Jurist und Sachverständiger im Gespräch – Teil 2 Glaskratzer: Wie Sie nicht auf dem Schaden sitzen bleiben

Es ist ein Klassiker: Kurz vor der Abnahme weist die eingebaute Verglasung ­plötzlich Kratzer auf. Wann hat der Auftraggeber solche visuellen Beeinträchtigungen hinzunehmen, welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Auftragnehmer – und wie lassen sich Fehler bei der Glasreinigung verhindern?

Ein Klassiker: Gebäudereiniger entfernen Mörtelreste von der Glasoberfläche und hinterlassen zahlreiche Kratzer. Nicht immer sieht das so extrem aus wie in diesem Beispielbild, das ö.b.u.v. Sachverständiger Jürgen Sieber GFF zur Verfügung gestellt hat.

Im zweiten Schadensfall, der im ift Online-Seminar "Bauen mit Sachverstand – Jurist und Sachverständiger im Gespräch" betrachtet wurde, ging es um eine Innenverglasung für ein Treppenhaus, auf deren Oberfläche deutliche Kratzer zu erkennen waren – und auch Mörtelreste. Das Gebäude war gerade erst fertig­gestellt worden.

Hinnehmbare Kratzer oder nicht? BF-Richtlinie als Bewertungsmaßstab

Wie der ift-Sachverständige Felix Fischbacher erläuterte, hatten die Kratzer keinen Einfluss auf die Materialeigenschaften des Glases. Insofern galt es für ihn rein die visuelle Beeinträchtigung zu bewerten. Ob ein Kratzer hinnehmbar ist oder nicht, lässt sich auf der Basis einschlägiger Beurteilungsrichtlinien entscheiden. Neben der DIN EN 1279 nannte Fischbacher insbesondere die BF-Richtlinie 006/2019 "Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen".

Dort heißt es mit Blick auf Innenverglasungen, dass die Gläser "bei normaler (diffuser), für die Nutzung der Räume vorge­sehener Ausleuchtung unter einem Betrachtungswinkel vorzugsweise senkrecht zur Ober­fläche" geprüft werden sollen, und zwar in einem Abstand von mindestens ­einem Meter. Zu fokussieren sei der Hintergrund, nicht die Scheibe selbst. "Im konkreten Fall haben wir die Bewertung bei Kunstlicht vorgenommen und in einem Betrachtungsabstand, wie er beim Vorbeigehen im Treppenhaus üblich ist“, erläuterte der Sachverständige. Unter diesen Be­dingungen stellte er zahlreiche auffällige Kratzer fest, die nach der BF-Richtlinie nicht zulässig sind.

Unsachgemäße Reinigung: Kratzerbild lässt sich auf Wischbewegungen zurückführen

Zugehörige Themenseiten:
GFF Exklusiv und Glasschäden