Nachgefragt Leinert: "Vorwandmontage sollte im Neubau gesetzt sein."

Die emotionale Debatte über das Heizungsgesetz zeigt, dass Energiesparen einen enorm hohen Stellenwert erreicht hat. Für die Gebäudehülle heißt das: Bestmögliche Planung und Montage sind Pflicht. Was das alles impliziert, erläuterte uns Robert Leinert von Meesenburg.

Robert Leinert ist Leiter Produktmanagement bei der Meesenburg Gruppe. - © Foto: Meesenburg

GFF: Herr Leinert, auf baupolitischer Ebene war 2023 geprägt von der monatelangen Debatte über die Einführung von Wärmepumpen als Standard für die Gebäudeheizung. Die Gebäudehülle blieb außerhalb der Betrachtungen, was die Branchenverbände scharf kritisiert haben angesichts der Effekte der adaptiven Hülle fürs Heizen und Kühlen. Wie bewerten Sie das als Praktiker?

Robert Leinert: Für mich ist immer die Gesamtbetrachtung wichtig. Das Fenster ist ja nicht nur Licht, sondern es ist ein multifunktionales Bauteil geworden. Es ist in allen Betrachtungen, die wir jetzt momentan anstellen, immer nur das Heizen im Blickpunkt. Die Gebäudekühlung wird gar nicht betrachtet.

Als Leiter Produktmanagement der Meesenburg-Gruppe müssen Sie die Baupraxis im Blick haben. Wie ist Ihr Eindruck hinsichtlich der Planung und Montage von Fenstern und Türen sowie dem Verhältnis von Theorie und Praxis?

Gravierend ist, dass die Neubauten heute noch oft falsch geplant werden. Wir haben ausgezeichnete Wandaufbauten. Ohne Fenster ist das eine hochgedämmte Wandkonstruktion. Jetzt kommt das Fenster mit einem angenommenen U-Wert von 0,8. Aber niemand betrachtet, was bauphysikalisch passiert am Fenster im eingebauten Zustand in der Wandkonstruktion. Wo gehört das Fenster bauphysikalisch positioniert, damit es durch den Baukörperanschluss keine Wärmebrücke gibt oder eine geringe Wärmebrücke gibt? Heute planen wir viele Gebäude falsch, indem die Fenster außen bündig montiert werden.

Sie meinen falsch wegen der Wärmeverluste an ungedämmten Stellen wie etwa an der Fensterbank?

De facto haben wir dort einen massiven Wärmeverlust. Wir haben das 2019 von Dr. Benjamin Krick vom Passivhaus-Institut vergleichend analysieren lassen. Untersucht wurden bündige Montage, Vorwandmontage und Winkelmontage bei einem Fenster mit einem U-Wert von 0,79. Was passiert im installierten Zustand? Darum ging es. Laut Studie entstehen Verluste von umgerechnet 6,62 Kilowattstunden Strom pro Laufmeter Fensterfuge pro Jahr, wenn man statt Blaugelb Triotherm+ bzw. Vorwandmontage die Fenster außen bündig montiert. Und das ist nur Heizen.

Musterecke mit dem Vorwandmontagesystem Triotherm+ von der Meesenburg-Marke Blaugelb. Im Oktober erhielt das Produkt den europäischen Verwendbarkeitsnachweis (ETA). - © Foto: Meesenburg

In CO2 ausgedrückt sind das 1,99 Kilogramm pro Laufmeter Fensterfuge pro Jahr. De facto verschlechtern wir den U-Wert von 0,79 auf 1,04 im eingebauten Zustand. Daran krankt es am meisten, dass der untere Baukörperanschluss nicht berücksichtigt wird. Hier haben wir mit unserer Produkt- und Systementwicklung angesetzt.

Von Blaugelb gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Produkten für die fachgerechte Fenstermontage in der Dämmebene wie etwa Blaugelb Triotherm+.

Ausgang unserer Überlegungen ist der Baukörperanschluss vom Blendrahmen. Wird eine Verbreiterung oder ein Bodeneinstandsprofil gebraucht? Unsere Kernkompetenz sind Baukörperanschlusssysteme in dem Segment Blaugelb und Blaugelb-Systeme.

Sie haben das Problem erkannt und Lösungen entwickelt. Die Marktdurchdringung kommt über die Nachfrage, sind Sie zufrieden?

Ich möchte, dass die planenden Architekten bereits in der Planungs- und Entwurfsphase wissen, wo sie denn die Einbaulage des Fensters planen und die Bauphysik von vorneherein betrachten. Wir haben uns immer gewundert, wie kommt denn diese Frankfurter Bauweise zustande. Das Fenster ist dann halb im Verankerungsgrund und halb in der Dämmebene eingebaut. Die Antwort ist ganz einfach.

Nämlich?

Man plant den Verankerungsgrund mit Wärmedämmung, nehmen wir mal an, der Verankerungsgrund hat eine Bautiefe von 180-200 Millimeter. Im Anschluss kommt das Thema Fenster. Und wenn das eine Bautiefe hat von 80 Millimeter und es wird zusätzlich noch ein Raffstore gefordert, der eine Führungsschiene von 130 Millimeter benötigt, dann ergibt das mind. 210 Millimeter Dämmstärke. Das Fenster passt so nicht mehr in die Dämmebene wenn diese mit 180 Millimeter geplant ist, weil letztendlich die Dämmebene fehlt.

Open Air: Kundenveranstaltung für Montage von Meesenburg in Jesenwang im Landkreis Nordsachsen. - © Foto: Meesenburg

Damit rückt das Fenster wieder halb halb in den Verankerungsgrund, weil die äußere Dämmebene schon vorher geplant war. Man geht also von der Planung her falsch vor. Man muss normalerweise erst den Verankerungsgrund, dann das Fenster und dann das Fassadensystem planen. Nicht umgekehrt.

Wie groß ist schätzungsweise der Aufwand, der entsteht, wenn die Stärke im Nachhinein angepasst werden muss?

Er ist enorm. Bei einer Dämmstärke mit 180 Millimeter bekomme ich eben kein Fenster mit einer Raffstoreanlage im System in der Vorwandmontage unter. Das geht nicht, die Dämmstärke ist zu gering.

Wie stark müsste sie sein?

Wir brauchen zirka 220 Millimeter Dämmstärke, um exakt die Bauphysik und die Position des Fensters incl. Raffstore und Absturzsicherung im Dämmbereich einsetzen zu können.

Was heißt das für die künftige Arbeit?

Wir müssen die Planer und Architekten rechtzeitig in der Planung begleiten können. Da müssen wir ansetzen. Damit die ausführenden Montageunternehmen nicht sagen müssen: eine halb-halb-Befestigung? Schwierig. Dito beim Schallschutz.

Das gesamte Interview lesen Sie in GFF 12/23, die Ausgabe erschien am 5. Dezember.