Was ist aus der vermeintlichen Lösung des Gewichtsproblems geworden? Gesucht – Heat Mirror: GFF hat Spuren gesammelt

Vor einigen Jahren weckten Hersteller mit einer Folie statt der dritten Scheibe in Isoliergläsern Hoffnungen bei Fachbetrieben, die höheren Gewichte durch Standard-Dreifach-Isoliergläser zu vermeiden. GFF zeigt, wie sich die Heat Mirror-Technologie und Alternativen entwickelt haben.

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    © Patric Hachtel/Helmut Hachtel
    Anstelle einer dritten Scheibe sorgt bei Heat Mirror in der Mitte eine Folie für Wärmedämmung und Sonnenschutz – besonders attraktiv bei Überkopfverglasungen.
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    © Patric Hachtel/Helmut Hachtel
    Heat Mirror spart das Gewicht der dritten Scheibe und weist im Vergleich zu Dreifach-Iso einen gleichwertigen oder besseren U g -Wert auf.
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    Für die Verarbeitung von zwei Millimeter dickem Dünnglas liefert Lisec die passende Technik, hier die Anlage bei Energy Glas.
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    Der Frame Applicator von Bystronic Glass ermöglicht eine präzise Rahmenpositionierung bei der automatisierten Heat Mirror-Produktion.

Das Prinzip der Heat Mirror-Technologie basiert auf der Idee, statt einer zusätzlichen Glasscheibe eine beschichtete Folie in den Scheibenzwischenraum (SZR) zu integrieren. Ursprünglich hatten US-amerikanische Firmen die Beschichtung Heat Mirror auf Folie zur Abschirmung gegen Strahlung für den Einsatz in Weltraumfahrzeugen entwickelt. Im Gebäudeeinsatz in den USA spielte zunächst die Sonnenschutz-Funktion die wichtigste Rolle, bevor dort Wärmeschutz-Schichten auf dem flexiblen Material die Wärmedämmung von Isoliergläsern verbesserten. 1992 eröffnete der Entwickler Southwall in Belgien ein Verkaufsbüro für Heat Mirror in Europa und dem Mittleren Osten. Der deutsche Glashersteller Glasfischer kaufte 1994 vom US-Unternehmen Southwall die Lizenz für die Verarbeitung der Heat Mirror-Folien und begann 1995 mit der Einbindung der Technik in die Produktion.

In Zusammenarbeit mit Kömmerling Chemische Fabrik sowie Southwall entwickelte Glasfischer das Isolierglassystem Thermur HM mit Heat Mirror-Folie, um so die Anforderungen der DIN 1286 zu erfüllen. Im Fall des Dreifach-Isolierglases Thermur HM wählt der Kunde zwei in Dicke sowie Oberfläche variable Scheiben für die Außen- und Innenseite. Der Hersteller spannt in den Scheibenzwischenraum (SZR) eine beschichtete Folie. Argon oder Krypton im SZR verbessern die Wärmedämmfunktion. Die mit Wärme- oder Sonnenschutzschichten ausgerüsteten Heat Mirror-Folien kombiniert der Produzent mit allen beschichteten oder unbeschichteten Gläsern. Je nach Kombination erreicht der Fachmann damit unterschiedliche Glasaufbauten. Die Breite des SZR variiert zwischen zwei mal sieben und zwei mal 15 Millimeter. In Deutschland lieferten Schollglas Heat Mirror-Lösungen mit Ug-Werten von 0,4 und Glasfischer beim Einsatz zweier Folien von 0,3 W/m2K. Im Vergleich zu Standard-Dreifach-Iso mit drei vier Millimeter dicken Gläsern spart sich der Anwender ein Drittel des Gewichts. Beim Einsatz von Dünngläsern fällt die Einsparung in Kilogramm geringer aus. Verglichen mit Vierfach-Isolierglas erreicht die Gewichtsersparnis durch den Einsatz von zwei Folien bis zu 50 Prozent. Der Sonnenschutz entspricht nach Angaben von Verarbeiter Glas Hachtel einer Verglasung mit Ug = 1,1 W/m2K in Kombination mit einer Markise.

Hersteller in Deutschland

In der Zwischenzeit wechselte die Technologie den Eigentümer: 2011 kaufte das Unternehmen Solutia den Folienentwickler Southwall, bevor der US-amerikanische Chemiekonzern Eastman Chemical Company 2012 Solutia und damit auch Southwall übernahm. Die 1999 gegründete Southwall Europe produziert in Großröhrsdorf bei Dresden die Heat Mirror-Folien. Schollglas hat die Fertigung von Isoliergläsern mit Heat Mirror-Technologie eingestellt, wollte sich zu den Hintergründen auf Nachfrage von GFF aber nicht äußern. Aktuell fertigt in Deutschland nur Glas Hachtel (Helmut Hachtel GmbH) Isolierglas mit der Folie anstelle der dritten Scheibe. Das Unternehmen übernahm 2013 die Isolierglasfertigung mit Heat Mirror-Folie von Glasfischer, nachdem sich Firmenchef Karl H.C. Fischer in den Ruhestand zurückgezogen hatte. Geschäftsführer Patric Hachtel engagierte die komplette Heat Mirror-Belegschaft von Glasfischer, die die 28 Arbeitsschritte zur Fertigstellung einer solchen Scheibe seit Jahren beherrscht. Er betont den Aufwand in der Fertigung: „Die Verarbeitung der Folie verzeiht keine Produktionsfehler, weil die Folie auch nach 20 Jahren noch die auftretende Spannung halten muss.“ Der Schlüssel zur Qualität liege in der sauberen Verarbeitung des Randverbunds sowie des eingesetzten PU-Dichtmittels.

Vorteile beim Überkopfeinsatz

Vor allem bei Überkopfverglasungen erweisen sich die Leistungseigenschaften von Heat Mirror aufgrund der günstigeren Konvektion als vorteilhaft. Bei Standard-Zweifach-Isoliergläsern verschlechtert sich der Ug-Wert von z.B. 1,1 W/m2K  bei einem Neigungswinkel von null Grad auf zirka 1,8 W/m2K. Nach einem Versuch beim ehemaligen Heat Mirror-Verarbeiter Glasfischer verschlechterte sich der Ug-Wert einer Überkopfverglasung mit Heat Mirror-Isolierglas nur von 0,58 auf 0,64 W/m2K. Unter dem Produktnamen Thermur HM fertigt Glas Hachtel heute Isolierverglasungen mit Heat Mirror-Folie, die Prüfungen nach DIN 1289, Teile 1 und Teil 2, und nach DIN EN 1279, Teile 2 und 3, bestanden haben. Die Gasdichtheit habe das ift Rosenheim in zwei Prüfungen nachgewiesen. Aktuell beschränkt sich die Fertigung von Isolierglas mit Heat Mirror-Folie auf Breiten bis zu zwei Meter.

Dieses Produkt hat eben seinen Preis

Für dieses Jahr plant Glas Hachtel den Einsatz von breiteren Folien. Auf der FENSTERBAU FRONTALE 2016 in Nürnberg zeigte der Anbieter auf dem Sanco-Messestand die Isolierglasscheibe Thermur HM 0.2 im Format 800 mal 2.000 Millimeter mit einem Ug-Wert von 0,2 W/m2K. Aktuell braucht das Team von Glas Hachtel zirka 20 bis 25 Minuten pro Heat Mirror-Isolierglas. Das hat seinen Preis, der über einem Standard-Dreifach-Isolierglas liegt. Macht der Mengen-Absatz von Heat Mirror aktuell zirka ein Prozent aus, liegt der Umsatzanteil bereits bei 15 bis 20 Prozent. Hachtel sieht gutes Potenzial für die Technik und hat seine Zielgruppe klar formuliert: „Ich verkaufe nicht über den Preis und will Kunden ansprechen, für die das Beste gerade gut genug ist.“

Die Fertigungskosten will der Unternehmer senken. Dafür hat er automatisierte Fertigungsanlagen von seinem Folienlieferanten Eastman in Chicago übernommen, der seine eigene Isolierglasproduktion mit Heat Mirror aufgegeben hat. Das Maschinenkonzept mit Robotern und Folienschneidanlage will Hachtel in sein eigenes Unternehmen integrieren und dann in einer mit Dreifach-Iso vergleichbaren Taktzeit Heat Mirror-Isolierglas fertigen. An der Entwicklung der Produktionstechnologie für Eastman war der Anlagenspezialist Bystronic Glass beteiligt.

Die Fertigungstechnik automatisiert

Für die Produktion von Heat Mirror-Isolierglas sind laut Bystronic Glass bei der automatisierten Rahmenfertigung und -positionierung Anpassungen erforderlich. Dafür setzt das Unternehmen spezielle dünnwandige Edelstahl-Abstandhalter ein, die besondere Biegewerkzeuge erfordern. Für die Butylbeschichtung der Abstandhalterrahmen sind genau dosierte Materialmengen gefragt. Ein Butylautomat mit Zahnraddosierung setzt dies um. „Für die exakte Rahmenpositionierung verwenden wir den Frame Applicator, eine automatische Rahmensetzstation. Ferner wird in der Versiegelung ein spezielles Polyurethan verwendet, das exakt dosiert werden muss“, sagt Klaus Puschmann, der Leiter des Produktmanagements bei Bystronic Glass. Dazu setzt der Hersteller auf den Versiegelungsautomat speed’sealer mit dynamischem Mischsystem. Für die automatisierte Gasfüllung hat Bystronic Glass ebenfalls eine eigene Lösung entwickelt. Das Folienhandling und die Spannprozedur für die Folie seien automatisierbar.  „Wir sind davon überzeugt, durch die Verwendung einer automatisierten Zusammenbau- und Gasfüllpresse vergleichbare Taktzeiten wie bei der Fertigung von Dreifach-Isolierglas zu erreichen“, sagt Puschmann im Gespräch mit GFF . Lisec hat mit den Erfahrungen aus der eigenen Isolierglasproduktion und der Kooperation mit Partnern Produktionsverfahren für vorgespannte Dünngläser entwickelt, die mit zwei oder drei Millimeter Dicke vier bis sechs Millimeter dicke Floatgläser von anderthalb bis zweieinhalb Meter ersetzen.

Alternativen zur Gewichtseinsparung

Hersteller fertigen mit der passenden Technik Iso-Elemente im Aufbau drei/zwei/drei Millimeter. Diese Glaseinheit erreicht das Gewicht von Zweifach-Isolierglas mit zwei mal vier Millimeter dicken Scheiben und liegt um 33,3 Prozent unter Dreifach-Iso mit drei mal vier Millimeter Glas. Reduziert der Glashersteller die Dicke, entspannt sich der Gasdruck und die Belastung auf das Glas und den Randverbund sinkt. Die Statik und die Lebensdauer profitieren. Reduziert der Produzent die Konstruktion des Isolierglases auf die tatsächlichen Anforderungen, legt er die äußere Scheibe auf die Windlast aus und gestaltet sie je nach Scheibengröße entsprechend dick. Die innere Scheibe erfüllt maximal sicherheitstechnische Anforderungen. Die mittleren Scheiben fallen laut Lisec so dünn wie möglich aus. Grenzen setze dabei alleine die Wirtschaftlichkeit.

Das Vakuum-Isolierglas (VIG) hat in Europa aktuell keinen Durchbruch auf dem Weg hin zum Standard-Isolierglas erzielt. Der Flachglas MarkenKreis liefert das Vakuumglas Pilkington Spacia Cool mit einem Ug-Wert von 0,9 W/m2K bei der Gesamtdicke von 6,2 Millimeter als die Speziallösung für den Denkmalschutz.