Wohin geht der Trend bei hochwertigen Fassaden? GFF hat bei Klaus Lother, Geschäftsführerdes Fassadenbauunternehmens Josef Gartner, nachgefragt; denn der Marktleader verantwortet Prestigeprojekte auf der ganzen Welt – mit unterschiedlichen Anforderungen an die Fassade.
Im Trend liegen Fassaden mit kaltgebogenen Funktionsgläsern, welche die Formensprache der Architektur erweitern. So verkleidet Gartner gerade das 465,7 Meter hohe Lakhta Center in St. Petersburg mit kaltverformtem Glas, das um bis zu 40 Millimeter gebogen ist. Die Fassade aus 2,8 mal 4,2 Meter großen Einzelelementen ermögliche es, dass sich der künftig höchste Wolkenkratzer Europas homogen und wie eine Nadel in die Höhe windet. „Mit gebogenen Glasfassaden lassen sich Skulpturen mit einzigartigen Formen und besonderer Eleganz realisieren“, sagt Gartner-Geschäftsführer Klaus Lother. In Moskau hat der Fassadenbauer den 250 Meter hohen Evolution Tower mit kaltverformten Isoliergläsern verkleidet, der einem spiralförmigen DNA-Strang ähnelt. Jede der 52 Etagen dreht sich um drei Grad. Auch die Brüstungsbleche und die Eckblechkonstruktionen sind dreidimensional kaltverformt. „Damit konnten die Verdrehung der Einzelgeschosse in die Fassadenelemente integriert und Versätze der Glasebenen von Element zu Element vermieden werden“, erläutert Lother. Um die Drehung fassadentechnisch umzusetzen, habe das Fassadenbauunternehmen pro Fassadenansicht 27 geometrisch unterschiedliche Fassadenelemente in einer Größe von anderthalb mal 4,3 Meter verbaut und diese in einem Winkel zwischen minus 15 Grad und plus 15 Grad geneigt angebracht.
Alte Materialien neu interpretiert
Großformatige und hochtransparente Glasfassaden wählen Auftraggeber laut Lother ebenfalls gerne, um Innenräume mit viel Tageslicht auszustatten. Im kalifornischen Cupertino verkleidet Gartner gerade die neue Firmenzentrale von Apple – mit den größten Fassadenelementen der Welt. Diese beinhalten gebogene, drei mal 15 Meter große Glasscheiben und automatisierte Lüftungslamellen.
Neben Glas, Aluminium und Stahl kommen dem Fassadenprofi zufolge zunehmend verschiedene Materialien wie Stein, Holz, Blech oder Bronze bei High Performance-Fassaden zum Einsatz. „Altbekannte Materialien werden dabei auf neue Art ausgeführt und interpretiert.“ Das gilt etwa für die neue Europa-Zentrale des Medienunternehmens Bloomberg in London mit speziell geschliffenen Bronzeblechen mit patinierter Oberfläche und einer transparenten Lackierung zur Konservierung. „Oft dienen die Materialien dem Sonnenschutz und dem verringerten Wärmeeintrag“, sagt Lother. Structural Glazing komme als erprobte Technik vor allem im Ausland zum Einsatz. In Deutschland behinderten technische Vorschriften deren Anwendung.
CCF – alles in einem Zwischenraum
Bei Green Buildings sieht Lother eine zunehmende Nachfrage nach der bereits 2008 von Gartner zur Serienreife entwickelten Closed Cavity Fassade (CCF). Bei dem geschlossenen zweischaligen Fassadentyp kommen nach seinen Angaben hochtransparente Gläser zusammen mit einem besonders effizienten Sonnenschutz im komplett geschlossenen Fassadenzwischenraum zum Einsatz. „So lassen sich Energieeffizienz, Sonnen- und Schallschutz sowie Tageslichtnutzung verbessern und die Betriebs- und Wartungskosten für das Gebäude senken“, betont Lother. Zuletzt hatte Gartner das höchste Gebäude der Schweiz mit einer hochtransparenten CCF verkleidet, die viel Tageslicht in das 178 Meter hohe Bürohochhaus des Pharmakonzerns Roche lässt. Am Rheinufer von Basel bietet das keilförmige Gebäude den zirka 2.000 Beschäftigten neben einzigartigen Ausblicken begehbare stufenförmige Terrassen sowie offene Arbeitsbereiche und mehrstöckige Kommunikationszonen.
Wärmedämmend mit viel Tageslicht
„Bei Roche erreicht die CCF eine Luftschalldämmung von Rw = 52 Dezibel, eine Längsschalldämmung von bis zu Dnfw = 67 Dezibel und einen Wärmedurchgangskoeffizienten von Ucw = 0,59 W/m²K“, fasst Lother die Leistungseigenschaften der Fassadenkonstruktion zusammen. Auch bei weit geöffneter Sonnenschutzlamelle wird nach seinen Angaben eine hohe Reflexion des direkten Sonnenlichts erreicht. Für die Tageslichtnutzung und Durchsicht lasse sich ein weiter Öffnungswinkel über lange Zeit des Tages beibehalten. Die Lamellenunterseite ist blendungsreduzierend lichtgrau lackiert und leitet das einfallende Sonnenlicht farbneutral in den Innenraum. Die 1.200 Kilogramm schweren Standardelemente der CCF sind 2.900 Millimeter breit und 3.960 Millimeter hoch. Am wuchtigsten sind die 3.200 Kilogramm schweren 90 Grad-Eckelemente mit einer Höhe von bis zu 7.200 Millimeter und mit einer Schenkellänge von 3.505 mal 3.505 Millimeter.
In Basel plant Roche jetzt laut Lother ein weiteres Bürohochhaus mit einer Höhe von mehr als 200 Meter und einer CCF-Fassade. Aktuell fertigt Gartner CCF-Fassaden für The Circle am Flughafen in Zürich, das größte Bauprojekt der Schweiz, mit einer Fassadenfläche von 83.900 Quadratmeter und mit kaltverformten Prallscheiben in weiten Bereichen des Baus. Auch das 288 Meter hohe 22 Bishopsgate in London, das künftig höchste Gebäude in der City, werde eine CCF erhalten.
Alte Fassaden upgraden
Gartner baut nicht nur neu, sondern saniert auch alte, aber funktionsfähige Fassaden des Unternehmens. Dazu drei Lösungsansätze: Bei der seinerzeit größten Gebäudesanierung Europas modernisierte die Deutsche Bank im Jahr 2010 ihre 155 Meter hohen Doppeltürme in Frankfurt. Dazu wurden die alten Fassaden abmontiert und durch eine veränderte Fassadenkonstruktion ersetzt, ohne die Optik zu verändern. Anfang der 1980er-Jahre hatte Gartner die Türme mit einer zirka 40.000 Quadratmeter großen Vorhangfassade aus Aluminiumprofilen und mit Doppelscheiben-Isoliergläsern als Abluftfassade verkleidet. „Bei der neuen Fassade sollten Profilabmessungen und Profilbreiten beibehalten, aber technische Fortschritte im Fassadenbau und beim Glas genutzt sowie öffenbare Elemente integriert werden“, schildert Lother der GFF . Im Unterschied zu früher lasse sich nun jedes zweite Fenster mit einem speziellen Beschlag nach außen öffnen, die Dämmdicke sei von 100 auf 140 Millimeter erhöht worden, Dreifach-Isolierglas komme zum Einsatz. Und mit der Modernisierung ließ sich der CO2-Ausstoß der Türme Lother zufolge um mehr als 50 Prozent verringern. Einen wesentlichen Anteil daran habe die neue energieeffiziente Fassade mit einem U-Wert von 0,6 W/m²K, einem g-Wert von 25 Prozent und einem Schalldämmwert von 43 Dezibel.
Im Fall von Verde SW1 in London hat Gartner eine Fassade von 1995 durch eine puristische und elegante Glasfassade ersetzt, die sich deutlich von der alten unterscheidet und den alten Bau in ein modernes Bürogebäude verwandelt. Eine elementierte Aluminium/Glas-Fassade und ein gläsernes Atrium über neun Stockwerke sorgen jetzt für eine hohe Transparenz und eine verbesserte Energieeffizienz. Auch große, markante Eckelemente und eine zwölf Meter hohe Stahlfassade im Erdgeschoss mit drei mal sieben Meter großen Isolierscheiben lassen reichlich Tageslicht in das Gebäude.
Technischen Fortschritt integrieren
Gegenwärtig entwickelt Gartner laut Lother eine neue Lösung für die Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes mit einer der ältesten Alu-Elementfassaden von Gartner in Deutschland aus dem Jahr 1963. Die Elemente sollen abgenommen und gereinigt werden. Neue Elemente, die den heutigen bauphysikalischen Erfordernissen entsprechen, werden dann hinter die alten Elemente montiert. „So lassen sich neue Doppelelemente einbauen, welche nach außen hin weiter die alten Materialien nutzen und optisch unverändert sind“, erläutert der Fassadenprofi.