Nachgefragt Semco: „Die Unsicherheit ist spürbar vorhanden.“

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    Martin Meyer (li.) und Jakob Scheuerecker sind glastechnische Berater bei der Semco-Gruppe, die ihren Hauptsitz in Westerstede (Niedersachsen) hat.
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GFF: Herr Meyer, Herr Scheuerecker, finden die neuen Regelungen der überarbeiteten DIN 18008:2020-05, Teile 1 und 2, Ihrer Erfahrung nach bereits Anwendung in der Praxis?

Meyer: In der Praxis der glastechnischen Beratung gibt es Bereiche, wo die neuen Regelungen eine Rolle spielen. Immer wenn wir eine statische Glasdickenvordimensionierung vornehmen zum Beispiel.

Scheuerecker: Wenn man sich aber die Auftragseingänge anschaut, dann hat sich auf Kundenseite noch nicht viel verändert.

Beobachten Sie eine Zunahme bei der Bestellung von Sicherheitsglas, die sich auf die entsprechende Änderung der Norm (Teil 1, Abschnitt 5.1.4, Sicherheitsglas in bodentiefen Verglasungen) zurückführen lässt?

Meyer: Durch die Änderungen der DIN 18008 hat sich das Bestellverhalten der Kunden noch nicht grundlegend geändert. Hier wird die Neuerung teilweise noch gar nicht beachtet und in der Praxis werden unsere grundlegenden Empfehlungen oft noch nicht umgesetzt.

Scheuerecker: Insgesamt steigt der Bedarf bei Sicherheitsglas schon leicht an. Allerdings ist das mehr auf einen Anstieg bei den Sicherheitsansprüchen von Endverbrauchern zurückzuführen, beispielsweise im Einbruchschutz, als auf die Änderungen der Norm.

Merken Sie, dass mehr Handwerker, z.B. aus Unsicherheit, Ihre Beratungsleistung in Anspruch nehmen, wenn es um die Frage Sicherheitsglas oder nicht in bodentiefen Verglasungen geht?

Meyer: Die Unsicherheit ist spürbar vorhanden. Uns erreichen viel mehr Anfragen von Kunden, aber auch von Planern, die bislang noch nicht auf unsere Beratung gesetzt haben. Unsere Empfehlungen werden oft nicht umgesetzt, weil es momentan keine verbindliche und für alle Beteiligten klare Regelung gibt.

Scheuerecker: In der Beratungspraxis und auch im Verkauf an den Kunden bedeutet das für uns in der Semco-Gruppe, dass wir momentan immer die sicherste mögliche Option empfehlen und daher stark zum Einsatz von Sicherheitsglas beraten. Damit gibt es beim Kunden auch bei zukünftigen Änderungen kein böses Erwachen.

Wenn Sie Beratungsleistungen erbringen: Wonach richten Sie sich, wenn es um die Entscheidung Sicherheitsglas oder nicht geht? Wie beurteilen Sie die verabschiedete Regelung aus praktischer Sicht?

Meyer: Das Verbändepapier Verkehrssicherheit bei verglasten Türen und bodentiefen Verglasungen ohne Absturzsicherung wird von uns in der täglichen Beratungspraxis genutzt. Aber ich betone es noch einmal: Es wird einfach zu viel Entscheidungsspielraum gelassen und statt klarer Aussagen wird immer wieder auf Einschätzungen und Bewertungen verwiesen.

Scheuerecker: Die Situation ist momentan doppelt schwierig. Durch die Rohstoffknappheit steigen die Preise im Baugewerbe. Gleichzeitig sollen Planer, Architekten und Investoren sich in einer nach wie vor unsicheren Situation dafür entscheiden, ein teures Produkt zu verwenden. Zumindest, wenn sie unserer Empfehlung folgen wollen. Diese Entscheidung will momentan kaum jemand treffen und am Ende entscheidet dann das Budget.

Wie profitieren Sie von anderen Norm­anpassungen, z.B. beim Nachweis kleinformatiger Mehrscheiben-Isoliergläser (MIG)?

Scheuerecker: In der Beratung von Architekten und Planern spielen diese Formate nur ganz selten eine Rolle. Im täglichen Verkauf an die Kunden merkt man aber schon, dass der Einsatz von ESG bei kleinformatigen Isoliergläsern leicht rückläufig ist.