
Mir ist ein Statement vorab sehr wichtig: Ich und auch Tischler Schreiner Deutschland sind sehr daran interessiert, dass es sichere Bauprodukte gibt und niemand durch Bauprodukte, wie z.B. das Isolierglas, geschädigt wird. Dennoch muss man die Kirche im Dorf lassen. Im Arbeitsschutz hat man das sog. Risiko-Akzeptanzmodell eingeführt. Man spricht also von akzeptierten Risiken. Und ein sicheres Leben gibt es nicht. Wir sollten daher mit Augenmaß auf das Thema Sicherheitsglas blicken. Und für mich ist nicht so ganz verständlich, dass mit der Argumentation von verglasten Innentüren, die zum jetzigen Zeitpunkt nicht Gegenstand des Normenausschusses sind, nun bodentiefe Außenverglasungen geregelt werden. Letzteres ist schon ein Stück weit skurril, denn markante Schadensfälle bei bodentiefen Verglasungen sind meines Wissens nicht benannt worden. Häufig hört man auch von der Vorbildfunktion anderer Länder. Aber muss man wirklich alles mitmachen?
Freiheit des Bauens nicht einschränken
Vielleicht an dieser Stelle mal ein Wort zu den Baukosten. Die Politik spricht immer wieder davon, dass Wohnraum bezahlbar sein muss. Im Umkehrschluss allerdings wird durch höhere Sicherheitsstandards anders gehandelt, und werden die Baukosten deutlich erhöht. Wenn der Staat bereit ist, mehr Geld für seine Bauten auszugeben, ist es ja für die Branche nicht schlecht. Aber glauben Sie mir: In den Diskussionen, die ich in anderen Bereichen sehe, gibt es immer einen, der das bezahlen muss. Und wenn sie näher mit den Vertretern der Oberfinanzdirektion reden, dann kommen hier deutliche Worte hinsichtlich vermeidbarer Kosten. Nicht zuletzt ist davon vor allem der Bürger betroffen, wenn er baut.
Er bezahlt eigentlich zweimal: einmal durch Steuerabgaben, aber auch eben dann, wenn er selbst baut. Es ist richtig, dass wir in den öffentlichen Bereichen durchaus vermehrt Sicherheitsgläser haben. Aber man sollte das Einfamilienhaus, in dem der Tischler und Schreiner verstärkt tätig ist, nicht aus dem Auge verlieren. Man darf auch nicht vergessen, dass die gesetzlichen Regelungen eigentlich die Freiheit des Bauens nicht einschränken wollen; von daher sind solche Postulate kritisch zu sehen.
Preisverfall befürchtet
Aus meiner Sicht sollte man auch zwei Betrachtungsweisen nicht miteinander vermengen. Die eine ist kaufmännisch: Es gibt hier die Sichtweise, dass die erhöhte Sicherheit und die damit verbundenen höheren Quadratmeterpreise durchaus auch höhere, absolute Gewinne generieren. Letztere werden ja bekannterweise nach Ermittlung der Kosten gebildet. Aber man darf auch nicht außer Acht lassen, dass dann alles Standard ist und es weniger Alleinstellungsmerkmale in der Preisbildung gibt. Ich gehe von einem Preisverfall der betroffenen Produkte aus. Ich glaube, die Glaspreisentwicklung von Zweifach- hin zu Dreifach-Isolierglas ist hier ein gutes Beispiel. Die zweite Sichtweise ist technisch: Hier muss man vielleicht unterscheiden, wer – und in welchem Zusammenhang – von der neuen Regelung betroffen sein wird. Hier ist die Gemengelage nicht unbedingt eindeutig. Die Hersteller von Fenstern haben Platzprobleme im Falzraum und v.a. Gewichtsprobleme in den Flügeln. Und auch der Mitarbeiter – wir stehen kurz vor dem Fachkräftemangel – muss das Element schleppen. Die weiteren Punkte, wie z.B. die Anisotropie, brauche ich, glaube ich, nicht näher auszuführen.
Welches Glas denn nun?
Die Formulierung „bruchsicheres Glas“ bietet übrigens mehr Möglichkeiten, als ESG und VSG einzusetzen. Man sollte in der Norm schon schreiben, welches Glas man meint. Nur darauf zu verweisen, dass dies in anderen Schriften, wie z.B. denen der BG, definiert ist, reicht m.E. nicht. Wenn man die Diskussion verfolgt hat, gibt es doch einige Regelsetzer, die ausschließlich ESG oder VSG in diesem Bereich fordern. Und spannend wird es, wenn man sich hinsichtlich des ESG genauer mit den Heißlagerungszeiten befasst. Hier gibt es Abweichungen zwischen nationalen und europäischen Sichtweisen. Ein Konflikt zwischen Kunde und Auftraggeber ist vorprogrammiert.
Klar Position beziehen
Gespräche mit dem Bundesinnungsverband des Glaserhandwerks haben gezeigt, dass auch dieser die DIN-Norm kritisch sieht. Insbesondere ist der Wegfall der Vier-Meter-Regel (Ausnahmegenehmigung) schmerzhaft und führt zu weiteren Nachweispflichten. Von daher stellt sich mir die Frage, was man noch tun kann. Im Prinzip wäre es mir am liebsten gewesen, wenn die Glaser im Normenausschuss als Normenausschussvertreter beim finalen Votum klar Position bezogen hätten. Solche Positionen sind in der Regel machtvoller als die Option eines späteren Einspruchs, den ein jeder zu Normenentwürfen einlegen kann. An dieser Stelle darf man nicht vergessen, dass der Normenausschuss diese Regelung ja politisch festgelegt hat. Und in diesem Punkt sind Einsprüche – in diesem Fall von Dritten – nicht wirklich durchsetzbar.