HGV an der Fassade Aussteifung um den Faktor fünf verbessert

Holz-Glas-Verklebungen (HGV) übernehmen statische Funktionen und ermöglichen schnelle Baufortschritte. Der Autor Jörg Pfäffinger berichtet über aktuelle Forschungen, um das System schlanker und gleichzeitig belastbarer machen.

Das Schulungs- und Logistikzentrum von Otto Chemie in Fridolfing verfügt über eine 45 Meter lange und zehn Meter hohe HGV-Fassade von Uniglas, mit abwechselnd weißen Fassadentafeln und Sonnenschutzglas. - © Otto-Chemie

Fenster in großen Formaten, die zusätzlich eine teilweise Aussteifung von Gebäuden beinhalten und schnell zu montieren sind, eröffnen neue Möglichkeiten für die Fassadengestaltung. Diese meist raumhohen Glaselemente sind mit einer umlaufenden Koppelleiste aus Birkenfurniersperrholz verklebt und werden mit dieser einfach auf eine vorhandene Pfosten-Riegel-Konstruktion aufgeschraubt. Am Markt sind diese Elemente als Holz-Glas-Verklebungen (HGV) bekannt. Sie übernehmen einerseits statische Funktionen und garantieren andererseits einen schnellen Baufortschritt. Das ermöglicht Fassadenkonstruktionen, welche bisher oft nur vom Stahlbau geleistet wurden.

Ein zertifizierter Glasverarbeiter liefert die Elemente passgenau, die später auch einzeln austauschbar sind. In Deutschland ist Uniglas dafür der Partner, dessen System Facade vom DIBt die Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) für nicht tragende Fassaden erhalten hat. In Österreich ist Petschenig Glastec der Anbieter. Mit dem System Fasco bietet Knapp ein HGV-System mit GFK-Leisten anstelle des Holzes an, welches bis jetzt allerdings keine AbZ vorweisen kann.

Vom Fenster zur Fassade

Die ersten Forschungen zu HGV begannen im Jahr 1997 an der Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau in Biel. Damals ging es um die Optimierung von Holzfenstern durch die Technologie des Verklebens. Mit der Kooperation der Holzforschung Austria (HFA) in Wien mit dem deutschen Klebstoffhersteller Otto Chemie wurde in den folgenden Jahren das Thema Verkleben um die Frage erweitert, in welchem Umfang sich die Statik von Holzfenstern verbessern lässt. Die Institute erforschten in Zusammenarbeit mit der TU Wien und Industriepartnern, ob sich Holz-Glas-Verklebungen (HGV) für den Bau von Fassaden einsetzen ließen.

Hohe Verformung bei geringer Last

Das Institut für Architekturwissenschaften, Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau der TU Wien forscht weiter zum Thema HGV. „Bei unserer aktuellen Arbeit geht es um das Langzeitverhalten der Verklebung und um ein nach Eurocode abgesichertes Sicherheitskonzept“, sagte der inzwischen emeritierte Prof. Wolfgang Winter im Jahr 2016. Und Peter Schober von der HFA führte aus: „Wir haben ursprünglich mit HGV ein System entwickelt, bei dem die Glasscheiben aufgeklebt werden und die einwirkenden Kräfte über eine reine Schubverklebung abgetragen wurden.“ Dabei gebe es die Einschränkung, dass bei bereits relativ geringen Lasten hohe Verformungen auftreten und sich das Leistungsniveau der Verklebung gar nicht ausnutzen lässt. „Unser einschränkender Faktor war also die Verformung des bisherigen HGV-Elements“, ergänzte Schober. „Wir könnten das aber konstruktiv so verändern, dass wir höhere Lasten übertragen können.“ Genau dort setzt Prof. Winter an. Zusätzlich zur bisherigen Verklebung soll eine Art flüssiger Verklotzung angebracht werden. Diese lässt das Glas am Rahmen bzw. an der Koppelleiste anstehen. Daraus ergebe sich eine um den Faktor fünf verbesserte Aussteifung, wodurch sich deutlich mehr Lasten als durch die bisherige reine Schubverklebung übertragen lassen.

Verklotzung verbessert Aussteifung

Wie das in der Praxis aussieht, zeigte 2016 ein Bruchtest an der TU Wien. Ein acht Meter langer Doppel-T-Träger aus Buche mit Mittelsteg aus Glas wurde mit 30 Tonnen belastet. Das Resümee von Prof. Winter: „Die Argumente für das neue, überaus belastbare HGV-System sind griffig. Es ist leistungsfähiger und damit wirtschaftlicher.“ Dazu benötige es weniger Material, schlankere Bauweisen seien realisierbar. Infolgedessen sei die effiziente Flüssigverklotzung erforderlich. Parallel dazu laufen Forschungen zur Flüssigverklotzung an der Berner Fachhochschule, was diverse Neuentwicklungen für Fenster und Fassaden in Aussicht stellt.