten weiter. Darüber hinaus habe man im Hydro Konzern alle Kompetenzen der Wertschöpfungskette in einer Hand. Sein Appell: "Wir können nur gemeinsam mit Partnern wie Lenderoth und Saint-Gobain Glass erfolgreich sein und die Kreislaufwirtschaft Realität werden lassen. Daher suchen wir immer neue Mitstreiter, die mit uns vorangehen und den Markt verändern wollen."

Gebäude zur Materialdatenbank machen

Im Anschluss beleuchtete Pascal Decker, CEO bei Saint-Gobain Glass Deutschland, das Projekt aus Sicht des Glasherstellers. Die CO2-Neutralität bis 2050 sei wesentliches Ziel der Unternehmensstrategie. Somit investiere man sehr viel in ressourcensparende Produkte sowie neue Technologien und lege großen Wert auf enge Partnerschaften im Markt. "Kreislaufwirtschaft kann nur gemeinsam funktionieren", so Decker. Da das Glas für mehr als einem Drittel des gebundenen CO2 in einer Fassade verantwortlich sei, liege hier noch enormes Optimierungspotenzial. Vor diesem Hintergrund hat Saint-Gobain Glass die bei Lenderoth eingesetzte Fassadenverglasung Oraé entwickelt. Dieses CO2-reduzierte Glas bietet durch die Kombination eines hohen Anteils an recyceltem Glas mit circa 64 Prozent Scherben und der Verwendung erneuerbarer Energien für die Herstellung einen niedrigen CO2-Fußabdruck. Mit Blick auf die Zukunft stellte Decker klar: "Wir müssen weiter den Fokus auf Ressourcenschonung und CO2-Einsparung legen und vor allem den Einsatz von Sand im Produktionsprozess reduzieren. Gebäude der Zukunft müssen so geplant und realisiert werden, dass sie zu einer echten Materialbank werden."

Nachhaltigkeit als Gewinnerthema

Einen Einblick in die Arbeit und Strategie rund um das nachhaltige Bauen in der Bundesregierung gab Sarah Ryglewski, Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen und nachhaltige Entwicklung beim Bundeskanzler. Nachhaltigkeit sei ein Gewinnerthema mit gesellschaftlicher Relevanz und nicht zuletzt auch enorm wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. In diesem Zusammenhang stellte die Staatsministerin die Allianz für Transformation vor – ein Diskussionsformat der Bundesregierung mit Wirtschaft, Sozialpartnern und Wissenschaft zur Gestaltung des sozial-ökologischen Wandels in Deutschland. Hier stünden Themen wie Kreislaufwirtschaft und Lebenszyklusbetrachtung sowie auch die CO2-Bepreisung und die Einführung von Rezyklatquoten auf der Agenda – es tue sich viel. Gerade bei der Kreislaufwirtschaft gehe es aber nicht nur um die Frage des Recyclings, sondern um ein neues Geschäftsmodell mit wertvollen Rohstoffen. Ryglewski: "Jeder Bauherr und Planer muss sich schon am Anfang darüber Gedanken machen, wie das Produkt am Ende im Wertstoffkreislauf verbleiben kann."

Wie werden wir in Zukunft leben?

Zum Abschluss stellte Prof. Klaus Peter Sedlbauer, Lehrstuhl Bauphysik an der TU München, in seinem Vortrag die Frage: "Wie werden wir in Zukunft leben?" Dabei ging er zunächst auf die verändernden klimatischen Bedingungen mit Starkregen sowie zunehmenden Hitzeperioden im Sommer ein – diese müssten bei der Planung von Gebäuden noch konsequenter berücksichtigt werden. "Wir bauen Gebäude und insbesondere auch Fassaden nicht, um Energie zu sparen, sondern um Menschen ein Klima zu bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Fassaden müssen entsprechend konzipiert werden, z.B. hinsichtlich Akustik, Schallschutz, Licht bzw. Beleuchtung und Innenraum-Luftqualität.“ Die Fassade als urbane Oberfläche sei maßgeblich für das Bauen der Zukunft und müsse immer in Verbindung mit der Interaktion mit dem Menschen stehen. Als zentrale Stellschrauben im Sinne der Nachhaltigkeit gelte es, den Energiebedarf von Gebäuden zu senken sowie die benötigte Energie günstig herzustellen und zu decken. Und zwar nicht nur im Neubau. Sedlbauer: „96 Prozent der Gebäude sind im Bestand – die Energiewende wird hier entschieden. Wir brauchen die Erhöhung der Sanierungsquote."