Sitzung des Arbeitskreises Technik im GFF Baden-Württemberg Fensterbauer diskutieren das Problem Wohnungslüftung

Auf der Sitzung des Arbeitskreises Technik (AKT) im Fachverband Glas Fenster Fassade Baden-Württemberg am 9. November 2010 diskutierten 20 Experten das Reizthema Wohnungslüftung.

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Lüftungskonzept (pdf, 9 MB)

Als Gastreferent hatte der Leiter des AKT und der Technischen Beratung im Fachverband GFF, Dipl.-Wi.-Ing. Reiner Oberacker, den Verkaufsleiter des Hauses Aereco, Bernd Wippo, eingeladen. Das Thema lautete: Lüftungsanforderungen und die Lösung mit Aereco-Fensterlüftern. Der Referent stellte mit der bauaufsichtlich eingeführten DIN 18017-3 zur Zwangslüftung innen liegender Räume und der noch relativ neuen DIN 1946-6 „Wohnungslüftung“ das normative Umfeld nochmals dar. Insbesondere bildet die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 mit einer „bedarfsgeführten geregelten Lüftungsanlage" im Referenzgebäude eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich. Und die DIN 18017-3 setzt zum Beispiel voraus, dass „ein dem Abluftstrom entsprechender Außenluftstrom über Undichtheiten in der Gebäudehülle und ggf. über Außenluftdurchlässe (ALD) nachströmen kann“.

Da die Fenster und auch die Gesamtgebäude in den vergangenen Jahren zunehmend dichter geworden sind, erfahren die Außenluftdurchlässe, speziell die im und am Fenster, derzeit einen gewaltigen Boom. Damit stellt sich auch die Frage, ob die Luftnachströmung durch Infiltration ausreicht oder ob zusätzliche ALD eingesetzt werden müssen. Dies stellt bereits direkt einen Bezug zu der 2009 grundlegend überarbeiteten DIN 1946-6 her. In dieser Norm zur Wohnungslüftung wird – wie in der Zwischenzeit doch schon vielfach bekannt der Lüftungsanteil zum Feuchteschutz unabhängig vom Eingreifen des Nutzers gefordert. Ein Öffnen der Fenster darf dazu nicht mehr vorgesehen werden. Außerdem ist für alle Neubauten und für solche Altbauten (die Norm spricht von Nutzungseinheiten NE) ein Lüftungskonzept zu erstellen, bei denen der Bauherr mehr als ein Drittel der Fenster austauschen lässt. Ein Lüftungskonzept stellt die Notwendigkeit lüftungstechnischer Maßnahmen (LtM) fest und wählt ein geeignetes Lüftungssystem aus.

Wann ist ein Lüftungskonzept nötig? Die DIN 1946-6 enthält zu der Frage, ob es eines Lüftungskonzepts bedarf, jedenfalls viele Formeln und Angaben zu den dafür erforderlichen Betrachtungen. Dabei spielen z.B. die Lage des Objekts ebenso eine wichtige Rolle wie dessen Größe und Bauart (ein-oder mehrgeschossig, niedriger oder hoher Wärmeschutz, Gebäudedichtheit). Die Vorgaben der Norm, welche über die Feuchteschutzlüftung hinaus weitere Lüftungsstufen enthält – reduzierte Lüftung, Nennlüftung sowie Intensivlüftung (dabei wieder mit möglichen Eingriffen des Nutzers) – könnte der Anwender bereits mit dem Taschenrechner umsetzen. In Zeiten der vielfältigen EDV-Anwendungen gibt es dafür aber auch vergleichsweise einfach einsetzbare Tools, also kleine Rechenprogramme. Das bekannteste Programm stellt der Fachverband Wohnungslüftung zur Verfügung. Aber auch die Firmen Aereco und Aluplast und das ift Rosenheim bieten entsprechende Softwarelösungen an. Ergibt die Berechnung, dass die Infiltration (über Gebäudeundichtheiten) größer ist als der Luftvolumenstrom zum Feuchteschutz, hat sich die Sache erledigt: keine Maßnahmen erforderlich. Im anderen Fall sind lüftungstechnische Maßnahmen (LtM) notwendig. Diese muss der Planer dann bedarfsgeführt kalkulieren.

Das heißt nichts anderes, als dass der Luftvolumenstrom dem Bedarf anzupassen ist. Zu den Führungsgrößen zählen: Gerüche, VOCs als flüchtige organische Verbindungen, Kohlendioxid (CO2 ) und Luftfeuchtigkeit. Eine durch eine solche Führungsgröße bedarfsgeführte Lüftung soll dafür sorgen, dass die richtige Luftmenge zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Praktische Lüfterlösungen Referent Bernd Wippo stellte die Möglichkeiten der Gestaltung von Lüftungsanlagen vor, wobei er die ideale Ausführung in einer zentralen Abluftanlage mit Lüftungskanälen und Ventilator samt Zuluftgeräten von Aereco sieht, die der Verarbeiter in Fenster oder auch Rollladenkästen einbaut. In einer abgespeckten Version können die Geräte auch als Zu- und als Abluftgeräte eingesetzt werden, wenn etwa Fenster an zwei gegenüberliegenden Gebäudeseiten vorhanden sind und natürliche Druckunterschiede genutzt werden können. Die durchgelassene Luftmenge regeln im Fall von Aereco-Geräten ohne Verkabelung und elektrischen Antrieb spezielle Hygro-Sensoren, wodurch eine speziell dem großen Problem der Raumluftfeuchte angepasste und sehr energiesparende Lüftung zum Feuchteschutz gegeben ist.

Die Materialkosten für ein Gerät zum Einbau in neue Fenster liegen bei zirka 60 Euro. Gemessen an den Problemen, die man sich damit hoffentlich erspart, ist das ein sehr günstiger Preis. Mit dem Falzlüfter Basic Air Plus, den die Firma Aluplast anbietet, präsentierte Dipl.-Ing. (BA) Arno Bender eine wesentlich einfachere Lösung mit Fensterlüftern. Diese mit einer Reihe von Fräsungen in den Fensterfälzen und ggf. Unterbrechungen der Dichtungen einsetzbaren Außenluftdurchlässe reagieren auf hohe Druckunterschiede und begrenzen durch dann schließende Regelungsklappen den Luftvolumenstrom. Für solche Vorrichtungen liegen sehr gute Erfahrungen vor, selbst wenn die kleinen Geräte als Abluftelemente dienen. Bei sehr niedrigen Außentemperaturen wurde aber auch schon Eisbildung am äußeren Rahmenüberschlag festgestellt. Als Zwischenergebnis einer aus dem AKT zusammen mit dem Arbeitskreis Bauphysik gebildeten Arbeitsgruppe stellte Reiner Oberacker den Entwurf eines GFF-Lüftungsmerkblatts vor.

Dieses Papier soll in einer sehr prägnanten Darstellung die Lüftungsproblematik und die wichtigsten Punkte, speziell auch als Argumentationshilfe für das Kundengespräch, zusammenfassen. Dabei wird ebenfalls auf das Planungstool Lüftungstechnik auf der Website www.wohnungslueftung-ev.de hingewiesen. Darüber hinaus werden aber auch eigene Betrachtungen angeregt und mit wenigen Formeln aus der DIN 1946-6 hinterlegt. Praxisbeispiele für zwei Wohnsituationen zeigen, dass selbst eigene Berechnungen zu den Fragen, ob LtM erforderlich sind und welche Luftvolumina sie zu erbringen haben, kein Hexenwerk sind. Ein Tabellenauszug aus der ift-Richtlinie „Fensterlüfter – Teil 2: Empfehlungen für die Umsetzung von lüftungstechnischen Maßnahmen im Wohnungsbau“ ermöglicht sogar eine Schnellanalyse zur ersten Einschätzung. Die Hilfsmittel sollen und können keine vollständige Lüftungsplanung ersetzen.

Daran entzündete sich eine sehr engagierte Diskussion. Geäußert wurde die Sorge, die Fensterbauer könnten mit der Thematik überfordert sein und dadurch neue Risiken eingehen müssen. Andere Teilnehmer plädierten dafür, sich neuen Aufgaben und Herausforderungen zu stellen. Insbesondere hielten sie es für wichtig, die Firmen zu informieren und zu sensibilisieren, da die Norm – derzeit als Stand der Technik – im Raum steht und Anforderungen stellt. Vertiefende Informationen dienen der Absicherung der Fensterbauer hinsichtlich des nicht immer rational erklärbaren Verhaltens von Wohnungsnutzern. Da die klare Position dahin geht, das „Thema Lüften beim Fenster zu halten“, kann das nur bedeuten, sich zu informieren und schulen zu lassen. Damit verwerten Fensterbauer die Steilvorlage durch eine Erweiterung des eigenen Angebots – und Umsatzes. Restrisiko ESG-H Unabhängig davon ging es nochmals um den U-Wert geneigt eingebauter Verglasungen, um spezielle Probleme bei Dreifachwärmedämmglas und um ESG beziehungsweise ESG-H. Hierzu wies Dipl.-Ing. (FH) Eberhard Achenbach darauf hin, dass ESG-H der deutschen Bauregelliste zu entsprechen hat und z.B. das nach der europäischen

Norm DIN EN 14179 ebenfalls heißgelagerte ESG mitnichten dem deutschen ESG-H entspricht. Bei ESG-H kann man nach Aussage des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbands Flachglas, Jochen Grönegräs, entsprechend neuesten Forschungsergebnissen von einem Restrisiko des Versagens aufgrund von Nickelsulfideinschlüssen von eins zu einer Million bis zu eins zu zehn Millionen im Jahr ausgehen. Derart geringe und allgemeine Risiken bestehen aber bei anderen Bauteilen ebenfalls, weshalb dann keine Bedenken- und Hinweispflicht bestehe. Reiner Oberacker stellte dem AKT die brandneue „Gemeinsame Richtlinie: Anschlüsse an Fenster und Rollläden bei Putz, Wärmedämmverbundsystem und Trockenbau“ mit Blick auf die wesentlichen Änderungen im Vergleich zur Erstausgabe 2005 vor. Aus der Sicht der Fensterbauer gibt es einige neue Aufgaben, aber auch Klarstellungen und Erleichterungen. Dazu äußerten die Teilnehmer großes Lob für das Gesamtwerk und die ersten Anregungen für die nächste Überarbeitung. Ferner gab es Infos zur europäischen Bauproduktenverordnung, die als unmittelbar geltendes Recht die bisherige Regelung und damit das deutsche Bauproduktengesetz ablösen und einige Vereinfachungen bringen soll. Ein Inkrafttreten ist nicht vor 2013 zu erwarten. Erwähnenswert ist ebenso die Arbeit an einer „Checkliste: Klassifizierung und Auswahl von Fenstern“, die auf mehrere Anfragen an die technische Beratung im Fachverband GFF zurückgeht. Damit soll in Anlehnung an die Produktnorm Fenster und die kommende DIN 18055 „Anforderungen an Fenster“ mittels Regelmerkmalen eine Hilfestellung für die Kundeberatung angeboten werden.