Rainer Taig – ein Unternehmerporträt (II) Endlich selbstständig, 1991 bis 2014: Aufbauarbeit bei Wertbau

„Wir brauchen keine Konsolidierung“, sagt der 68-Jährige, dessen linker Fuß beim Aussteigen bereits die Erde berührt, obwohl das Coupé aus Untertürkheim noch nicht vollständig zum Stehen gekommen ist. Diese Dynamik lässt sich an der Entwicklung seines Unternehmens ablesen.

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    Hier arbeitet der Chef noch selbst: Rainer Taig mit Sohn Stefan und Prokurist Eckart Hander beim Beladen eines der Wertbau-Kombis am Standort Greiz-Gommla (v.re.)
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    Danke für die Blumen: Ingolf Reichert gratuliert der Chef zur 20-jährigen Firmenzugehörigkeit.
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    Zeitreise: Im Gebäude links war zunächst der VEB Gebäudewirtschaft untergebracht, ehe dort ab August 1990 die ersten Wertbau-Fenster in Produktion gingen. Rechts, wo heute der Thüringer Roster regiert, war damals Taigs erstes Profillager.
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    Von wegen lange Leitung: Während Firmengründer Rainer (re.) nur noch fürs GFF-Foto zum alten Siemens-Knochen aus den 90er-Jahren greift, funkt Sohn Carsten ohnehin auf der gleichen Wellenlänge.

„Dann mach du das halt“, hält dem damaligen Gealan-Prokuristen Rainer Taig einer der noch dem postsozialistischen Rat des Kreises unterstehenden Gesellschafter der von ihm aufs Gleis gesetzten Wertbau Elemente GmbH entgegen. Taig, der von sich selbst sagt, er werde erst richtig wach, wenn ihm der Wind ins Gesicht blase, kämpft mit sich. „Da kann einem niemand helfen, da muss man selber durch“, erinnert er sich an die Entscheidungsfindung. Nach zwischenzeitlich kurzem Zurückrudern – sein früherer Arbeitgeber lehnt die Rückabwicklung der Kündigung ab – sind die Würfel gefallen.

Taig ist „nur noch auf dem Weg“, wie er selbst formuliert. Der Amerikaner würde sagen: He’s a man on a mission. Mitten in Greiz, wo heute eine in Anbetracht des Bevölkerungsschwunds desillusionierte Versicherungsmaklerin ihr Büro hat, steht sein erster Schreibtisch als Unternehmer. Daneben sind in einem nicht viel größeren Raum die Mini-Ausstellung und die Buchhaltung untergebracht; ein Katzensprung entfernt produzieren die vormaligen VEB-Leute, anfangs fünf an der Zahl, die ersten Wertbau-Fenster. Für den frischgebackenen Betriebsinhaber, der seine Kunststoffprofile beim langjährigen Arbeitgeber Gealan bezieht, ist klar, dass das nur eine Zwischenstation sein kann. Gerade mal 15 Monate, nachdem er den volkseigenen Betrieb für 100.000 DM vom überschaubar kooperativen Rat des Kreises abgelöst hatte, läuft die Produktion am neuen, 2.200 Quadratmeter großen Standort Greiz-Gommla schon an.

In dem Tempo geht es weiter: Nach neun Monaten wird’s eng, die Produktionsfläche wächst um ein weiteres Drittel. Bis zum Status quo mit heute 32.000 Quadratmeter und einer Kapazität von 500 Holz- bzw- Holz/Alu- sowie 1.000 PVC-Fenstern pro Tag und dem Segment Aluminium-Haustüren bzw. Pfosten-Riegel-Fassaden fürs Objektgeschäft sowie eigener Pulverbeschichtung und nach industriellem Standard automatisierten Fertigungsabläufen sollte ein Gesamtinvest in Höhe von 65 Millionen Euro auflaufen – in noch nicht mal 25 Jahren; das dürfte in der Branche den Spitzenplatz in Sachen Dynamik bedeuten.

Doch Taig, dieses Energiebündel, der längst mit den eigenen Söhnen Carsten (Geschäftsführer) und Stefan zusammenarbeitet (O-Ton: „Es ist genug für alle da, und zwar genug Arbeit“), kennt kein Innehalten. Explizit und wohl auch mit Blick auf die getätigten Investitionen stellt er heraus: „Wir brauchen keine Konsolidierung.“ Schließlich entscheide sich binnen der nächsten fünf Jahre, wer im deutschen Fenstermarkt künftig die Nase vorn habe.

Visionär, kein Traumtänzer

Wo sich Wertbau hier positionieren soll, daran lässt der Herzblut-Unternehmer bereits anlässlich der Feier zum fünfjährigen Bestehen keinen Zweifel. Allen Ernstes lässt er schon 1995 den Pokal für das große Vierteljahrhundert-Jubiläum 2015 gravieren und formuliert zum 25-Jährigen das Ziel, bis dahin im Markt der Fensterhersteller ganz vorn zu sein. Mit heute 40 Millionen Euro Umsatz und mehr als 300 Beschäftigten ist Taig mit rein organischem Wachstum dem Anspruch nahegekommen, auch wenn die Weru, Haas und Hilzinger voraus sein dürften. Bei all den Erfolgen ist Rainer Taig, der Landwirtssohn, „immer auf Sicht gefahren“, wie er formuliert. Das bedeutet: Investiert wird nur, wenn Geld da ist, der heute 68-Jährige ist Visionär, kein Traumtänzer.

Das gilt auch schon, als der gebürtige Oberfranke 1995 einige Kilometer von Gommla entfernt am Daßlitzer Kreuz in Langenwetzendorf eine Fläche von 35.000 Quadratmeter erwirbt; zuvor hatte Taig, der bis dahin nur mit PVC im ostdeutschen Markt unterwegs war, sich entschieden, auf die Kunststoff-Aktivitäten westdeutscher Holzfensterbauer zu reagieren und selbst im Gegenzug Elemente aus dem natürlichen Rohstoff herzustellen. Wenn er heute, 20 Jahre später, berichtet, wie die Lieferanten damals kolportiert hätten, es lohne eigentlich nicht mehr, Wertbau ob der offenbar von Größenwahn gekennzeichneten Fehlinvestition und der absehbaren Pleite weiterhin anzufahren, dann kann der 68-Jährige seine Kränkung nicht ganz verhehlen. Dabei hat er die Kritiker nun wirklich eindrucksvoll widerlegt. Nüchtern analysiert Taig, der geografisch nahe dran ist, während andere die vermeintliche Invasion aus dem Osten beklagen: „Die Produkte werden sich immer ähnlicher. In Zukunft wird es noch mehr darum gehen, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.“ Tatsächlich lässt sich Sohn Stefan Taig, ein diplomierter Sonderpädagoge, aktuell für das Insights-Verfahren zur Analyse des Persönlichkeitsprofils schulen. Grob gesagt, werden Menschen dabei durch die Beantwortung mehrerer Dutzend Fragen einem durch Grundfarben gekennzeichneten Typus zugeordnet. Natürlich ist das kein Selbstzweck, Taig senior plant, das stylische Tool am Ende den wichtigsten Wertbau-Fachpartnern zur Verfügung zu stellen. Nach dem Motto: Sag mir, wer du bist. Und ich sage dir, welches Fenster zu dir passt. Rainer Taig ist übrigens der rote Typ: dominant, durchsetzungsstark, straight. Na, dafür hätte man keine Schulung gebraucht.