So haben Sie technische Neuerungen im Griff Alles klar mit VV TB und Absturzsicherung

Änderungen im Baurecht zur Harmonisierung mit EU-Normen, Absturzsicherung (Befestigung) und Einbruchhemmung: Die Fachtagung Normung und Technik des VFF bot viele Gelegenheiten, potenzielle Stolpersteine zu erkennen und Lösungen mitzunehmen.

Die Referenten der Fachtagung Normung und Technik (v.li.n.re.): Frank Koos, Detlef Timm, Christian Anders, Prof. Christian Niemöller, Dr. Gerd Maurer, Wolfgang Jehl, Dr. Gerhard Scheuermann und Reinhard Schüngel - © Heiler

"Die EU-Kommission überlegt, nur noch national geregelte Produkte in Umlauf bringen zu lassen", mit dieser bemerkenswerten Aussage beantwortete Ministerialrat Dr.-Ing. Gerhard Scheuermann vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg und Vorsitzender der Fachkomission Bautechnik der Bauministerkonferenz, eine Frage aus dem Publikum nach der Vereinheitlichung der Regeln für Bauprodukte. Schon jetzt haben rein nationale Bauprodukte, die nicht in EU-Normen geregelt sind, in Deutschland weiter das Ü-Zeichen, eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ). Die Harmonisierung der DIN-Normen mit den EN-Normen der übrigen Produkte erarbeiten die Behörden aktuell mit der Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (VV TB), die als Entwurf jetzt vorliegt. Scheuermann griff aus dem insgesamt 366 Seiten starken Werk inklusive Anhang Änderungen für Bauprodukte aus Glas heraus. Für Überdachungen mit Verbundsicherheitsglas (VSG) müssen Hersteller als Schutzziel jetzt eine Resttragfähigkeit der PVB-Folie im beschädigten Zustand nachweisen. Zudem sei die Fremdüberwachung für ESG-H nach einer Anforderung der EU-Kommission gestrichen worden. Darauf sollten Abnehmer in Zukunft mit Blick auf die dokumentierte Qualität achten. Bei Eingaben der Verbände aus der Glas-, Fenster- und Fassadenbranche über mögliche Änderungen des Entwurfs sei die Bauministerkonferenz gesprächsbereit, auch mit Blick auf die Einschränkung des Einsatzes von monolithischem ESG-H, dessen Oberkante mehr als vier Meter über Verkehrsflächen liegt, also in Fassaden.

Absturzsicherung richtg befestigen

Elemente mit bodentiefer Verglasung erfreuen sich bei Kunden immer größerer Beliebtheit - das fordert von den Fensterbauern auf der Baustelle eine Lösung für die Absturzsicherung zum Schutz der Nutzer. "In jedem Fall müssen ausführende Betriebe die auftretenden Kräfte sicher in den Baukörper übertragen. Die genaue Bemessung dieser Kräfte ist deshalb unbedingt nötig", sagte Experte Wolfgang Jehl vom ift Rosenheim. Für absturzsichernde und einbruchhemmende Elemente fordert der RAL-Leitfaden einen statischen Nachweis, einen Prüfnachweis und einen Verwendbarkeitsnachweis für das Element und die Befestigung, den ein branchenerfahrender Statiker, eine notifizierte Prüfstelle oder eine Zulassungsstelle austellen können. Hinweise finden Betriebe im RAL-Leitfaden zur Montage unter dem Sonderfall 2. Er empfahl bei Einbruchhemmung und Absturzsicherung, die Hinweise des Deutschen Institus für Bautechnik (DIBt) zu Dübelverankerungen von 2010 zu beachten:
- Dübelsysteme müssen von einem Planer ausgewählt, geplant und vermessen werden - diese Tätigkeiten gehören nicht zu den Aufgaben eines Monteurs
- der Monteur darf nicht eigenmächtig von den Vorgaben der Konstruktionszeichung abweichen
- der ausführende Betrieb muss für die Montage von Dbelsystemen geschultes Personal einsetzen
Der Rechtsanwalt Prof. Christian Niemöller wies die zirka 80 Teilnehmer der ausgebuchten Fachtagung darauf hin, unbedingt die Inhalte der Baugenehmigung zu lesen und erwähnte Normen zu beachten. Bei Bedenken sollten Sie auf mögliche Mängel am Bauwerk schriftlich per E-Mail oder Schriftsatz hinweisen, zum Beispiel bei nicht ausreichend tragfähigem Mauerwerk für die Befestigung von abstzursichernden oder einbruchhemmenden Elementen. Eine Verletzung dieser Mitteilungspflicht führe zur Haftung des Auftragnehmers. Danach sollten Sie auf die Entscheidung des Auftraggebers warten und nicht direkt weiterarbeiten, weil auch sonst die Haftungsfalle droht.

So sind Sie auf der sicheren Seite

Bei der Befestigung von Elementen mit absturzsichernder Funktion sind Sie laut Jehl vom ift Rosenheim nach dem Sonderfall 2 im RAL-Leitfaden zur Montage auf der sicheren Seite, wenn Sie folgende Regeln beachten:
- Dübel mit ETA oder AbZ für den vorhandenen Untergrund oder entsprechenden Prüfnachweis in Kombination mit ZiE einsetzen
- Lastkette aus Baustoffen, die für tragende Zwecke zugelassen sind: Stahl, Edelstahl, Beton, Holz, Aluminium
- ETB-Eignung des Befestigers für 2,8 Kilonweton Bruchlast geprüft
- objektbezogenen statischen Nachweis vor der Bauausführung erstellen und ggf. beim Prüfingenieur einreichen
Der Experte gab zusätzlich folgende Empfehlungen:
- schaffen Sie einen firmeninternen Standard für den Umgang mit dem Sonderfall 2 des RAL-Leitfadens zur Montage
- DIN 18008-4 interessiert nur für die unmittelbare Glasbefestigung. Für die Nachweiskette bis in den tragenden Untergrund ist die ETB-Richtlinie "Bauteile, die gegen Absturz sichern" maßgebend
- Rechnerischer Nachweis für Verbereiterungen und Dämmstoffe ist in der Regel nicht möglich - deshalb Rahmenbauteile direkt an den Rohbau anschließen.
- vor der Ausführung einen im Fensterbau erfahrenen Statiker mit statischem Nachweis beauftragen

Stimmen der Teilnehmer

"Wir lösen das Thema Absturzsicherung meist mit einem Pendelschlagversuch an einem mit üblichen Befestigungsmitteln montierten Testelement mit Holzplatte auf der Baustelle. Das ist meist günstiger als der Einsatz speziell geprüfter Befestigungsmittel", sagt Martin Gugelfuss, Geschäftsführer des Fensterherstellers Gugelfuss. Die weitere Nutzung von bestehenden Zulassungen für Lösungen zur absturzsichernden und einbruchhemmenden Befestigung im Zuge der veränderten VV TB sieht Oliver Windeck, Geschäftsführer von Metallbau Windeck, als heißes Eisen: "Mit Blick auf Rechtssicherheit muss diese Frage eindeutig beantwortet werden. Die Branchenverbände müssen sich hier positionieren und ihren Mitgliedern eine Orientierung geben." Der VFF will sich um Lösungen in Absprache mit den Behörden und dem DIBt kümmern, bestehende Prüfungen für Befestigungslösungen zur Absturzsicherung und Einbruchhemmung auch nach der neuen VV TB zur Nachweisführung nutzen zu können. Andernfalls kommen hohe Kosten und Aufwand für die erneute Prüfung und Zulassung dieser Systeme auf die Branche zu.