Der Einsatz von Weichmachern in Dichtstoffen für Isolierglas kann die Gesundheit von Mitarbeitern und die Umwelt gefährden. Der Technische Leiter der Fenzi Gruppe, Pietro Ungarelli, zeigt Probleme und Risiken auf, die Unternehmer nicht unterschätzen sollten.

Die Entwicklung immer innovativerer Lösungen hat dazu geführt, dass auf die Herstellung von Komponenten für Isolierglas spezialisierte Unternehmen in immer stärkerem Ausmaß auf Werkstoffe verzichten, die umweltschädlich sind und die Gesundheit und Sicherheit der Menschen beeinträchtigen. Der Markt bietet Produkte, mit denen Produzenten Isolierglas mit langfristig hoher Dichtigkeit herstellen und einen Beitrag zum Schutz der Gesundheit und des Ökosystems leisten. Weichmacher finden in den unterschiedlichsten Industriesektoren Anwendung und werden ständig weiterentwickelt. In der Regel setzen Hersteller sie Polymeren zu, um die Geschmeidigkeit (Dehnbarkeit, Flexibilität und Elastizität) von Kunststoffen zu erhöhen, die dadurch weniger spröde sind als reine Polymere. Sie dürfen allerdings nicht chemisch mit dem beigemischten Kunststoff reagieren sondern nur eine physikalische Veränderung auslösen, wie zum Beispiel im Elastizitätsmodul der Klebdichtstoffe.
Der ideale Weichmacher
Idealerweise ist ein Weichmacher farblos und geruchlos mit einer UV-beständigen, wasserdichten und unempfindlich gegenüber Temperaturschwankungen chemischen Zusammensetzung. Weichmacher müssen unschädlich sein und eine geringe Entflammbarkeit und eine minimale Volatilität aufweisen (Migrationsresistenz). Mit diesen Funktionen und Eigenschaften setzen Anwender Weichmacher in Dichtstoffen für Isolierglas ein. Marktteilnehmer bieten zahlreiche Weichmacher und Weichmacher-Mischungen und diese Auswahl führt laut Pietro Ungarelli, Technischer Leiter der Fenzi Grupe, häufig dazu, dass Akteure aus der Glasbranche die Risiken bei der Verwendung von ungeeigneten und sogar gefährlichen Produkten oft unterschätzen. Bei den Dichtstoffen für Isolierglas auf der Basis von Polysulfiden und Polyurethan fanden Weichmacher auf der Basis von Benzylbutylphtalaten oder Benzoatester jahrzehntelang ihren Weg in den Markt. Sogar heute finden sich in einigen billigen Produkten noch chlorierte Kohlenwasserstoffe, die auch als Chlorparaffine bezeichnet werden. Diese Stoffe unterscheiden sich durch die Länge der Kohlenwasserstoffkette und genau diese Eigenschaft stellt ein potentielles Risiko dar. Kurzkettige Chlorparaffine (SCCP) sind für die meisten Anwendungen in der EU und in Nordamerika verboten, wo sie als potentiell krebserregend für den Menschen klassifiziert sind. Mittelkettige (MCCP) und langkettige (LCCP) Chlorparaffine sind in der EU nicht verboten, wurden aber von zahlreichen Mitgliedsstaaten unter Beobachtung gestellt. In Zukunft könnten die Verantwortlichen weitere Einschränkungen für diese Stoffe in die REACH-Verordnung aufnehmen.
Menge bedenklicher Stoffe
Dichtstoffe mit Formulierungen, die mittelkettige Chlorparaffine enthalten, sind als gefährlich für die Umwelt klassifiziert und mit Hinweisen gekennzeichnet. Dichtstoffe mit Formulierungen, die MCCP enthalten, sind als Gefahrgut für den Transport eingestuft. Die Beförderung dieser Produkte auf der Straße dürfen nur Fahrer mit ADR-Schulungsbescheinigung und Fahrzeugen transportieren, die über eine entsprechende ADR-Zulassung verfügen. Der Empfänger trägt die Verantwortung zu prüfen, ob die Lieferung korrekt erfolgt. Trotz der Verpflichtungen, die die wichtigsten Hersteller von Isolierglasdichtstoffen seit 1994 eingegangen sind, werden mittelkettige Chlorparaffine (MCCP) in den letzten Jahren laut Ungarelli verstärkt in Dichtstoffen für Isolierglas eingesetzt - die Rede ist hier nicht nur von Importen aus Nicht-EU Ländern. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, könnte der Verbrauch mittelkettiger Chlorparaffine (MCCP) für Dichtstoffe in Europa einen Umfang von zigtausend Tonnen erreichen, da in der Formulierung der Dichtstoffe Weichmacher mit einem Anteil von mindestens zehn Prozent enthalten sind - eine nach Einschätzung von Fenzi bedenkliche Menge.
Gefahrenpotenzial
Warum sind mittelkettige Chlorparaffine (MCCP) in Dichtstoffen für Isolierglas gefährlich? Wie andere chlorierte Kohlenwasserstoffe sind auch die MCCP sehr langlebig, nicht biologisch abbaubar und lipophil. Sie lagern sich im Fettgewebe, in den Nieren und in der Leber ein. Auch wenn MCCP einen niedrigen Dampfdruck haben, sollten Betreiber diesen Faktor in der Nähe der Anlagen, in denen MCCP verarbeitet werden, zum Beispiel Pumpen für Fässer, nicht vernachlässigen. Als Hauptproblem nennt Ungarelli den direkten Hautkontakt während der Verarbeitung der Dichtstoffe beim Isolierglashersteller. Untersuchungen, die das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München durchgeführt hat, haben eine alarmierend große Anzahl hoher MCCP-Konzentrationen in den Hausstaubmessungen ergeben. Diese Ergebnisse seien auch auf Flammschutzmittel für Tapeten und auf Fußbodenbeläge zurückzuführen. Dichtstoffe mit MCCP für Isolierglas kommen als weitere Quelle für die Verseuchung der Lebensräume zu Hause und am Arbeitsplatz in Frage.
Weitere Risiken
Welche anderen Risiken bestehen im Zusammenhang mit Dichtstoffen in dieser Formulierung? Es bestehen potentielle Risiken im Brandfall. Unter starker Hitzeeinwirkung entwickeln MCCP-haltige Dichtstoffe Salzsäure und Polychlorierte Furane. Genau wie die Polychlorierten Dioxine klassifiziert die in der gesamten EU gültige Seveso-II-Richtlinie Polychlorierte Furane als Gifte. Aufgrund dieser Klassifizierung unterliegen die Verwendung und Aufbewahrung dieser Stoffe strengen Kontrollen durch die zuständigen Behörden. Einige skandinavische Länder, wie Dänemark, haben die SCCP und die MCCP in die Liste der unerwünschten Stoffe aufgenommen (LOUS 2009). Diese Liste hat die dänische Umweltschutzbehörde erstellt und sie dient als Leitfaden für Unternehmen, die in der Liste genannten Stoffe durch andere, weniger schädliche Stoffe zu ersetzen.
Pflichten der ISO-Hersteller
Daneben besteht das Problem der Entsorgung von Dichtstoffen mit MCCP-haltigen Formulierungen: Die Verbrennung in Müllverbrennungsanlagen ist ausgeschlossen und sie dürfen nicht mit dem Restmüll entsorgt werden. Bisher ist ihre Entsorgung nur als gefährlicher Sondermüll mit Abfallschlüssel 080409 "Klebstoff- und Dichtmassenabfälle, die organische Lösemittel oder andere gefährliche Stoffe enthalten" möglich. Nach Vorgabe der EU-Bauprodukteverordnung Nr. 305/2011 müssen Hersteller von Isolierglas, die MCCP-haltige Dichtstoffe verwenden, ab sofort in der DoP-Leistungserklärung angeben, dass ihr Produkt diese Gefahrenstoffe enthält. Die US-Umweltschutzbehörde EPA (Environment Protection Agency) hat die MCCP und die LCCP 2009 zum ersten Mal als eigenständige chemische Stoffe klassifiziert und so die Prozedur für die Risikobewertung für ihre Verwendung eingeleitet. Seit der Veröffentlichung des Entwurfs zur Risikobewertung für die Öffentlichkeit plant die EPA ein Verbot der Produktion.
Rat für die Branche
Was sollten Hersteller von Isolierglas, Fenster- und Fassadenbauer tun? Fenzi ermutigt die Hersteller von Isolierglas, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen. Eine Prüfung der Sicherheitsdatenblätter, die es bereits für diese Produkte gibt, kommt als erster Schritt in Frage. Wenn die Formulierungen der Dichtstoffe Chorparaffine als Weichmacher enthalten, dann sollten Unternehmer Alternativen in Erwägung ziehen. Die Verwendung MCCP-haltiger Dichtstoffe bei der Herstellung von Isolierglas verstößt gegen die maßgeblichen EU-Vorschriften, die die Verwendung weniger gefährlicher Stoffe fordern, wenn diese auf dem Markt erhältlich sind. Fenster- und Fassadenbauer sollten sich überlegen, ob die Verwendung von Isolierglas, bei dessen Herstellung diese Weichmacher eingesetzt werden, vertretbar ist. Zu den Umweltschäden und den potentiellen Gesundheitsschäden kommen höhere Betriebskosten im Hinblick auf die Entsorgung sowie der Ausschluss von Green-Building Projekten. Für Nachhaltigkeitszertifizierungen für Gebäude nach DGNB, Basta oder Nord Ecolabelling sind solche Isolierglasscheiben von der Zertifizierung ausgeschlossen.