Der Staat als Unternehmer, brrr

Reinhold Kober, Chefredakteur GFF - © Foto:privat

Es war kurz vor der Jahrtausendwende, Mitarbeiter des größten deutschen, aber mit zwei Milliarden Mark verschuldeten Baukonzerns Holzmann feiern Bundeskanzler Schröder („Gerhard, Gerhard“) als vermeintlichen Retter ihrer Arbeitsplätze. Gespräche der Anteilseigner Deutsche Bank und Commerzbank (heute selbst zu 15 Prozent in Staatseigentum, mehr als zehn Jahre nach Lehman) waren zunächst ergebnislos geblieben, nachdem die Vorstände die Miesen lange erfolgreich in der Bilanz versteckt hatten. Dann kam Gerd, ließ sich feiern, stellte Bürgschaft und ein Darlehen von gesamt einer Viertelmilliarde Mark bereit. Interessant: Bürgerliche Opposition und (damals noch) Teile der Presse kritisierten, neben dem Mangel an Geld gebe es womöglich strukturelle Ursachen der prekären Situation. Zweieinhalb Jahre später waren der Schuldenberg auf 1,46 Milliarden Euro angewachsen – und Holzmann endgültig pleite. Daran musste ich denken, als der Berliner Tagesspiegel kürzlich zur Stützung der Lufthansa, für die der Staat inklusive KfW-Krediten neun (!) Milliarden Euro lockermacht, unter der Überschrift „Deutliche Mehrheit für staatliche Unterstützung“ feststellte, das Unternehmen habe „dauerhaft 100 Flugzeuge zu viel“ – von wohlgemerkt 760 Maschinen im Gesamtbestand. Da kommen, nicht nur an der Stelle, Zweifel auf an Corona als Erklärungsmodell für jede noch so verfehlte Strategie der Vorstandsetagen. Vergessen wir nicht, es ist unser Geld als Steuerzahler, das da mal eben zehnstellig fließt, um – die bekannte Diktion von Wirtschaftsminister Peter Altmaier – „Deutschlands Position auf den Weltmärkten“ zu sichern und, wie er schon 2019 in interessanter Nähe zu Chinas Inter- und Subventionspolitik sagte, ausländische Investoren fernzuhalten. US-amerikanische Schutzzölle, mithin unmittelbare Antwort darauf, einseitig als Gefährdung für den internationalen Warenaustausch zu kritisieren, findet Beifall, ist aber nur die halbe Wahrheit. Wie wenig es uns Deutsche stört, wenn uns der Staat unangenehme Dinge wie Ursachenforschung und Fragen nach Fehleinschätzungen etwa hinsichtlich nötiger Rücklagenbildung erspart, kulminiert in der Aussage des coronabewegten Herrn Söder, der gleich mal unterstrich, der Einstieg des Staates beim Luftfahrtunternehmen mit dem Kranich könne nur der Anfang sein. Frage: Zu wessen Lasten geht es wohl, wenn die Mitlenker von der Regierung der Lufthansa einst ins Stammbuch schreiben, auf zu wenig nachhaltige Kurzstrecken bitteschön zu verzichten, und gleichzeitig Investoren aus dem Ausland durch solch staatswirtschaftliches Gebaren erfolgreich abgeschreckt werden? Na, dann fahren wir doch mit der Bundesbahn. Das stimmt zwar vom Wording her nicht mehr, aber Servicequalität und Reparaturstau erinnern an diese Zeit. In diesem Sinne: Bleiben Sie unabhängig, so gut es geht.

Bis 5. November haben Sie Gelegenheit, auf www.gff-magazin.de unter diesen Vorschlägen fürs exklusive GFF-Wunschthema in 12/20 abzustimmen.

1. My Werkstatt is my castle: Wie vorlementierte Bauweisen Montagequalität sichern und welche Spieler sich bewusst für dieses Setup entscheiden.

2. I did it my way: GFF stellt Unternehmen vor, die erfolgreich Nischen besetzen und damit in manchen Fällen zu Alleinunterhaltern geworden sind.

3. Hilfe, Asbest: Wir kommen nicht drum herum, den Status quo zu analysieren, und beschreiben den Sachstand beim Umgang mit Kitt, Laibung etc.

Ihr

Reinhold Kober