Rainer Taig – ein Unternehmerporträt (I) Die frühen Jahre, 1979–1990: Aufbauarbeit bei Gealan

Rainer Taig hat mit seiner Firma Wertbau aus dem Nichts ein Fensterbauunternehmen mit heute 40 Millionen Euro Umsatz geschaffen. Sein Handwerkszeug lernte der akribische Arbeiter, der sich nicht zu Unrecht als „dominant“ einstuft, bei Gealan.

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    Old boys connection reloaded: Rainer Taig mit seinem alten Team, bestehend aus Georg Kaiser (li.), Leiter Innendienst Gesamtvertrieb, und dem langjährigen Gealan-Chefkonstrukteur Helmut Frehse (re.), heute als selbstständiger Berater für den Profilgeber tätig
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    Taig über Taig: „Wenn die Muster nichts getaugt haben, bin ich zur Sau geworden.“ Bis heute lagert der oberfränkische Acrylcolor-Erfinder alle Systeme in einer Art ­Archiv, für GFF kehrte Taig dorthin zurück.

Helmut Frehse erlebt in Kassel, was man sich unter einer unbeschwerten Studentenzeit vorstellt. Als es den jungen Ingenieur im Anschluss 1984 von Mitteldeutschland ins oberfränkische Grenzgebiet zur damaligen CSFR verschlägt, steckt die für Gealan prägende Koextrusion (Taig: „Mit Ausnahme von Trocal kann das bis heute kein anderer“) aus PMMA und PVC – Stichwort: Acrylcolor – noch in den Kinderschuhen. Frehse, der später bekanntlich zum Geschäftsführer und sogar Gesellschafter des Unternehmens aufsteigt, trifft in den 80er-Jahren erstmals auf den 1979 eingestellten Rainer Taig – und muss „schwer schlucken“, wie er sich bis heute lebhaft erinnert. Ihm gegenüber sitzt in den ersten Besprechungen ein Vertriebler, bereits knapp 40 Jahre alt, der das Arbeiten in der elterlichen Landwirtschaft gelernt und berufliche Stationen wie Viessmann oder Daimler Benz in der Vita stehen hat. Taig, im oberfränkischen Helmbrechts aufgewachsen und als sog. Ing. grad. (aufgewertet von der Hochschulreform zum Dipl.-Ing. FH) für den Innendienst Norddeutschland eingestellt, liebt Organisationsstrukturen und implementiert bei Gealan, wo er sehr zügig an die Spitze des Vertriebs aufrückt, was man heute Managementabläufe nennt.

Der klassische Aufsteiger scheut sich weder, die Wiedervorlage-Organisation des ihm zunächst vorangestellten Prokuristen, eines Bankkaufmanns, zu übernehmen; noch davor, die HelfRecht-Lösungen für innerbetriebliche Abläufe, die er bei früheren Arbeitgebern kennen lernt und die für die damalige Zeit sehr fortschrittlich sind, für seine Tätigkeit bei Gealan zu adaptieren. Dabei geht es im Kern darum, sich selbst und das Arbeitsfeld so zu organisieren, dass durch einen effizient gesteuerten Workflow bei geringer Fehlerquote Freiräume entstehen, die sich für die Entwicklungsarbeit nutzen lassen.

Denn auch dies prägt, so erinnert sich Frehse, Taigs frühe Jahre in der Fensterbranche – und seine eigene Anfangszeit bei Gealan: „Wir haben oftmals endlos diskutiert, das hat in diesem Team viel Spaß gemacht. Deshalb ist das für mich heute noch eine tolle Firma, in der Reden, Visionen, Gedanken zur Kultur gehören.“ Freilich, es ist auch eine spannende Epoche damals: Nachdem das Unternehmen von Theo Fickenscher, dem Sohn von Gründer Adam, und andere in den 60er-Jahren, letztlich durch ein Abfallprodukt der chemischen Industrie, wie die Jungfrau zum Kind zum Rohstoff PVC gekommen waren, ist das State of the art-Profil zu der Zeit ein Dreikammern-System mit 62 Millimeter Bautiefe. Mit seiner Truppe – Frehse und ihn verbindet außer den langen Brainstormings die gemeinsame Bearbeitung von Schlüsselkunden – bereitet der Ehrgeizling Taig, den Frehse, zunächst Konstrukteur und bald verantwortlich für die Arbeit an den Produkten und die AWT, „korrekt“ nennt, den Eintritt in neue Märkte vor, stößt Projekte an und überwacht deren Fortgang.

Dass Letzteres bisweilen an der Grenze zur Pedanterie angesiedelt ist, lässt die Schilderung von Georg Kaiser erkennen, der als Einziger des Trios bis heute Angestellter von Gealan und inzwischen Leiter des Innendiensts Gesamtvertrieb ist: „Ich bin damals als Abiturient in die Firma eingetreten und habe gestaunt, als ich 1985 Rainer Taig kennen lernte.“ Der scheint sogar die Anordnung von Unterlagen und Prioritäten auf seinem stets blitzsauber aufgeräumten Schreibtisch einem geheimen Koordinatensystem unterworfen zu haben; erst auf Nachfrage gesteht der Getreue, von Taig persönlich eingestellt, das als junger Mann „als nervig“ empfunden zu haben. Dennoch ist Kaiser regelrecht geschockt, als der, der immer vorangegangen war, kurz nach der Wiedervereinigung Gealan den Rücken kehrt. Helmut Frehse hat das kommen gesehen, versichert er, der heute seinen langjährigen Arbeitgeber technisch berät, glaubhaft.

„Dann mach Du das halt“

Tatsächlich ändert sich für Taig vieles, als mit Roland Fickenscher sein neuer, junger Chef den Vertrieb nach eigenen Vorstellungen neu ordnet. Der Wahl-Thüringer, der Gealan bis heute als Kunde treu ist, fühlt sich bald eingeengt. Beim Treffen mit GFF an der ehemaligen Wirkungsstätte unterstreicht Helmut Frehse, dass der inzwischen 68-Jährige Spuren in Oberkotzau hinterlassen hat. „Wenn man mal was vergessen hatte, dann war das echt ein Scheißsystem, Rainer“, sagt er mit einem Lächeln; um sofort hinzuzufügen: „Das war keine einfache Schule, aber ich habe viel von dem Rainer Taig gelernt.“

Der sieht sich der schwierigsten Entscheidung seines Lebens gegenüber, als nach der Wende ein von ihm als Gealan-Betrieb sowie bereits unter dem Namen Wertbau Elemente GmbH in Greiz neu aufgestelltes Unternehmen auf Weisung des offenbar noch sozialistisch geprägten sog. Rats des Kreises die Aktivitäten wieder einstellen soll. Einer der Gesellschafter sagt zu Taig: „Dann mach Du das halt.“