Experten blicken in die Zukunft Veka mittags live: Entwicklungen in der Bauwirtschaft

Wie geht es weiter mit der Bauwirtschaft? Angesichts vieler negativer Entwicklungen nehmen die Sorgen in der Branche zu. Parallel dazu zeichnet sich immer deutlicher ab, dass gerade im sozialen Wohnungsbau und bei der Sanierung großer Nachholbedarf besteht – und dass die Politik mit Blick auf den Fenstermarkt noch keine überzeugenden Lösungen gefunden hat. Bei Veka mittags live fasste die Expertenrunde, die am 12. Mai 2023 online gestreamt wurde, den Stand der Dinge zusammen, sah aber durchaus auch Anlass zur Hoffnung.

Die Zukunft der Fensterbranche war das Thema der vierten Ausgabe von Veka mittags live mit (v. li.): Bernhard Daldrup (Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Fraktion), Thomas Drinkuth (Leiter Repräsentanz Transparente Gebäudehülle), Marco Olthoff (Geschäftsführer Fenster- und Türenwerk Diedrich Schröder) und Josef L. Beckhoff (Vorstand Vertrieb & Marketing Veka). - © Veka

Das Thema der letzten Ausgabe von Veka mittags live hat einen Nerv getroffen – das war der Expertenrunde deutlich anzumerken. Nach der Begrüßung durch Alexander Scholle (Leiter Vertrieb Profile Inland bei Veka) entstand unter der Leitung von Professor Christian Niemöller (Fachanwalt für Bau- und Architektur-Recht) eine sehr angeregte und konstruktive Diskussion unter den Teilnehmern.

Aktuell angespannte Lage auf dem Fenstermarkt

Marco Olthoff (Geschäftsführer bei Fenster- und Türenwerk Diedrich Schröder), Bernhard Daldrup (Kommunalpolitischer Sprecher und Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen der SPD-Bundestagsfraktion), Thomas Drinkuth (Leiter Repräsentanz Transparente Gebäudehülle) und Josef L. Beckhoff (Vorstand Vertrieb & Marketing bei Veka) waren sich einig, dass die Lage durchaus angespannt sei.

„Wir hatten einen wirklich guten, stabilen Januar“, sagte Beckhoff im Hinblick auf die Absatzmengen von Veka in Deutschland, „aber das war noch Überhang aus dem letzten Jahr.“ Danach stellte sich die Situation etwas anders dar. „Der Neubaubereich liegt am Boden, das heißt, die Delle kommt nicht auf uns zu, die ist schon da“, erklärte Beckhoff in seinem Fazit.

Dramatische Lage für die Baubranche

Die einstündige Diskussionsrunde hatte am Freitag, 12. Mai 2023, um 12 Uhr gestartet. Laut Angaben des Veranstalters hatten sich wieder zahlreiche Fensterhersteller sowie Fensterherstellerinnen aus ganz Deutschland in den Stream eingeloggt.

Nach einigen einleitenden Sätzen von Niemöller hielt Thomas Drinkuth einem Kurzvortrag, bei dem er eine dramatische Lage beschrieb. „Die Baugenehmigungen vor allem im Wohnungsbau sind mehr oder weniger im freien Fall“, sagte Drinkuth. Bei den Nichtwohngebäuden sehe die Entwicklung nicht ganz so dramatisch aus, aber auch dort sei ein Trend nach unten zu erkennen, der zu einem Rückgang bei den Auftragseingängen führe. Insgesamt liege die Prognose für 2023 bei einem Minus von 4,5 Prozent, und auch für 2024 sehe es düster aus. Dadurch gehe auch die Schere zwischen der Nachfrage nach Wohnungen und der Anzahl der fertiggestellten Wohnungen weiter auseinander.

Verschiedene Ursachen

Die Ursachen lägen im Auftragsmangel, einer Zunahme der Stornierungen und der fehlenden Finanzierung. Beim Thema Materialknappheit und beim Fachkräftemangel habe sich die Situation dagegen entspannt. Eine Chance, die Delle im Neubaumarkt auszugleichen, sieht Drinkuth darin, die aktuelle Sanierungsrate von etwa einem Prozent zu erhöhen und eine Sanierungswelle anzustoßen. Dafür müsse nicht zuletzt die Unwucht bei den Förderungen behoben werden, die zurzeit v.a. in neue Heizungen fließen.

14,5 Milliarden Euro für soziale Wohnraumförderung

Welche Maßnahmen die Politik ergreift, um die Baubranche zu unterstützen, erläuterte Bernhard Daldrup. Er erklärte, dass die Koalition ursprünglich auf 400.000 Wohnungen pro Jahr kommen wollte, dass jetzt aber von einem Bedarf von 700.000 Wohnungen die Rede sei. Wichtig sei allerdings, Neubau und Sanierung nicht gegeneinander auszuspielen, sondern beide Bereiche voranzubringen. Der Bund habe die Mittel für die soziale Wohnraumförderung in dieser Legislaturperiode auf 14,5 Milliarden Euro verdreifacht und unterstütze Sanierungen mit 14 Milliarden Euro.

Daldrup geht davon aus, dass die Koalition einen Schub bei den Sanierungen auslösen werde und dass auch eine Trendwende beim Neubau möglich sei. Bauwillige würden mit gewaltigen Summen unterstützt. Ein wichtiges Instrument seien dabei auch die Steuern. Die AfA wurde von zwei auf drei Prozent erhöht – eine wesentliche Finanzierungserleichterung für Unternehmen. Für umweltfreundliche Gebäude gibt es zusätzlich eine Sonder-AfA in Höhe von fünf Prozent. Und bei Solaranlagen wurde die Mehrwertsteuer auf null gesetzt – das stelle für den Markt einen besonders wichtigen Impuls dar.

Der Fenstermarkt musste während der Pandemie viel lernen

Aus der Praxis der Fensterhersteller berichtete Marco Olthoff. Er betonte, dass die Corona-Krise und die daraus resultierende große Nachfrage den Fensterherstellern viel abverlangt habe. Seit Anfang des Jahres seien die Lieferzeiten in seinem Unternehmen deutlich zurückgegangen – das zeige, wie sehr die Nachfrage nachgelassen habe. Bauvorhaben würden storniert und manchmal sogar die Grundstücke zurückgegeben. Er wünschte sich deshalb ein starkes Signal aus der Politik für den Neubau.

„Wir haben ein großes Thema vor uns, und das heißt Sanierung“, sagte Olthoff. Darauf müssten sich die Unternehmen einlassen. Mitarbeitende, die bisher auf Neubauten spezialisiert sind, müsse er erst für diese Aufgabe schulen. „Es ist eine ganz andere Kundenkommunikation gefragt“, ergänzte Moderator Niemöller. „Wenn Sie im Sanierungsbereich unterwegs sind, ist das Handling mit dem Mieter, mit dem Eigentümer viel aufwändiger in der Ansprache als im Neubaubereich.“

Fensterbranche braucht Planungssicherheit

Wie üblich kamen in der Diskussionsrunde auch noch viele andere Themen zur Sprache, beispielsweise Bauüberhänge, serielles Bauen und Sanierungsfahrpläne. Das beherrschende Thema war aber die bevorstehende Sanierungswelle und der politische Rahmen, der dafür erforderlich ist. „Der Ausblick ist eigentlich wirklich positiv“, sagte Veka Vorstand Josef L. Beckhoff zusammenfassend. „Aber was mir fehlt, ist das schnellere Reagieren der Politik.“ Im Moment würden alle nur über Heizungswechsel reden, und das Thema Sanierung der Gebäudehülle scheine außen vor gelassen zu werden. „Ich würde mir wünschen, dass die Politik mehr nach vorne geht und uns als Fensterbranche auch ein Stück weit Mut macht für die Zukunft.“