BF feiert Ankündigung, Fassaden zu modernisieren – aber gibt es die? Glas in New York – neu oder weg

Ende April wähnten diverse Leitmedien New Yorks Glasfassaden vor dem Aus, nachdem zuvor Demokraten-Stadtoberhaupt Bill de Blasio einen Green New Deal verkündet hatte. Im Mai jubelte der BF, der Big Apple wolle neue energetische Standards einführen – nach europäischem Vorbild.

It’s all over now, baby blue: Nicht in New York, aber auch ganz schön ist die Fassade des Lentos Kunstmuseums im oberösterreichischen Linz. - © Saint-Gobain Glass

Die Liste der Veröffentlichungen reicht von n.tv und Tagesschau bis hin zu Spiegel, Süddeutsche und Welt, die im Grunde mit der identischen oder sehr ähnlichen Zeile („New York will Glasfassaden verbieten“) die Meldung zum neuesten energiepolitischen Vorstoß von Bill de Blasio aufmachten. In den Texten steht genau das drin, was die Tagesschau in ihrer Onlineausgabe so zusammenfasst: „Schluss mit Glas für New Yorks Wolkenkratzer“. Was steckt hinter dem Begriff „Green New Deal“; den hat eigentlich de Blasios Parteifreundin Alexandria Ocasio-Cortez geprägt, die ARD-Korrespondent Kai Clement als „linke Demokratin“ bezeichnet. Sie zitiert damit Franklin D. Roosevelts New Deal, ein Maßnahmenpaket des damaligen US-Präsidenten zur Bekämpfung der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er-Jahren. „Ich beschimpfe Glas und Stahl“, ist der Bürgermeister im US-amerikanischen Fernsehen zu hören. Die gläsernen Wolkenkratzer seien „Monumente des Reichtums, schrecklich für die Umwelt“. Möglich, dass auch da die Green New Deal-Erfinderin eingeflüstert hat, der Mix aus Klassenkampf und Umweltschutz ist erprobt.

Am Ende läuft es auf verschärfte Bauvorgaben hinaus, was nichts Schlechtes ist. Auch wenn wir für die BF-Zeile „Wärmedämmung von Glasfassaden: New York will europäische Standards einführen“ auf Anhieb die Originalquelle nicht gefunden haben. Fachleute wie Yago Martinez, North America Business Development Manager von Interpane, griffen vor Ort in die Debatte mit Hinweisen ein (Beschichtungen, Dreifach-Verglasung, Edelgasfüllung zwischen den Scheiben), die grundsätzlich auch Politikern zugänglich wären, bevor sie mal einen raushauen. Was er künftig von Investoren solcher Objekte einfordern will, verkündete der Bürgermeister übrigens ausgerechnet im Trump Tower, wo der amtierende US-Präsident vor drei Jahren die eigene Kampagne um das höchste Amt im Staat ankündigte. Da ist es fast müßig, zu erwähnen, dass de Blasio Ambitionen in Richtung des Präsidentenamts nachgesagt werden.

Sehr differenziert ging der Deutschlandfunk mit der Meldung um, ließ Architekt und Historiker JØerg Himmelreich zu Wort kommen: „Man kann Glasfassaden mit den gleichen Dämmwerten herstellen, wie sie geschlossene Fassaden bieten. Das ist nur eine Frage der Ausführung.“ Kleine, schlanke Bürotürme würden interessanterweise ein sehr viel ungünstigeres Verhältnis von energetischem Aufwand zur Flächennutzung aufweisen, bringt Himmelreich einen weiteren Aspekt ins Spiel, der freilich dem partiell propagierten Downsizing eher widerspricht. Wie auch immer, in Hinblick auf die glastechnischen Eigenschaften moderner Fassaden birgt die Debatte für die Branche nichts Neues, die KollegInnen von USGlass haben im Leitartikel ihrer Juniausgabe auf die Möglichkeiten hingewiesen, GFF hat ebenfalls kommentiert (S. 3, 6/19). Die Frage, die am Ende bleibt, ist hauptsächlich die nach dem Imageschaden für den Werkstoff und die Industrie dahinter; die Rezipientenforschung weiß, dass die erste Botschaft hängenbleibt – Klimakiller Glas – nicht die nachgeschobenen Differenzierungen. Übrigens: Die 16-jährige Klimaaktivistin Greta Thunberg kommt auch bald in den Big Apple.

Auf Kreuzfahrt für den Klimaschutz

Im September findet dort der Klimagipfel der Vereinten Nationen statt. Dafür nimmt sie eine lange Anreise in Kauf, weil Sie ja – Sie wissen’s natürlich – nicht mehr fliegt. Und auch nicht mehr zur Schule geht: Wie „die Deutsche Presse-Agentur aus ihrem Umfeld erfuhr“, will sie sich laut Welt nun erst mal ganz dem Kampf gegen die Klimakrise widmen. Na, wenn das bei den Fridays for future Kids mal keine Schule macht. Unterm Strich bleibt der diffuse Verdacht, dass fast immer auch noch ganz andere Dinge im Hintergrund mitschwingen, wenn ganz laut über das Klima geredet wird. Bundesverband Flachglas-Geschäftsführer Jochen Grönegräs weist auf die Bestandsgebäude in Deutschland, Europa und den USA hin, Ersteres im Fließtext der vier Wochen nach der de Blasio-Meldung versendeten Pressemitteilung. Bis in die späten 1980er-Jahre seien in den Staaten (vielleicht auch in Asien; d. Red.) energetisch überholte Gläser verbaut worden, die wenig bis keine nenneswerte Wärmedämmung böten; dies sei auch von Wohngebäuden in Deutschland bekannt.

„Dazu kommen“, weiß der Verbandsgeschäftsführer, „noch all jene veralteten und nicht mehr zeitgemäßen Sonnenschutzgläser, wie sie unter anderem in den meisten Hochhäusern der USA verbaut sind.“ Diese seien von ihrer Energieeffizienz schlecht und bewirkten dadurch hohe und gleichzeitig „extrem klimaschädliche“ Kühllasten durch Klimaanlagen. Daraus folgert der Glasexperte: „Dass New York jetzt mit gutem Beispiel vorangeht, sehen wir durchweg positiv. Mit modernen Verglasungen in Form von Wärmedämmung beziehungsweise Sonnenschutzverglasungen ist vieles möglich und eine Modernisierung in der angedachten Form hilft dem Klima auf konsequente Art und Weise.“ So wurde aus dem, freundlich formuliert, Glasskeptiker Bill de Blasio ein Glasförderer. Debra A. Levy, Herausgeberin von USGlass, hat sich in ihrem Leitartikel dezidiert mit der vorgesehenen Regulierung beschäftigt; danach geht es erstmal um die Einführung einer neuen Behörde, genannt Office of Building Energy and Emissions Performance, sie nennt sie BEEP. An BEEP hätten die Gebäudeeigner künftig Berechnungen hinsichtlich der von ihrem Bau ausgehenden Emissionen zu richten, die online von der Behörde gesichtet würden. Dann folgten natürlich genaue Prüfungen und ggf. Sanktionen.

Stadt nimmt eigene Immobilien aus

Es läuft aber nicht nur auf die gewohnte Konsequenz der meisten Vorschläge aus dieser Richtung hinaus, nach dem Motto „Mehr Bürokratie wagen“. Eine solche Institution kann im Missbrauchsfall ein nützliches Instrument sein, politische Gegner kaltzustellen, mal abgesehen von Aspekten wie dem Datenschutz und einer Heerschar benötigter Kontrolleure. Spannend ist zudem, dass nach den Recherchen der Kollegin der Bürgermeister viele Ausnahmen zulässt, darunter – oh, Wunder – neben Produktionsgebäuden und Immobilien, die Glaubensgemeinschaften gehören, sämtliche Gebäude im Eigentum der Stadt New York. Spätere Generationen werden einst zu bewerten haben, ob und inwieweit Klima- und Umweltschutz in diesen Jahrzehnten tatsächlich vorangekommen sind. Denn das Ballyhoo, das ganz unterschiedliche Interessensgruppen um das Thema veranstalten, ist beträchtlich – die Auswirkungen sind es auch. Klar ist, dass oft vom vorgeschobenen, hehren Ziel nicht viel bleibt, wenn man Wirtschaftsförderung und Wahlkampf, Hedonismus und Eitelkeit abzieht. Der weltberühmten Skyline am Hudson River wird all das wahrscheinlich wenig anhaben, Städtebau ohne Glas ist eine Illusion.