Neubau der Sicherungsverwahrung der JVA Tegel Zwischen Gitter und Gardine

Die Sicherungsverwahrung muss sich neuerdings deutlich von der Unterbringung Inhaftierter unterscheiden. Um dies zu realisieren, verzichteten die Verantwortlichen beim Neubau der JVA Tegel auf die im Gefangenenbereich üblichen Stabgitterfenster.

Das zweiteilige Standardfenster ist eine konstruktive Einheit bestehend aus einem großformatigen, mit transparentem Spezialsicherheitsglas fest verglasten Element, einem verglasten, zu öffnenden Lüftungsflügel sowie einem vor dem Lüftungsflügel eingespannten, ausbruchsicheren Schmuckelement aus Hartmanganstahllochblech.

Stattdessen hat jedes Zimmer ein Panoramafenster aus Festverglasung und einem Öffnungsflügel, gesichert durch ein davor befindliches Schmuckelement. Das ausbruchsichere Lochpaneel und das Stahlprofilsystem VISS RC3 von Schüco Stahlsysteme Jansen bilden eine konstruktive Einheit. Der Anlass für den Neubau der Sicherungsverwahrung auf dem Gelände der JVA Tegel war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2009, nach der die gängige Praxis der Unterbringung von Sicherungsverwahrten – also Straftätern, die ihre Strafe abgesessen haben, von ihren Richtern aber weiterhin als so gefährlich eingestuft werden, dass sie nicht entlassen werden – in Gefängnissen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße. Ihre Unterbringung ist künftig in einem freiheitsorientierten und therapiegerechten Rahmen vorzusehen. Für die zirka 500 Sicherungsverwahrten in der Bundesrepublik, die in sechs Haftanstalten leben, hat das weitreichende Folgen. Nicht immer genügt es, Hafträume umzugestalten; bisweilen ist – wie hier in Berlin – zur Wahrung des so genannten Abstandsgebots ein Neubau erforderlich.

Der Standort auf dem Gelände der Justizvollzugsanstalt Tegel wurde gewählt, weil das Sicherheitsmanagement und das Arbeits- und Freizeitangebot differenziert für die Sicherungsverwahrung mitgenutzt werden können. Der Neubau wurde als gestreckter Zeilenbau errichtet, im nördlichen Teil der Anlage – zur angrenzenden Gefängnismauer hin – von fünf auf vier Vollgeschosse reduziert.  Dieser Vor- bzw. Rücksprung zwischen den beiden Wohneinheiten markiert eine Mittelzone, in der die Räume für die AVD-Mitarbeiter untergebracht sind. Die Beschäftigten können von hier aus beide Teilbereiche einsehen.

Lochblechelemente
und Spezialsicherheitsglas

Mit Unterbringungsmöglichkeiten für 60 Sicherungsverwahrte ist der Neubau recht großzügig geplant, denn Berlin weist derzeit nur 40 solchermaßen Verurteilter auf. Allerdings ist die Sicherungsverwahrung bei 39 weiteren Tätern vorgemerkt. Jedem Sicherungsverwahrten steht ein zirka 20 Quadratmeter großes Zimmer mit Bad zur Verfügung. Jeweils zehn dieser Zimmer sind zu einer Wohneinheit zusammengefasst, die über Gemeinschafts- und Therapieräume verfügt. Darüber hinaus beherbergt der Neubau Werkstatt- und Sporträume sowie ein Arztsprechzimmer mit Untersuchungs- und Behandlungsraum und einen Außenbereich mit Sport-, Zier- und Nutzgartenflächen sowie Vorrichtungen für die Kleintierhaltung. Von außen betrachtet unterscheidet sich der Neubau in einem wesentlichen Punkt von den benachbarten Gefängnissen. Bei der Fassadengestaltung wurde auf die herkömmliche Vergitterung der Fenster verzichtet. Stattdessen kamen speziell konzipierte Lochblechelemente in Verbindung mit einer Pfosten/Riegel-Konstruktion zum Einsatz. Die Organisation im Gebäude greift dieses Muster auf; die Wohnzellen bildet die Fassade als vierachsige Elemente mit umrahmenden Lisenen bzw. friesartigen Glasfaser-Betonelementen ab. Diese Gliederung findet sich ebenso in anderen Nutzungsbereichen (Büros, Schulungs-, Werk- und Sporträumen).

Ein zweiteiliges Standardfenster – bestehend aus einem großformatigen, mit transparentem Spezialsicherheitsglas fest verglasten Element und einem verglasten, zu öffnenden Lüftungsflügel mit davor befindlichem Lochpaneel als ornamentalem Schmuckelement – prägt die Fassade des ansonsten zurückhaltend gestalteten Funktionsbaus. Das ausbruchsichere Lochpaneel gestalteten die Architekten im Zuge der Entwurfsplanung. Es handelt sich um ein zwölf Millimeter dickes Stahlblech aus Hartmangan mit ellipsenförmigen Ausschnitten in unterschiedlichen Abmessungen. Die Herstellung der Lochpaneele erfolgte mithilfe von Lasertechnik. Entsprechend der Sicherheitsanforderungen an Gitter beträgt die maximale Abmessung zwölf mal 30 Zentimeter. Dieses Lochblech ist in der Pfosten/Riegel-Konstruktion so befestigt, dass es bis zu einer horizontalen Zugkraft von 30 Kilonewton nicht herausgerissen wird. Die Belastungsprüfung erfolgte an der MFPA Leipzig. Einer gutachterlichen Stellungnahme zufolge konnte damit auf die Gitter vor den Fenstern verzichtet werden.

Die Fensterelemente sind als thermisch getrennte Pfosten/Riegel-Konstruktion hergestellt aus dem Stahlprofilsystem VISS RC3 von Schüco Stahlsysteme Jansen, mit einem Drehflügel aus Janisol Primo und einer Zweischeiben-Isolierverglasung gemäß den Vorgaben der gutachterlichen Stellungnahme. Die Festverglasungen und die Türenelemente der Außenfassaden entsprechen der Risc Classification (RC) 3; die innere Scheibe der Isolierverglasung erreicht die Vorgaben der Widerstandsklasse P6B. Auf der Ebene der zweiten Scheibe ist das Lochpaneel in die Pfosten/Riegel-Konstruktion eingespannt: Glas und Lochblech bilden eine konstruktive Einheit. Der Ucw-Wert der Fassade mit der Zweifach-Isolierverglasung liegt bei 1,3 W/m²K.