Die Facettenoptik macht’s Die Fassade als Energiequelle nutzen

Photovoltaik-Elemente befinden sich zumeist auf Hausdächern, weil dort die Sonneneinstrahlung am höchsten ist. Doch auch an Hauswänden können sie ein Maximum an Energie erzeugen, wenn sie in Hinblick auf die Technik und das Design optimal an die Fassade angepasst sind.

  • Bild 1 von 2
    © Fraunhofer IMWS
    Die Fassade Solar.shell liefert bis zu 50 Prozent mehr Energie als herkömmlich an der Hauswand angebrachte Solarelemente.
  • Bild 2 von 2
    © A. Heller/ai:L der HTWK Leipzig
    Eine Betonfassade in Facettenoptik ermöglicht einen deutlich höheren Stromertrag. Dafür sind kleine und flexible Solarmodule gefragt.

Es gibt viele ungenutzte Flächen an Hausfassaden – dennoch wird von der Möglichkeit, dort Photovoltaikmodule zu installieren, bisher kaum Gebrauch gemacht. Das könnte zum einen daran liegen, dass die Sonne häufig in einem ungünstigen Winkel auf die Fassade strahlt. Zum anderen trägt die Optik der Solarelemente nicht gerade zur Verschönerung des Gebäudes bei.

Abhilfe für diese Probleme soll eine Solarfassade schaffen, die Forscher des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik CSP gemeinsam mit Architekten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) Leipzig entwickelt haben. Dabei richteten sie die Solarmodule am jeweiligen Gebäude so aus, dass sie im Jahresverlauf möglichst viel Sonnenstrahlung abbekommen. „Durch die optimierte Technik und das verbesserte Design liefern die Module bis zu 50 Prozent mehr Energie als herkömmlich an der Hauswand montierte Module“, sagt Sebastian Schindler, Projektleiter am Fraunhofer CSP. Und auch optisch macht die Solarfassade namens Solar.shell mehr her. Doch wie ist das möglich? „Zunächst haben wir eine dreiminensional gefaltete Fassade nach gestalterischen Aspekten entworfen und diese am Computer modelliert“, erklärt HTWK-Professor Frank Hülsmeier die Vorgehensweise. Zusammen mit seinem Team vom Architektur-Institut Leipzig (ai:L) hat er an dem Entwurf getüftelt. „Im nächsten Schritt haben wir den Sonnenverlauf im Tages- und Jahreszyklus sowie die Höhe der umgebenden Gebäude an einem Standort – in diesem Fall einer Straße in Berlin – in unser Modell einbezogen und in Hinblick darauf den Neigungswinkel sowie die Größe der Module technisch optimiert.“

So sei es schließlich gelungen, mit der gleichen Modulfäche 50 Prozent mehr Energie einzufahren als mit vertikal an der Hauswand installierten Solarelementen. Mithilfe dieses Verfahrens lasse sich für jeden beliebigen Standort die bestmögliche Süd-, West- oder Ostfassade entwickeln. Anhand ihrer Entwürfe realisierten die Architekten vor zirka zweieinhalb Jahren einen zwei mal drei Meter großen Demonstrator aus Alu-Verbundplatten mit neun eingelassenen Solarmodulen.

PV trifft auf Leichtbeton

Mittlerweile ist es dem Fraunhofer CSP, der HTWK Leipzig und der TU Dresden auch gelungen, die PV-Elemente in Fassaden aus Karbonbeton zu integrieren. Der Leichtbaustoff wurde von einem Konsortium aus mehr als 150 Partnern im Projekt C³ – Carbon Concrete Composite entwickelt. Statt Stahldrähten verleihen ihm Karbonfasern die nötige Stabilität. „Wir haben untersucht, wie sich die Elemente am besten an solchen Fassaden anbringen lassen, um den Beton mit der Gewinnung von Sonnenstrom zu kombinieren“, beschreibt Schindler.

Die Forscher des Fraunhofer CSP erarbeiteten drei unterschiedliche Konzepte, um die PV-Elemente in die Fassadenteile zu integrieren: Entweder können sie direkt mit in die Betonteile eingegossen, auf die Betonplatten laminiert oder auf diese geklebt werden. Darüber hinaus ist es möglich, die Module mithilfe von Druckknöpfen oder Schraubverbindungen an den Platten zu montieren – so lassen sie sich für Wartungen oder Reparaturen einfach abnehmen. „Alle drei Befestigungsmöglichkeiten sind technisch machbar“, fasst es Schindler zusammen.

Eine Herausforderung habe u.a. darin bestanden, die Maßhaltigkeit der PV-Module mit den Fertigungsverfahren für die Betonteile in Einklang zu bringen. Dies sei durch eine Absenkung im Betonteil gelöst worden, in welche die Module perfekt hineinpassten. So blieben die gewünschte Sonnenausrichtung und die Gestaltung erhalten. „Auch muss sichergestellt werden, dass die PV-Module nicht dort verschraubt werden, wo der Beton besonders dünn ist oder Karbonfasern liegen, was sich negativ auf die Belastbarkeit des Fassadenteils auswirken würde“, sagt Schindler. Das Projekt ist mittlerweile erfolgreich abgeschlossen.

Marktreife voranbringen

Seit Ende 2019 arbeiten die Forscher im Nachfolgeprojekt Solarcon zusammen. Mit der Hering Unternehmensgruppe und der Firma Sunovation, Hersteller architektonischer Glaselemente, sind auch zwei Industriepartner an Bord. Das Ziel ist es, marktreife Lösungen für die Integration von PV-Modulen in Fertigbetonteile zu entwickeln. Anhand von Langzeittests an den PV-Komponenten und den Schnittstellen zum Beton hin prüfen die Experten, ob die Befestigung der PV-Module dauerhaft hält. Zudem untersuchen sie, wie sich die Schnittstelle bei verschiedenen Witterungsbedingungen verhält und was beschleunigte Alterungstests ergeben. „Die Module müssen über viele Jahre hinweg funktionsfähig sein“, erklärt Schindler. Über spezielle Computersimulationen soll z.B. berechnet werden, inwieweit sich der Beton und die Verbindungsstelle zum PV-Element hin bei hohen Temperaturen aufheizen oder welche Wind- und Drucklasten auf das Solarmodul einwirken.

Weitere wichtige Kriterien sind laut dem Projektleiter die Reparaturfähigkeit, um den problemlosen Austausch der Module an der Fassade zu ermöglichen, sowie die Etablierung wirtschaftlicher Fertigungsketten. „Unser Ziel ist es, das Potenzial der gebäudeintegrierten Photovoltaik mit unterschiedlichen Werkstoffen aufzuzeigen“, sagt er. „Dafür bringen wir die Betonherstellung mit der PV-Welt zusammen.“ Bei der Entwicklung eines finalen Produkts spielten die Formensprache und die Ausgestaltung eine Rolle. „Bisher ist die Herstellung von BIPV-Modulen noch sehr teuer“, bemängelt der Forscher. Durch effiziente Produktionsverfahren und das Erschließen lokaler Verteilungsmärkte ließen sich nicht nur Kosten und Material einsparen, sondern auch die Nachhaltigkeit verbessern. „Dafür wollen wir den Grundstein legen“, ist Schindler zuversichtlich.