So vielseitig wie der Baustoff Glas, ist auch das Glaserhandwerk. Trotzdem fällt es der Branche seit Jahren schwer, Ausbildungsplätze zu besetzen und an Fachkräfte zu gelangen. Da die Zukunft der Branche ein wichtiges Thema der glasstec 2024 ist, sprach Marc Everling im Vorfeld der Messe mit zwei jungen Glasermeistern, die erfolgreiche Wege in der Ansprache junger Menschen gefunden haben.
Einer dieser Glasermeister ist Robin Burmeister, 34 Jahre jung und Inhaber der Glaserei Manske in Bad Bramstedt, nördlich von Hamburg. Er ist anders, als man es im allgemein eher konservativ agierenden Handwerk erwartet. Man ist direkt beim Du, aber respektvoll und freundlich. Das ist täglich gelebte Unternehmensphilosophie. Unabhängig von Status und Erfahrung begegnet man sich in der Glaserei Manske mit Wertschätzung auf Augenhöhe, denn wo es weniger hierarchiebedingte Ängste gibt, fällt es leichter, um Rat zu fragen und selbst Hilfe anzubieten. Auch für Kunden bedeutet das Du, dass man sich persönlich kennt und kümmert.
Robin Burmeister hat keine Schwierigkeiten an interessierte Auszubildende zu gelangen. Er hat Probleme, weil er zu vielen guten Bewerbern absagen muss. Der Altersdurchschnitt im Unternehmen liegt bei Mitte 20, der älteste Monteur ist 39 Jahre alt.
Zu Beginn jedes Monats trifft sich das ganze Team, um sich auszutauschen. "Junge Leute wollen sich wohlfühlen und einbringen", sagt der Glasermeister. "In der Wirtschaft bewegen sie sich erstmals vollständig außerhalb ihrer Komfortzone und prallen oft auf starre Hierarchien, auf Träger von Fachkenntnissen die ihr Wissen hüten, auf innerbetrieblichen Wettbewerb und anderen Leistungsdruck. Wir lösen das gleich zu Beginn vollständig auf und geben ihnen Sicherheit in diesen unsicheren Gefilden. Jeder wird von Beginn an vollwertiger Teil des Teams und in die Planung eingebunden."
Handwerksbetriebe sind für junge Leute unsichtbar
Der schwierigste Teil der Suche ist für Betriebe oftmals, in den Erstkontakt zu gelangen. "Man ist als Betrieb für die jungen Leute nahezu unsichtbar", erläutert Burmeister. "Darum versuchen wir, Schüler und Schülerinnen über Praktika oder Ferienjobs ins Haus zu holen, noch lange, bevor sie sich später mit Bewerbungen befassen. So erleben sie, wie viel Spaß die Arbeit macht und wer ins Team gepasst hat, kann von uns später leichter angesprochen werden." Den Erstkontakt bilden dabei regionale Ausbildungsmessen. Darüber hinaus gibt der Glasermeister Workshops an Schulen. In "kreative Glasbearbeitung live" zeigt er dem Nachwuchs, wie man im Handwerk kreativ ist und dass man Skizzen und digitale Umsetzungen zu nutzen weiß, um kreative Werke zu schaffen.
Aufmerksamkeit verschafft sich Burmeister außerdem durch Augmented-Reality-Anzeigen mit integriertem QR-Code in Schülerzeitungen. Filmen die Schüler die Anzeige verwandelt die Anzeige sich in Bewegtbild und die abgebildeten Mitarbeiter sprechen authentisch über das Handwerk und die Arbeit im Team der Glaserei Manske. Auch Social Media ist für Burmeister nichts Besonderes mehr, sondern im Grunde ein Hygienefaktor: "Die jungen Leute schauen, wer Du bist. Wir zeigen darum Einblicke in unsere Arbeit, in denen man gut erkennen kann, wie wir ticken und was wir handwerklich schaffen."
Passend zu ihrer nachhaltigen Philosophie hat sich die Glaserei Manske auf die energetische Sanierung und nachhaltige Fensterertüchtigung spezialisiert. Für mehr Kreislaufwirtschaft, den sparsamen Umgang mit Ressourcen und nachhaltiges Bauen. Das Geschäft läuft so gut, dass diese Aufträge anderen vorgezogen werden. Für viele junge Menschen ist auch das ein Wesensmerkmal, mit dem sie sich gut identifizieren können. Heute werde die Glaserei Manske darum oft von Azubis weiterempfohlen, als bemerkenswerter Ort, an dem Arbeit Spaß und Sinn macht, wo man sich wirksam und wertgeschätzt fühlt.
Kommunikation über Instagram und WhatsApp
In der Kommunikation über Social Media erkennt auch Thorsten Fimpeler große Chancen, mit Einblicken in sein tägliches Handwerk junge Leute und Kunden neugierig zu machen. Der 34-jährige Glaser- und Malermeister leitet inzwischen die Geschicke der elterlichen Glas- und Malmanufaktur Fimpeler im nordrhein-westfälischen Haltern am See. "Wir zeigen regelmäßig kurze Reels aus unserer täglichen Arbeit und holen so die jungen Leute, aber auch viele Kunden, auf Instagram ab. Viele Follower werden zu persönlichen Kontakten und sehen sich gelegentlich auch unsere Stories im WhatsApp-Status an. Das hat dafür gesorgt, dass die Kontaktschwelle viel niedriger liegt und inzwischen viele Anfragen über WhatsApp bei uns eingehen," erzählt Fimpeler.
Die Sicht junger Menschen auf das Leben hat sich gewandelt. Die ältere Generation X musste in einem unsicheren Arbeitsmarkt und oftmals unter sehr konservativen Bedingungen arbeiten – und akzeptierte diese aufgrund primärer Sicherungsbedürfnisse. Heute konkurrieren Unternehmen in einem Bewerbermarkt, in dem junge Menschen einem eher hinterfragenden Modell folgen und sich und ihre persönlichen Skills aktiver einbringen möchten. Wer sich auf Augenhöhe mit der Zukunft des Glaserhandwerks begibt, kann mit Erfolgen rechnen, lautet das Fazit von Marc Everling.