Energiegewinnung und Gestaltung im Einklang So verwandeln sich Fassaden in Wärmewände

Bisher ist die Nutzung der solaren Architektur in der Branche noch nicht angekommen. Dank zwei neuartiger Kollektoren, die das Potenzial von Fassaden für die Wärmeerzeugung mit erneuerbarer Energie aufzeigen und die Gestaltungsfreiheit erhöhen, könnte sich das bald ändern.

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    © DAW SE/Caparol – Fotograf: Karim Donath
    An einer Gebäudefassade in Ober-Ramstadt testet Baufarben- und Dämmsystemhersteller DAW die neuen Fassadenkollektoren auf ihre Alltagstauglichkeit.
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    © DAW SE/Caparol – Fotograf: Karim Donath
    Die Montage der Solarkollektoren gelingt einfach durch das Einhängen in die Agraffenprofile.
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    © Fraunhofer ISE
    Die solarthermische Jalousie ist insbesondere für Gebäude mit großen Glasfassaden geeignet.

Etwa 30 Prozent der Energie in Deutschland werden aktuell für Raumwärme und Trinkwassererwärmung eingesetzt. Bisher wenig bekannt ist, dass auch Fassaden als Wärmewände einen Beitrag zur Nutzung erneuerbarer Energien leisten können. Um dem Einsatz von multifunktionalen Gebäudehüllen einen Schub zu verleihen, hat ein Forschungskonsortium im Projekt „Architektonisch hoch integrierte Fassaden-Kollektoren (Arkol)“ zwei solarthermische Fassadenkollektoren – nämlich einen Streifenkollektor und eine solarthermische Jalousie – entwickelt.

Im Gegensatz zur Photovoltaik wird bei der Solarthermie nicht Strom erzeugt, sondern die Sonnenenergie in Wärme umgewandelt, um damit Trinkwasser zu erhitzen oder die Räume eines Gebäudes zu beheizen. Die Idee, für die Energiegewinnung nicht nur die Dach-, sondern zusätzlich die Fassadenflächen zu nutzen, ist nicht neu; dennoch ist sie in den Köpfen von Bauherren, Planern und Architekten noch nicht angekommen. Vor allem die eingeschränkten optischen Gestaltungsmöglichkeiten bremsen den großflächigen Einsatz derartiger Kollektoren.

Geballtes Know-how

Im BMWi-geförderten Projekt Arkol haben das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, der Baufarben- sowie Dämmsystemhersteller DAW SE, Fassadenspezialist Priedemann Façade-Lab, das Borderstep-Institut, das Kompetenzzentrum Ausbau und Fassade sowie das Institut für Baukonstruktion der Uni Stuttgart ihre Kompetenzen aus der Solar- und Baubranche gebündelt. „Unser Ziel bestand darin, das Potenzial von Fassaden für die Wärmeerzeugung aufzuzeigen und einen größeren Gestaltungsfreiraum für die solare Architektur zu erschließen“, erläutert Simon Häringer, Projektkoordinator am Fraunhofer ISE. „Zugleich sollten der Planungsaufwand reduziert und eine vereinfachte Montage bzw. Installation ermöglicht werden.“

Vereinfachte Hydraulikplanung

Mittlerweile ist das Projekt abgeschlossen, und die ersten Praxisversuche laufen. Aktuell testet DAW die von der Firma Wagner Solar gefertigten Streifenkollektoren an einer Musterfassade im südhessischen Ober-Ramstadt auf ihre Alltagstauglichkeit. Diese sind an der Unterkonstruktion einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) befestigt. Eine geeignete Unterkonstruktion lässt sich sowohl an Neubauten als auch im Zuge einer Sanierung installieren – ebenfalls möglich ist die Kombination mit Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS). Die schlanken Kollektoren werden anschließend mit einem Sammelkanal verbunden, der gleichzeitig als Montageschiene dient. Die Technologie basiert auf einem durchdachten Wärmeübertragungskonzept: Die gewonnene Energie lässt sich über Wärmerohre, sog. Heat Pipes, zur Seite transportieren und via Anschlussstelle an den Sammelkanal übermitteln.

Die Tests bei DAW laufen über mindestens eine Saison. Anschließend sollen Projekte bei Kunden vor Ort realisiert werden, um die Kollektoren bis zur Marktreife weiterzuentwickeln. „Das Interesse ist groß, wir haben durchweg positives Feedback erhalten“, bilanziert Dr. Thomas Löwenstein, Projektleiter bei DAW, den Projektstatus. Für ihn im Vordergrund stehen die neuen, vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten sowie eine vereinfachte Hydraulikplanung und Montage. Im Gegensatz zu den bisherigen Lösungen bieten die Kollektoren ein hohes Maß an Flexibilität hinsichtlich Größe, Farbe, Abstand, Anzahl und der Ausrichtung an der Fassade. „Durch die Plug & Play-Lösung sind die Gewerke klar voneinander getrennt“, ergänzt er. Das spare Bauzeit und reduziere den Abstimmungsbedarf, z.B. zwischen dem Fassaden- und dem Heizungsbauer.

Lamellen uneingeschränkt beweglich

Beim Einsatz herkömmlicher Solarthermie-Kollektoren leidet zumeist die Transparenz der Gebäudehülle. Abhilfe soll die neuartige solarthermische Jalousie schaffen: Im Scheibenzwischenraum von Verglasungen installiert, ist sie in der Lage, die überschüssige Wärme – im Sommer treten dort mitunter bis zu 100 Grad Celsius auf – abzuführen und gleichzeitig die Kühllast des Gebäudes zu verringern. In die Lamellen integrierte Heat Pipes geben die Wärme über eine schaltbare thermische Koppelung an den Sammelkanal ab.

Der Vorteil: Die Lamellen lassen sich wie bei einer herkömmlichen Jalousie verstellen, so dass die vollständige Beweglichkeit und die Funktionalität eines Sonnenschutzes erhalten bleiben. „Von technischer Seite war insbesondere die Wärmeübertragung von der Lamelle an den Sammelkanal mittels Heat-Pipe und schaltbarer thermischer Koppelung anspruchsvoll, die benötigt wird, um die einfache Bedienung der Jalousie als Raffstore zu gewährleisten“, beschreibt Projektleiter Häringer die Herausforderungen des Projekts. „Mit dem Fassadenelement haben wir dies das erste Mal in realer Größe umgesetzt.“ Zudem sei das Zusammenbringen der verschiedenen Anforderungen und Sichtweisen von Architekten und Fassadenbauern mit der Solarthermie-Branche ein wertvoller Prozess gewesen.