Ein PVC-Fenster namens Greta

Reinhold Kober, Chefredakteur GFF - © Foto:privat

„Wow, das ist mindestens mutig“, lasen Sie vor einem Jahr ( GFF 11/19) im damaligen Exklusivinterview mit der Inhaberfamilie am Sitz von Salamander Industrie-Produkte (SIP) in Türkheim. Till Schmiedeknecht, Co-CEO wie geschäftsführender Gesellschafter, kündigte an, sich den Begriff „Greta“ namensrechtlich schützen lassen zu wollen. Heute ist das gleichnamige System mit offenporiger Textur und zu 100 Prozent aus rezykliertem PVC am Markt platziert. Der studierte Architekt und Fachmann für Digitalisierungsthemen erklärte den vom Interviewer zunächst als durchaus provozierend empfundenen Marketingcoup selbstbewusst: „Vergleichen Sie doch den energetischen Aufwand für die Umformung von Aluminium, sehen Sie sich den Recyclinganteil in unserer Industrie an und denken Sie an die Performance, nicht nur bei der Dämmung, auch beim Glasanteil und damit beim Tageslichteintrag, welche wir mit unseren Profilen erreichen.“ Sicher, nach der Entscheidung des EU-Parlaments, die von der Kommission geplanten Ausnahmen vom Bleiverbot nicht zuzulassen ( GFF 4/20), ist die freiwillige Recycling-Selbstverpflichtung der Branche bis auf Weiteres mit einem Fragezeichen versehen. Und auch was die heranwachsende schwedische Klimaaktivistin mit der für viele erstaunlichsten öffentlichen Karriere der zurückliegenden Jahrzehnte zum Greta Launch im Unterallgäu sagt, ist nicht überliefert. Dennoch ist das, was SIP in seine greenEvolution Kampagne packt, außerodentlich spannend. Statt im sonoren Grundrauschen der wohlfeilen Nachhaltigkeitsaussagen unterzugehen, setzt Salamander mit dieser Namensgebung den Ton im Chorus der Mitbewerber. Nicht ohne auch in anderer Hinsicht Aufmerksamkeit zu erzeugen: Die Materialfrage mit Optionen wie Alu oder einem grünen Lederfaserstoff, die Fassadenorientierung und abhängig davon die technische Ausstattung von Scheibe und Fenster, Aspekte wie Einbruchschutz, Farbe und Form: Die angekündigte App myWindow Record sorgt für die nötige Diversifikation. Denn: Wenn es eh nur das weiße Kunststofffenster gibt, müssen wir uns nicht wundern, wenn der Bauherr das Thema weitgehend undiskutiert dem GU respektive der Wohnungsbaugesellschaft überlässt – nach dem Motto: No choice, no interest. Dagegen machen Angebote wie das von SIP die Elemente zu Gestaltungsfeatures, mit denen man sich ebenso bereitwillig beschäftigt wie mit der Aufpreisliste des Automobilherstellers. Sich im Kollegenkreis gegenseitig zu erzählen, was doch ein modernes Fenster alles könne, führt in der öffentlichen Wahrnehmung nirgendwohin. Es bedarf eines klaren Commitments zu ästhetischer Varianz und technischen Alternativen, um die Produkte zum Gegenstand von Gesprächen und im zweiten Schritt zum Objekt bewussten Vergleichens und Analysierens zu machen.

Worüber wir in der Jännerausgabe schreiben sollen? Sagen Sie’s uns – diese Themen stehen momentan auf www.gff-magazin.de zur Abstimmung.

1. Abiturienten, hier entlang: Welche Modelle gibt es in der Elementebranche, um Absolventen mit Hochschulreife für eine Ausbildung zu gewinnen?

2. Kunst in der Kathedrale: Bleiverglasung – wer kann das heute noch und was macht die Technik so besonders? Wir recherchieren an der Meisterschule.

3. Messen und Corona – Verlust ohne Wiederkehr? GFF untersucht Motive und Folgen und sagt, wer am Ende des Tages der Leitragende sein könnte.

Ihr

Reinhold Kober