Megatrend Energieeffizienz contra kulturelle Werte Historische Fenster stehen unter Druck

Ist das historische Fenster im Baudenkmal noch zu retten? Dieser Frage sind die Fensterhandwerker Volker Marten und Frank Nischik nachgegangen. Über die Antworten berichtet GFF-Online.

In diesem Beispiel wurde der Fensterbestand mit "Wiener Sprosse denkmalgerecht" energetisch ertüchtigt. - © Marten

In Deutschland wird das historische Fenster laut Marten und Nischik nach wie vor immer wieder neuen Prüfungen unterworfen. Trotz aller Ausnahmeregelungen und Befreiungen von der Energieeffizienz und trotz des großen Einsatzes engagierter Denkmalpfleger sind historische Fensterbestände immer mehr von der Verdrängung durch neue Fensterkonstruktionen bedroht. Grund dafür ist nach Meinung der beiden Praktiker der Druck von EnEV und Industrie, auch in Denkmalgeschützten Gebäuden moderne, energieeffizientere Fenster einzusetzen. Dabei gehen traditionelle handwerkliche Fenster-Techniken und authentische Fensterkonstruktionen verloren.

Auf die Restaurierung spezialisiert

Marten und Nischik werden als Restauratoren historischer Fenster und Handwerksmeister bei den Handwerkskammern Wiesbaden und Koblenz geführt, sie sehen sich selbst allerdings als Fensterhandwerker, die sich auf die Restaurierung historischer Fenster spezialisiert haben. Unter dem Begriff Fensterhandwerker verstehen die Beiden das aus Schweden stammende Berufsbild eines selbständigen Restaurators historischer Fenster. Fensterhandwerker setzen historische Fenster mit traditioneller Handwerkskunst unter der Verwendung historischer Materialien wie Leinölfarben instand. Schwedische Fensterhandwerker entwickelten spezielle Geräte und neue Handwerksmethoden, die auch in Deutschland besonders im Rahmen der Denkmalpflege eine kostengünstige und substanzschonende Fensterinstandsetzung ermöglichen.

Fenster sind nur der Anfang

"Nach meiner Erfahrung werden unter den Augen der Denkmalbehörde, wertvolle oder erhaltenswürdige Fensterbestände der Energieeinsparung geopfert oder nachhaltig verschlimmbessert", sagt Marten. Durch die Entsorgung historischer Fenster werde die Authentizität, der Denkmalwert und sogar der Markt- und Immobilienwert von Baudenkmalen gesenkt. Laut dem Experten werden die Wertmaßstäbe für die Erhaltung historischer Fenster aufgeweicht und das habe den Verlust weiterer historischer Substanz zur Folge. Oftmals folgten Türen, Treppen, Fußböden und andere Bauteile den geopferten Fenstern in den Bauschuttcontainer. Dabei halten historische Fenster bei richtiger Pflege und Restaurierung 120 Jahre und länger. Da ist auch die Frage der Nachhaltigkeit solcher Lösungen zu bedenken, die angesichts Lösemittelfreier Leinöl-Farben, natürlicher Materialien und langer Nutzungsdauer positiv ausfällt. Bei der Sanierung historischer Gebäude sollte der Bauherr genau prüfen, ob er die historischen Fenster wirklich gegen moderne Varianten austauschen will. Denkmalschutz ist nicht nur Schikane von Behörden, sondern dient dem Erhalt kulturell wertvoller Bausubstanz und traditioneller Handwerkskunst. Aufgrund des fortschreitenden Verlustes werden die verbleibenden Originalbestände historischer Fenster den Wert der Denkmal-Immobilien nach Einschätzung von Marten und Nischik in Zukunft steigern.

Verdrängt die Attrappe das Original?

"Die so genannte Wiener Sprosse avanciert allmählich zum Feigenblatt einer falsch verstandenen Denkmalpflege, denn diese industriell hergestellte Attrappe eines Sprossenfensters gilt heute bei einigen Denkmalpflegern als denkmalgerechter Ersatz für historische Fenster", sagt Marten. Während historisch authentische Substanz, die sich über Jahrhunderte bewährt habe, für die Nachwelt für immer verloren geht, gebe dagegen niemand mehr als eine Gewährleistung von gerade einmal fünf Jahren auf die "Wiener Sprosse". Die Maßstäbe der Denkmalpflege in Bezug auf historische Fensterbestände sind grundsätzlich eindeutig:
•Bewahrung der historischen Substanz.
•Eingriffe und Hinzufügungen müssen reversibel und mit authentischen Handwerkstechniken und historischen Materialien erfolgen.
•Diese Eingriffe müssen auf das Notwendige beschränkt bleiben.
•Die Restaurierbarkeit muss erhalten bleiben.
•Das Urteil über den Wert der zur Diskussion stehenden Zustände und die Entscheidung darüber, was beseitigt werden kann, dürfen nicht allein von dem für das Projekt Verantwortlichen abhängen.
•Die Beiträge aller Epochen zu einem Denkmal müssen respektiert werden: Stileinheit ist kein Restaurierungsziel.

Wirtschaftliche Interessen

Weshalb werden historische Fenster, die wichtigsten Bauteile für das Erscheinungsbild von Baudenkmalen, immer wieder geopfert? Die Funktionalität und der Wert historischer Fenster im Altbau wird von vielen Fachleuten, wie Denkmalpflegern, Architekten und einigen Handwerkern weitgehend verstanden und wertgeschätzt. "Es gelingt der Lobby der Fensterhersteller und Glasindustrie dennoch, ihre kommerziellen Interessen mit Hilfe staatlicher Verordnungen durch die EnEV und staatlicher Förderung durch die KfW gegen die ursprünglichen Ziele des Denkmalschutzes durchzusetzen", glaubt Marten.

Es gibt noch Hoffnung

Seit 1999 restaurieren Fensterhandwerker auch in Deutschland historische Fensterbestände im Sinne des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Da jede Maßnahme auch im Baudenkmal im Sinne des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des Bundes nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot in Paragraph 5 Energieeinsparungsgesetz nachweislich wirtschaftlich sein muss, schöpfen Fensterhandwerker Hoffnung. Denn viele Denkmalpfleger, Architekten und Eigentümer von Baudenkmalen nehmen laut der Restauratoren nicht nur den Erhalt und die Pflege der ihnen auf Zeit überantworteten Baudenkmale ernst. "Auch die gewissenhafte und ehrliche Prüfung der bauphysikalischen Folgen und der langfristigen Wirtschaftlichkeit einer energetischen Ertüchtigung ist für viele Fachkundige ein entscheidendes Argument", berichten die Fensterhandwerker aus ihrer Praxis. Sie hoffen, dass die von der KfW bestellten „Energieberater für Baudenkmale“ mit ihrem „Fördersegment Effizienzhaus Denkmal“ bei der energetischen Sanierung von erhaltenswerter historischer Bausubstanz den satzungsgemäßen „Erhalt des baukulturellen Wertes der Gebäude“ und ihrer Bauteile ernst nehmen. Sanierung ist ein Begriff, der in keinem der 16 Gesetze zum Schutz der Kulturdenkmäler in den Bundesländern vorkommt. Er bezeichnet Maßnahmen, die eine qualitative Veränderung der Bausubstanz zum Ziel haben. "Historische Fenster sind nicht die Energielöcher der Baudenkmale, sondern sogar energetische Aktivposten, wenn man sie lässt", bekräftigen Marten und Nischik. Die Anpassung eines Baudenkmals an moderne Wohnansprüche könne und müsse reversibel gestaltet sein, zum Beispiel als inneres Vorfenster.