Verhandlungstaktik im Wohnungsbau Geschickt verhandeln, maximal profitieren

Vielen Wohnungsunternehmen stehen umfassende Fassadensanierungen ins Haus. Wer bei den Auftragsvergaben mit Plan und System verhandelt, kann in puncto Qualität und Preis optimale Ergebnisse erzielen und bares Geld sparen – ein Praxisbeispiel.

Der Weg zur Vergabe in sechs Schritten - © Kerkhoff Negotiations

Ein großes Wohnungsbauunternehmen mit mehr als 10.000 Wohneinheiten und Sitz in Süddeutschland steht vor einer langanhaltenden Sanierungswelle: Viele Häuser entstanden in den 60er- oder 70er-Jahren im Rahmen des staatlich geförderten Sozialbaus als traditionelle Arbeitersiedlungen und wurden in den vergangenen Jahren nach und nach erworben. Grundlegende Investitionen in die Grundstruktur erfolgten dabei nicht. Nun geht es ums Ganze: Bei den anstehenden Sanierungsmaßnahmen liegt der Fokus zunächst auf Fassadenarbeiten mit Blick auf energetischen Verbesserungen. Lieferanten, die planungssichere Leistungen zur definierten Qualität und mit einer deutlichen Kosteneinsparung im Vergleich zur ersten Marktabfrage anbieten, sind gesucht.

Profis übernehmen Verhandlungen

Hier kommt Kerkhoff Negotiations (KN) ins Spiel, ein spezialisiertes Beratungsunternehmen mit Sitz in Düsseldorf, das für das genannte Wohnungsbauunternehmen die Verhandlungsführung im Einkauf übernahm – von der Vorbereitung bis zur Auftragsvergabe. „Gesucht wurden Lieferanten, die als langfristige Partner auch Serviceleistungen erbringen, die außerplanmäßig nachlaufende Kosten, die über den Gewährleistungsanspruch hinausgehen, minimieren“, erläutert KN-Geschäftsführer René Schumann. Die angestrebte Vertragsdauer belief sich nach ersten Überlegungen auf fünf Jahre, um in diesem Zeitraum die entsprechenden Fassadenarbeiten ausführen zu können. Der Vertrag sei damit neben dem großen Volumen auch hinsichtlich der langen Vertragsdauer und Planungssicherheit für potenzielle Lieferanten attraktiv.

Im Einkauf waren zwei Bestandslieferanten bekannt, die nach erstmaligem Nachfragen signalisierten, sich eine Partnerschaft vorstellen zu können. Das immense Volumen, die Komplexität im Umgang mit unterschiedlichen Gebäudetypen, Spezifikationen, Standorten, Zeitpunkten und die gewünschte Flexibilität bei den Rahmenverträgen bedingten eine gewisse Unsicherheit über die Verhandlungspositionen beider Seiten.

Wettbewerbssituation analysieren

Genau dort setzte der sechsphasige Prozess (siehe Grafik) an. „Eine gründliche Marktanalyse, wie sie jeder Verhandlung vorangehen sollte, identifizierte sieben weitere Lieferanten auf lokaler und nationaler Ebene, die in der Lage wären, die gesamte Sanierung im Bereich der Fassaden zu betreuen. Dies beinhaltete auch einen europäischen Lieferanten, der bis dato nicht berücksichtigt wurde, aber mit Blick auf seine internationale Wachstumsstrategie ein großes Interesse an diesem Vertrag hatte“, beschreibt Schumann die Analysephase. Bei Aufträgen in dieser Größenordnung sei eine umfassende Analyse zwar aufwändig und zeitraubend, jedoch unabdingbar, um sich einen Überblick über die eigenen Ziele und Wünsche sowie die potenziellen Vertragspartner zu verschaffen.

Im nächsten Schritt wurde eine Liste mit Prämissen erstellt, welche die Lieferanten erfüllen sollten. Damit ließ sich prüfen, welche Lieferanten für den weiteren Prozess in Frage kämen. Gleichzeitig wurde bewertet, wie diese qualitativ zu vergleichen sind. Besonders im Bereich der Aluminiumprofile zeigte sich hier eine große qualitative Streuung.

Vergaberegeln entwerfen

Auf dieser Basis erfolgte die Wahl des Verhandlungsdesigns, mit welchem KN und das Einkaufsteam des Auftraggebers parallele Verhandlungen für unterschiedlich große Pakete führen konnten. Alle denkbaren Szenarien sollten eine größtmögliche Flexibilität miteinbeziehen oder diese mindestens in angemessenem Maß durch eine Kostendifferenz ausgleichen. „Das Verhandlungsdesign, die möglichen Multi-Source-Strategien und vor allem die Preise der Lieferanten zu diesem Zeitpunkt wurden allen internen Entscheidungsträgern kommuniziert“, betont Schumann. „Dies ist bei Vergaben mit dieser Langfristigkeit und in diesem Umfang sehr wichtig, denn nur so ist sichergestellt, dass alle vorgestellten Szenarien vergabefähig sind, alle Lieferanten freigegeben und die günstigsten Preise zu dem Zeitpunkt als Fallback-Lösung genehmigt werden.“ Für das beauftragende Wohnungsunternehmen seien auf diese Weise Sicherheitsmargen und Puffer in den Angeboten reduziert und gleichzeitig eine reelle Wettbewerbssituation geschaffen worden. Im Anschluss wurden das Vergabedesign allen Lieferanten kommuniziert, Unstimmigkeiten eliminiert, Fragen geklärt und speziell auf Vergabeszenarien hingewiesen, welche die Lieferanten als präferiert signalisierten.

Spieltheorie als Basis

Die beschriebene Methodik und das Vorgehen basierten auf einer von KN praxis­tauglich adaptierten Form der Spieltheorie. Ein wesentlicher Mechanismus dabei ist, der geschaffenen Wettbewerbssituation das aktive Verhandeln zu überlassen. Der Einkauf nimmt eine Art Schiedsrichterposition ein und schafft damit eine maximal sichere und transparente Verhandlungssituation. Die eigentliche Verhandlung war als sog. Parallelverhandlungen konzipiert.

Der Vorteil lag in diesem Fall darin, den Lieferanten die Möglichkeit zu geben, das bestmögliche und damit für sie verhältnismäßig günstigste Szenario zu bekommen. Einhergehend mit steigendem Wettbewerbsdruck sinken die Preise am stärksten – und am Ende werden günstigste Preise zugleich mit Wunsch­szenarien für die Lieferanten realisiert. „In diesem Fall entstand sogar eine – bei Verhandlungen sonst seltene – Win-win-Situation, die ohne diesen spieltheoretischen Prozess weder sichtbar noch möglich geworden wäre“, sagt Schumann.

Zwölf Prozent beim Budget gespart

Etwa drei Viertel des Immobilienbestands ließen sich mit abbilden und deren energieschonende Fassadenmodernisierung auf der Zeitachse von fünf Jahren planen. Das Ergebnis war eine Aufteilung von 70 zu 20 Prozent zwischen zwei Lieferanten, wobei die übrigen zehn Prozent variabel zwischen den Lieferanten aufgeteilt werden können. Durch die Schaffung des funktionierenden Wettbewerbs ließ sich eine Einsparung von zwölf Prozent im Vergleich zum ursprünglich abgestimmten Budget des Auftraggebers erzielen – ein Prozentsatz, der bezogen auf das Beschaffungsvolumen jenseits eines zweistelligen Millionenbetrages lag und Begeisterung bei allen Beteiligten auslöste.

Der deutlich geringere Anteil der denkmalgeschützten Altbauten sowie weiterer Wohneinheiten mit Spezialgewerken konnte aufgrund des hochspezialisierten Markts nicht über diesen Vergabeweg erfolgen. Hier hatte bereits die Marktanalyse ergeben, dass nur wenige Lieferanten auf lokaler Ebene infrage kommen und somit einzelne Monopol­situationen bestehen. Auch kam es im Bereich der Altbauten in der Vergangenheit häufig zu hohen Kosten, die es durch einen erweiterten Gewährleistungsvertrag abzusichern galt.

Monopolverhandlungen als Drama

Verhandeln in Monopolsituationen: ein Vergabekrimi - © Kerkhoff Negotiations

Bei Monopolverhandlungen dieser Art stelle sich grundsätzlich die Frage, ob und welche Verhandlungshebel zur Verfügung stehen, erläutert Schumann: „In diesem Fall bot sich die Spieltheorie nur bedingt an. Stattdessen haben wir verstärkt auf Instrumente der Verhaltensökonomie und der Psychologie gesetzt.“ Aus Kundensicht sollte zudem der Fokus auf Qualität und Liefersicherheit liegen. Betrachtet man die in dem konkreten Fall genutzte Verhandlungsskizze (siehe Grafik), so erkennt man ein wenig die Dramaturgie eines Krimidrehbuchs. So ähnlich muss man sich den geplanten Ablauf der Verhandlungen im Bereich der Spezialprofile auch vorstellen, da Konsequenzen, Forderungen und Entgegenkommen sich bewusst abwechseln und unter Nutzung modernster Erkenntnisse aus der Psychologie zum Einsatz kamen.

So erhielt KN beispielsweise die Information eines Herstellers von Jugendstilholzprofilen aus Brandenburg, dass ihm eine hohe Planungssicherheit über einen längeren Zeitraum mit verhältnismäßig hohen Anzahlungen wichtiger sei als eine flexible Bezahlung bei der Bearbeitung der Sanierungen – da Kosten vor allem bei der Vorbereitung und Anschaffung der Materialien entstehen. Daraus konnte ähnlich der Prämissenliste eine Art Katalog als Verhandlungsgrundlage entstehen. Mit Erfolg, wie Schumann beschreibt: „Nach dem Abschluss aller Verhandlungen waren sehr zufriedene Gesichter auf Kundenseite zu erkennen: Gemeinsam mit dem Kundenteam konnten wir Einsparungen von mehr als 17 Prozent erzielen.“

Fazit: Mit System statt Freestyle

An diesem Praxisbeispiel zeigt sich: Wer unvorbereitet und emotional in eine Verhandlung eintritt, verschenkt oft bares Geld, denn es sind vor allem die Freestyle-Verhandlungen, die fehlerhaft und unüberlegt geführt werden. Geschicktes Verhandeln verlangt Struktur und System. Zudem ist es für die Wahl der Verhandlungsmethodik ein Unterschied, ob die Verhandlung mit einem Monopolisten erfolgt, der sich seiner Macht durchaus bewusst ist, ob nur zwei oder drei Anbieter zur Auswahl stehen oder das Angebot unüberschaubar groß ist. Egal in welchem Feld: „Verhandlungen scheitern oft daran, dass zu viele Emotionen im Spiel sind, die von Frustration über Verärgerung bis hin zu Euphorie reichen“, weiß Schumann. „Damit können Verhandlungen kaum erfolgreich verlaufen. Das geht nur, wenn man diese Emotionen herausnimmt und ein klares System entwickelt.“

Als Grundlage für den erfolgreichen Abschluss komplexer Verhandlungen kann die Spieltheorie Ansätze liefern. Um sich dieser zu bedienen, bedarf es einiger Arbeit im Vorfeld: Klare Zielvorstellungen und die Definition von möglichen Ausweichzielen sowie eine gründliche Analyse der Markt-, Wettbewerbs- und Einkaufssituation helfen den Verhandlungsführenden, den Überblick zu behalten und bei einer plötzlichen Wendung bei der Vergabe nicht den Faden zu verlieren.