Fachprogramm auf der Bautec 2020 Die Hochzeit von Holz und Glas

Eingebettet ins Messeprogramm der Berliner Bautec, fanden im Februar die Fenster-Fachtagung und der InnoTreff Brandschutz statt. Themen waren der fachgerechte Holz-Glas-Anschluss, Holz-Glas-Verbundsysteme sowie multifunktionale Brandschutz- und Sicherheitsglaslösungen.

Aus der Praxis: Lumenios Sanierungssysteme (Renovaid) zeigte auf der Fenster-Fachtagung den richtigen Umgang mit plastischen Dichtstoffen für Verglasungen. - © Manzke

Bei der Fenster-Fachtagung 2020, moderiert von Heinz Blumenstein, Bundesverband ProHolzfenster e.V., Berlin, wurden Praxistipps zum Holz-Glasanschluss und hierbei auch Holz-Glas-Verbundsysteme aufgezeigt. Dort, wo der Glasanschluss mittels Fensterkitt erfolgt, stellte sich die Frage neuer Materialentwicklungen, die den traditionellen Fensterkitt zunehmend durch hybrid- bzw. kunststoffbasierten Fensterkitt ablösen. Ein weiteres Thema der Fachtagung war schließlich die Holzfensterreparatur mit elastischen Epoxidharzen. Und dies alles auf dem Hintergrund von Normen und Regeln, die Ralf Spiekers, Tischler Schreiner Deutschland, Berlin beherrscht. Denn auch für die im Fensterbau eingesetzten Gläser gilt es bestimmte Normen einzuhalten.

Hanspeter Petschenig, CEO Petschenig glastec GmbH, hatte durch neue Klebeverfahren und Materialien in den letzten Jahren bei Holz-Glas-Verbundsystemen (HGV) neue Trends bei Holz-Glas-Fassaden gesetzt. „Die technischen Voraussetzungen Glas mit Holzbau intelligent zu kombinieren, verändern den Fassadenbau durch neu entwickelte Isolierglaselemente, die auch statisch tragende Funktionen übernehmen. Mit dem Innovationspotential erreichten die Holz-Glasverbundfassaden im letzten Jahr neue Höhenrekorde, so wie der Ratschingerhof in Südtirol“, so Petschenig.

Sicheres Kleben und Dichten von Fenstern

Die Verklebung der Glasscheiben mit dem lackierten Flügelrahmen stellte noch bis 2018 eine handwerkliche und zeitaufwendige Herausforderung dar, weil bis dahin nur eine Verklebung auf dem rohen Holz zulässig war. Für einen automatisierten Fertigungsprozess war diese Vorgabe bisher sehr hinderlich. Um die Verklebung der Glasscheiben mit einem lackiertem Flügelrahmen zu realisieren wurde in Zusammenarbeit mit dem ift-Rosenheim, der Holzforschung Austria, der Berner Fachhochschule mit den Firmen Tesa, Lohmann, Kömmerling, Sika, Otto Chemie und der Fa. Remmers die ift Richtlinie VE08/04 „Beurteilungsgrundlage für geklebte Verglasungssysteme“ überarbeitet und mit dem Teil 5 „Klebung auf beschichtetem Holz ergänzt. Dabei wurden Standardlackuntergründe im Zusammenspiel mit der funktionsrelevanten Verklebung erstmals als System definiert.

Die Beteiligten Unternehmen Remmers, Lohmann und Otto-Chemie hatten das System anschließend nach der Richtlinie VE/08 Teil 4 beim ift Rosenheim geprüft. Seit März 2018 sind somit geprüfte Systeme für die Verklebung von Glasscheiben mit einem lackiertem Flügelrahmen im Markt erhältlich. Die Wirksamkeit der geklebten Systeme ist auch daran zu erkennen, dass in Kooperation mit den Firmen Gutmann, Leitz, Roto, GU, Lohmann, Otto-Chemie und Remmers die Einbruchhemmung an Fenster Klasse RC3 bestanden wurde, hob Martin Wiesmann, Bereichsleiter Remmers Technik Service Industrie, Holzfarben und Lacke in seinem Vortrag hervor.

Für Architekten und Fensterbauer ist der Umgang mit unteren Anschlüssen bodentiefer Fenster und Hebeschiebetüren immer wieder eine Herausforderung. „Mit unserem Produkt Remmers MB2K haben wir im Januar 2020 eine ebenfalls von der Holzforschung Austria durchgeführte Stauwasser-Prüfung des Anschlusssystems nach der „Entwurf Richtlinie Bauwerksabdichtung Teil 2: Ausführung und Anschluss an bodentiefen Fenster und Türen Ausgabe 04.02.2019“ bestanden. Die fachlichen bzw. handwerklichen Unsicherheiten, die sich bei unteren Anschlüssen bisher ergaben, lässt sich jetzt vom Fensterbauer und anderen Fachbetrieben fachgerecht und nachvollziehbar realisieren“, stellt Wiesmann fest.

BrandBlicke beim InnoTreff Brandschutz

Anlässlich der bautec luden die Initiatoren Eckhard Steinicke, Steinicke Handelsgesellschaft, Dirk Borrmann, TÜV Rheinland und Uwe Manzke, IWP Wissenschaftsredaktion, erstmals zum „InnoTreff Brandschutz“. Wie viel Brandschutz die Wohnungswirtschaft verträgt, rückte Ingeborg Esser, GdW, in der Keynote in den Fokus. Das zunehmend komplexere Zusammenwirken von technischen Anlagen im Brandschutzkonzept fasste Borrmann mit der neuen VDI Norm 6010 Blatt 1 zusammen. Weitere Themen waren Fehlverhalten im Brandfall, Bauprodukte und ihre fachgerechte Anwendung, und Brandschutz als Kostentreiber.

Eine durch Feuer verursachte Betriebsunterbrechung oder durch behördliche Anordnungen verspätete Inbetriebnahme z:B. bei einem Rechenzentrum, Hotel, Industrie- Lagerhalle, oder Verwaltungsgebäude können teure Ausfälle für mehrere Unternehmen gleichzeitig verursachen. Aus Sicht der Unternehmen ist daher eine stärkere Sensibilisierung für den Brandschutz festzustellen, so Steinicke. „Das ist zunehmend von der jeweiligen Branche und Risikobewertung abhängig. Zum Beispiel in der Gastronomie sind Küchenbrände sehr häufig anzutreffen. Fette und Öle in der Abluft können bei unzureichender Reinigung zu Ablagerungen im Kanal sowie am Ventilator und Filter führen. Dadurch erhöhen sich Brandlasten und das Risiko eines Brandes erheblich. Anlass für uns, dieses Thema auf dem InnoTreff Brandschutz aufzugreifen“, beschreibt Steinicke die Motivation.

Brandschutzglas mit Mehrwert

Über multifunktionale Glaslösungen, Sicherheitsglas, Sicherheitsstandards im Brandschutz, Funktionalitäten und Richtlinien, berichtete Ulrike Martiens, Vetrotech-Saint Gobain. Dabei werden verschiedene Herstellungstechnologien nach den europäischen Klassifizierungen EN 13501-1 für Brandschutzverglas-ungen verwendet.
Die Kombination aus Brandschutz- und Sicherheitsglas in unterschiedlichen Systemen aus Holz, Alu oder Stahl ermöglicht anspruchsvolle Lösungsansätze besonders in öffentlichen Bereichen wie Krankenhäuser, Verwaltungsgebäuden, Hotels und Schulen. „Die technischen Lösungen heute können u.a. auch flächenbündiges Brandschutzglas Controflam Structure 30 mit integriertem Einbruchschutz der Klasse RC2 und RC3 zugelassen anzuwenden. Dank der Kombination aus 30 Minuten Feuerbeständigkeit und Durchbruchhemmung werden ein Höchstmaß an Sicherheit und hervorragende Schallschutzwerte erreicht. Mit einigen Systemen ist diese Art der Verglasung sogar absturzsicher zugelassen“, ergänzt Martiens.

Brandschutzkonzept geprüft und genehmigt und alles ist gut?

Für Fachplaner oftmals ein Weg mit Hindernissen, weiß Dirk Borrmann,TÜV Rheinland. Denn die Realität sieht in der Praxis anders aus. In komplexen Gebäuden müssen viele sicherheitstechnische Anlagen im Zusammenspiel funktionieren, damit der Brandschutz gewährleistet ist. Das notwendige Zusammenwirken der Anlagen muss im Brandschutzkonzept durch ein sicherheitstechnisches Steuerungskonzept vorgegeben werden. „In Brandschutzkonzepten sind die Vorgaben für die Fachplaner nur kaum oder unzureichend beschrieben. Teure Nachrüstungen während der Bauausführung, Verzögerungen, und Streitfälle sind die Folgen. Mit der neuen VDI Richtlinie 6010 Blatt 1 werden die Planungsphasen und Aufgaben der Beteiligten für das Zusammenwirken von Anlagen nachvollziehbar vereinheitlicht“, so Borrmann.

Kommt es in der Wohnungswirtschaft zu einem Brand mit Rauchentwicklung sind die richtigen Reaktionen der Bewohner überlebensnotwendig. „Das häufige Fehlverhalten von Bewohnern in Wohnungen im Brandfall aus Unkenntnis hat uns daher inspiriert eine für Bewohner verständliche Fachempfehlung „Verhalten im Brandfall“ zu erstellen. Für Wohnungsgesellschaften kann sie mit grafischer Aufbereitung in Abhängigkeit vom Anbieter eine Grundlage für Veröffentlichungen bzw. Aushängen in Wohngebäuden sein“, so Frieder Kircher, LtdBD i.R. Berliner Feuerwehr. Mehr Durchblick im Brandschutz soll auch ein Schülerwettbewerb für 7 bis 10-Klässlern schaffen. Sie sollen kreative Ideen entwickeln, wie sich das richtige Verhalten im Brandfall realisieren lässt. Ab 20.04.2020 können die Vorschläge online unter https://120sek.de eingereicht werden.

Wie viel Brandschutz verträgt die Wohnungswirtschaft?

Die gesetzliche Grundlage für den Brandschutz bilden die Landesbauordnungen der Bundesländer, ergänzt durch die technischen Vorgaben. „Diese werden jedoch durch die kommunalen Verantwortlichen jeweils (unterschiedlich) interpretiert. Es kann auch vorkommen, dass Vorgaben im "vorauseilendem Gehorsam" für die notwendigen Brandschutznachweise unnötig übererfüllt werden oder Planer aus Erfahrungsmangel zu viel planen“, beschreibt Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die bundesweit unterschiedlichen Erfahrungen der Wohnungsunternehmen. Natürlich gibt es gute Beispiele für die Zusammenarbeit der Beteiligten, die zeigen, dass der Brandschutz nicht per se zu hoch und damit zu teuer ist. Sie plädiert daher für eine überschaubare eindeutige Vereinheitlichung der Anforderungen zur Kostensenkung, ohne die Sicherheit einzuschränken.

“Wichtig ist es, die Relation zu den täglichen Gefahren nicht aus den Augen zu verlieren. Im täglichen Leben- vor allem im Verkehr - nehmen wir bewusst viel höhere Gefahren in Kauf. Und beim Brandschutz soll es 100 Prozent-Schutz sein“ spitzt Ingeborg Esser zu. “Natürlich sollen Brandtote verhindert werden, die Frage ist aber immer auch zu welchem Preis.“

Exkurs: Neues Berliner Riesenprojekt: TXL Baustart 2021?

Mit der geplanten Schließung des TXL - Flughafenx am 08. November 2020, der BER müsste bis dahin funktionstüchtig sein, soll auch das geplante Schumacher Stadtquartier laut Katrin Lompscher, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, durchstarten. Das Quartier soll mit mindestens 5000 Wohnungen für mehr als 10.000 Einwohner dabei zum Modell für den Wohnungsbau aus Holz werden, erklärte Sie im Vorfeld der bautec anlässlich der 10. Standortkonferenz zur Nachnutzung des Flughafens Tegel. Spatenstich für den TXL Quartiersumbau könnte demnach im Mai 2020 sein.