Porträt Hans Wudy (64), Glasfachschule Zwiesel Wenn der Kopf den Händen vorausläuft

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Gestalten mit Glas

Am Ende des Schuljahres ertönt der letzte Gong für Hans Wudy (64), der 22 Jahre die Geschicke der Glasfachschule im niederbayerischen Zwiesel leitete. Die GFF hat ihn besucht und mit ihm über die fehlende Verbeamtung, seine Aufgaben als Hüttenherr sowie private Pläne gesprochen.

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    Das verfilmte Interview von GFF-Redakteurin Andrea Mateja mit dem scheidenden Schulleiter Hans Wudy finden Sie auf www.gff-magazin.de.
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    Die Schule bildet Glasmacher, -maler, -veredler, Glasapparatebauer, Glashüttentechniker, Produktdesigner aus.

Aber natürlich nicht nur – Rückblende: Auf der IHM in München entdecken wir Hans Wudy inmitten einer Menschenmenge, die groß genug ist, dass der benachbarte Standvertreter seinen Unmut kundtut. Die Zwieseler Arbeiter haben den Ofen angeschürt, eifrige Endkundinnen buhlen um den zahlenmäßig limitiert möglichen Mitbringselerwerb, Lehrer schleusen ihre Klassen durch die Gänge. Inmitten des Gewusels steht Hans Wudy (64), studierter Industriedesigner, und kommt seiner liebsten Aufgabe nach: die Faszination Glas zu den Menschen zu bringen. Dennoch wirkt er an diesem Tag im Frühjahr bekümmert, die Nachbesetzung seiner Schulleiterstelle stehe nach seinem Ruhestand im Feuer, lässt er den GFF-Reporter mit resignierter Miene wissen. Freilich täuscht der Eindruck, in den Folgemonaten setzt der Mittsechziger vom beschaulichen Zwiesel aus alle Hebel in Bewegung, bis in die Passauer Redaktionsstuben dringt seine Warnung, eine solche Schule (300 Schüler, davon 220 mit industrieller Ausrichtung; 40 Lehrer und Angestellte; Glashütte mit eigener Produktlinie) sei nicht von außerhalb fremdzusteuern – und erreicht schließlich das Kultusministerium im fernen München. Die gute Nachricht, Stand Juni 2019: Sowohl seine eigene als auch die Stelle von Vize Erwin Donnerbauer sind zwischenzeitlich ausgeschrieben, nach GFF-Informationen wird einer der Nachfolger über den gewünschten Stallgeruch verfügen.

Von der Designer-Küche an den Ofen

Von seinem früheren Büro aus, keine ganz schlechte Adresse an der Maximilianstraße, hätte Wudy die Münchner Messe ganz ungezwungen mit den Öffis erreicht, wie man heute so sagt. Denn der Weg auf den Chefsessel der Zwieseler Glasfachschule 1997 verlief nicht geradlinig. So heuert der Designer nach dem Studium in der bayerischen Landeshauptstadt, einem weiteren Job und der folgenden Weiterempfehlung im Küchenimperium von Bulthaup an – und genießt direkten Zugang zu Gerd Bulthaup. „Ich weiß nun, dass Sie zu uns passen“, hatte der dem jungen Mann einst gesagt; als Begründung reichte ihm, wie Wudy Designgegenstände und Bilder am Treffpunkt in Düsseldorf, sich unbeobachtet wähnend, studiert hatte. Wudy lieferte, an der Isar zu puristischer Designsprache erzogen, die gewünschten Systeme à la Bauhaus.

Allein, die Verbindung zu seiner Heimat im Bayerischen Wald reißt nicht ab, immer noch ist der Niederbayer tageweise an der Glasfachschule engagiert – und erhält einen entsprechenden Hinweis, als es 1997 um die Besetzung der Schulleiterstelle geht; aus Altersgründen selbst nicht verbeamtet, spricht sich Wudy im GFF -Gespräch mit Nachdruck dagegen aus, den Schritt automatisiert nach wenigen Jahren im Schuldienst zu vollziehen. „Was wohl geworden wäre, hätten ich damals nicht angenommen und meine Frau den Beherbergungsbetrieb an unserem Wohnort Bodenmais nicht eröffnet; wahrscheinlich wäre ich heute noch in München und würde das Dreifache verdienen“, sinniert der Schulleiter – und wirkt keineswegs unglücklich, dass es anders kam. „Als im Radio gesendet wurde, dass meine Bewerbung angenommen ist, habe ich ein ganz kurzfristiges Treffen mit Gerd Bulthaup arrangiert“, berichtet der gestaltungsaffine Bildungsmanager. Vielleicht spürte der Industrielle aus Bodenkirchen bei Landshut, dass in Wudys Innerem die Leidenschaft fürs Glasmachen brannte, die die Region im Bayerischen Wald über Jahrhunderte prägte, aber gegenüber touristischen Interessen ins Hintertreffen gerät. „Das glühende Material mit archaischen Werkzeugen in die erdachte Form zu bringen“, sagt der 64-Jährige, das habe ihn Zeit seines Lebens nicht losgelassen. Als Hüttenherr zeichnet er neben den vielfältigen Verwaltungsaufgaben und dem eigenen Designunterricht für die Entwürfe der eigenen Produktlinie verantwortlich; damit die Kundinnen an den Messeständen was zum Gucken haben. Obwohl Wudy seit Jahrzehnten den privaten Ofen mit seiner Frau zusammen betreibt – im September findet die nächste Ausstellung in Passau statt – so beneidet er nach eigener Aussage die Glasmachermeister, wenngleich diese in der Umsetzung seiner Entwürfe im Grunde „Befehlsempfänger“ seien. Indes: „Wenn Kopf und Hände zusammenarbeiten, entsteht das Einmalige.“ Bei ihm, dem Designer, der über viele Jahre Alltagsmobiliar, durchaus für die prall gefüllte Börse, den Stempel aufdrückte, sei dagegen „der Kopf den Händen stets vorausgelaufen“.

Befehlsempfänger mit Wertschätzung

So gesehen hat es sich gefügt, dass der passionierte Glasmacher und -bearbeiter im Nebenerwerb als Verwaltungschef die Glasfachschule Zwiesel zum Kompetenzzentrum für Glas und Optik ausbauen konnte. Dabei weiß er um Entwicklungen wie den steigenden Personalbedarf in der gut ausgelasteten Glasindustrie und, damit verbunden, Engpässe für Handwerksbetriebe. In seinem Einführungsvortrag am Ende des zurückliegenden Jahrtausends hatte er „die Gemeinsamkeiten von Wirtschaft und Schule“ thematisiert, eine Closed Shop-Mentalität hätte kaum zu seiner Biografie gepasst. Ganz Humanist, grämt es Wudy, wenn Kultur, und sei es die der eigenen Heimat, unter Druck gerät: „Ich verstehe nicht, dass wir im Bayerischen Wald die Pfunde, die wir haben, nicht nutzen, indem Eltern und Schulen mit den Kindern die Glasmacher besuchen“, legt er den Finger in die Wunde.

Das gilt ebenso für den Umgang mit der Schule, die bis zur Automation in der industriellen Fertigung für alle Erfordernisse im beruflichen Umgang mit Glas über eine State of the art-Ausstattung verfügt. Und privat? Der Blick weitet sich; man meint zu erkennen, wie sich der (jahrelang häufig aus Zeitgründen verhinderte) Glaskünstler das nächste Projekt ausmalt. Eines ist sicher: Unser Werkstoff hatte in Zwiesel über 22 Jahre im Büro des Schulleiters den größten Verbündeten.