Die Fassade ist das Aushängeschild eines Gebäudes. Im Wunschthema stellt GFF drei atemberaubende Glasbauprojekte vor, die aufzeigen, wie Fassadenbauer und Glasstatiker die Grenzen des Machbaren verschieben.

Nur einen Steinwurf entfernt von Oslo liegt The Twist, das im September 2019 eröffnete Kistefos Museum. Es schlägt gestalterisch eine Brücke zwischen zeitgenössiger Kunst und moderner Architektur, physisch verbindet es mit einer Länge von fast 60 Meter die Ufer des Flusses Randselva. "Die Gebäudehülle und als Teil davon die Glasfassade weisen eine Verdrehung auf", sagt Carsten Kunert. Der Vertriebsleitung/Sales Manager am Saint-Gobain Glassolutions Objekt-Center in Berlin erklärt: "Daraus ergibt sich eine Biegegeometrie mit zwei Achsen." Die aufwändige Herstellung der frei geformten Gläser in unterschiedlichen Größen hätten für die Komplexität des Projekts gesorgt.
Per Tieflader nach Norwegen
Die Glaselemente verschiffte der Hersteller per Tieflader nach Norwegen. "Die Baustelle mitten im Wald und der Einbau der Scheiben in die Brücke erforderten den Einsatz eines Krans", sagt Kunert. Die Verdrehung erforderte eine Modifikation der Sauganlagen, wegen der hohen Gewichte und unterschiedlichen Formate. Aus dem 3D-Modell des Architekten berechnet seien Zuschnittsmaße, die Biegeform und der -prozess. Jedes Glaselement sei individuell mithilfe der Schwerkraftbiegung gefertigt – die Glasexperten brachten im Ofen teils Sondervorrichtungen an, die die Scheiben auffangen und in Hinblick auf deren Geometrie Glasbruch verhindern sollen. Zum Schutz der Kunstwerke vor der Sonneneinstrahlung achtete Saint-Gobain neben Wärme- und Schallschutz auf reduzierte UV-Einträge, ausgeführt sind die Elemente als Structural Glazing (SG)-Fassade.
184 Glasschwerter für Columbia Uni
Szenenwechsel: Bis zu neun Meter lange Glasschwerter spannen sich am Roy and Diana Vagelos Education Center im Norden Manhattans über eines oder mehrere Geschosse. Sie scheinen das moderne Lehrgebäude der Medizinischen Fakultät der New Yorker Columbia University mit einem chirurgischen Präzisionsschnitt freizulegen und erlauben außergewöhnliche Einblicke in das Gebäude mit seinen Balkonen, Treffpunkten und Plätzen. Hinter der kaskadenförmigen Glasfassade an der 14-stöckigen Südseite gehen offene Kommunikationszonen in geschlossene Studienräume über. "Jedes der 184 Glasschwerter ist mit einer Länge von 1,2 bis neun Meter, einer Tiefe von 340 bis 610 Millimeter und einem Gewicht zwischen 70 sowie 620 Kilogramm ein Einzelstück", erläutert dazu Jürgen Wax, Geschäftsführer der Josef Gartner GmbH.
Mehr über die wunderbare Welt der Glasstatik lesen Sie im GFF-Wunschthema unserer coronabedingt erschienen Ausgabe 5-6/20, das Heft ist erhältlich seit dem 22. Mai.