HomeOffice – ein teurer Irrtum?

Reinhold Kober, Chefredakteur GFF - © Foto:privat

Den Satz muss man zweimal lesen, um die Tragweite zu verstehen: „Wenn es um die Quantifizierung der Arbeitsleistung im nicht produktiven Bereich geht, sind die meisten Unternehmen im Blindflug unterwegs.“ Zu dieser Einschätzung kommt das renommierte Beraternetzwerk Kreutzer Fischer & Partner in Wien. Hintergrund: Noch 2017 haben die Market Research-Spezialisten im Auftrag eines deutschen Chemiekonzerns die Produktivität der im HomeOffice erbrachten Arbeitsleistung untersucht; mit einigermaßen vernichtendem, damals aber – das ist das Spannende – nicht überraschendem Ergebnis: Danach sank „die Arbeitsleistung im HomeOffice signifikant – im Durchschnitt lag die Fehlleistung bei knapp dreißig Prozent“. Dereinst galt im arbeitsrechtlichen Diskurs Heimarbeit noch als eher unerfreuliche Ausgeburt der Flexibilisierung professioneller Abläufe.

Doch während, wie der promovierte Philosoph und Ex 3M-Manager Reinhard Sprenger in der WiWo-Kolumne feststellt, die Apples, Facebooks und Googles dieser Welt ihre Unternehmensgebäude so konstruieren, dass zwangsläufig Begegnung und aus ihr Neues entsteht, denkt der deutsche Mittelständler in zumeist hermetisch abgeriegelten Geschäftsleitungsrunden vorzugsweise über Kostensparmodelle nach. Vielen Arbeitnehmern ist das an der Stelle recht, die Work Life Balance scheint zunehmend der Life Life Balance Platz zu machen. Oder mal ehrlich, wer hat Folgendes im Coronajahr nicht erlebt? Nach mannigfachen Anrufen bei diesem oder jenem Marketing Guy, ohne je auch nur einen AB besprechen zu können, wendet man sich verzweifelt an die Zentrale und tut die Nicht-Erreichbarkeit des Ansprechpartners kund. Lapidare Antwort: „Na ja, der ist ja auch im HomeOffice.“ Hubertus Heil, keine Management Erfahrung, dafür im Wirtschaftsforum der SPD unterwegs, fordert denn auch einen Anspruch auf HomeOffice. Klar, schließlich glauben viele wirklich, wir wären stärker gefordert als die Generationen vor uns – mag stimmen, aber nicht durch produktive Arbeit. Kreutzer Fischer & Partner verweisen darauf, dass seit den 90er-Jahren mit Activity Based Costing (ABC) ein in Fachkreisen über jeden Zweifel erhabenes Tool zur Verfügung steht, die Produktivität im Verwaltungsbereich zu verifizieren (analog zu auch im Mittelstand beliebten Evaluationsverfahren wie REFA für die Fertigung); doch habe sich der Verwaltungsapparat bis hin zum Mittelmanagement erfolgreich gegen dessen Einsatz zu Wehr gesetzt: „Offensichtlich ist eine evidenzbasierte Leistungsmessung in der Produktion und im Verkauf völlig in Ordnung, nicht aber (...) in der Verwaltung, im Einkauf, im Rechnungswesen oder im Marketing.“ Wumms, das muss man sich leisten können: Wir finden also das gut, was uns in der Komfortzone hält. Früher nannte man das Hedonismus, heute ist es die moderne Arbeitswelt.

Bis 7. Jänner stimmen Sie auf www.gff-magazin.de unter folgenden Vorschlägen für das exklusive GFF-Wunschthema in der Ausgabe März 2021 ab.

1. Akustik als Asset: Lärmreduzierung durch Gegenschall, Schallabsorption bei gekippten Elementen – wer nachverdichten will, muss die Punkte angehen.

2. Arbeitsschutz und PSA – bürokratische Überregulierung oder vernünftige Vorkehrung: Wir fragen spezialisierte Anbieter, Prüfinstitute, Anwender.

3. Zeig mir deine Zarge, und ich sage dir, wie du montierst: Was hat es mit dem Wundermittel für die Planbarkeit beim Einbau auf sich? GFF recherchiert.

Ihr

Reinhold Kober