Hochkarätige Tagung für Fachleute Trösch lädt 30 Fassadenplaner in die Schweiz

Und doch ist bei Glas Trösch in der Schweiz vieles nur Fassade, davon überzeugten sich zirka 30 Planer Mitte September 2010 in Langenthal, Bützberg und Bern. GFF berichtet.

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Mit seiner weitsichtigen Entscheidung, in die Floatglasproduktion einzusteigen, hatte CEO Erich Trösch die Grundlage dafür gelegt, dass die Gruppe entlang der Wertschöpfungs kette unabhängig agiert: vom eigenen Ofendesign (Sparte FGE Float Glass Engineering) über die Rohstoffproduktion mit Werken in Frankreich, Deutschland, Polen (Euroglas) bis hin zu den Aktivitäten von Glas Trösch in der Verarbeitung und Beschichtung. Bei Isolierglas nennt sich die Gruppe, die insgesamt 60 Betriebe zählt, Marktleader in der Schweiz und Süddeutschland sowie nach erheblichen Investitionen in der Ukraine. Und noch etwas Gutes hat die Konstruktion: Da ein Großteil der 3.000 Tonnen Float täglich gemeinsam mit Kooperationspartnern hergestellt wird, ist auch die Frage nach dem Absatz abgesehen vom Eigenbedarf zum Teil beantwortet. Die gut 30 Teilnehmer der zweitägigen Fassadenplanertagung hören mit Interesse von prestigeträchtigen Referenzen, etwa dem Glaseinsatz in den Scheiben des automobilen Männertraums Bugatti Veyron mit 431 Stundenkilometer in der Spitze oder der Verwendung der Silverstar-Varianten EN plus T bzw. Combi Neutral für die längste Einkaufszeile der Welt über achteinhalb Kilometer: die Barwa Commercial Avenue im Scheichtum Katar. Eher fußläufig zu be - wältigen, aber architektonisch nicht minder interessant, ist die Führung am nächsten Tag durch das Paul-Klee-Zentrum in der Hauptstadt Bern. Morten Petersen vom Büro des Großmeisters Renzo Piano (unter anderem Centre Pompidou, Paris) berichtet dabei insbesondere von der lichttechnischen Herausforderung, mit Blick auf die Kunstwerke den Helligkeitsgrenzwert von 50 Lux ein - zuhalten. Derartige Vorgaben sind im Museumsbau K.-o.-Kriterien. Geht es um Wanderausstellungen wie bis Herbst 2010 die spektakuläre Werksschau „Klee meets Picasso“, ist der Entscheid darüber, welche Sammlung am Ende den Zuschlag bekommt, nicht selten an solche Bedingungen geknüpft. Dabei bestehe die Kunst für den Planer darin, trotz der im Sichtkreis um die Gemälde niedrigen Luxzahl dennoch in der Lichtlenkung den Rhythmus des Tages zu erhalten. Aber der Termin erschöpft sich nicht in Belegen für die Leistungsfähigkeit der Trösch- Gruppe. So widmet sich in der Alten Mühle Langenthal den auch im Kunstmuseum angeklungenen Fragen der Wahrnehmungspsychologie in Verbindung mit der Sonneneinstrahlung kein Geringerer als Prof. Dr. h.c. Christian Bartenbach. Der Österreicher (siehe auch Kurzinterview am Textende) gilt als die Koryphäe der Tageslichttechnik und beschäftigt sich seit einem halben Jahrhundert mit diesen Aspekten der Fassadenplanung. Dabei arbeitet er unter anderem mit kühnen Umlenkschwertern, oftmals aus Aluminium, die sicherstellen sollen, dass sich gerade an Bildschirmarbeitsplätzen blendfreies Arbeiten und ein freier Blick nach draußen nicht ausschließen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen diverser Probanden zeigen, dass schon bei nur geringen Auswirkungen auf den Farbkontrast des Computerbildschirms erhebliche Stressfaktoren auf die Prüfperson einwirken. Bartenbach, der unter anderem das Headquarter von Biotechnologie- Player Genzyme im US-amerikanischen Boston realisierte, stellt nicht nur Spielarten der Lichtlenkung vor, die sich raffinierter Umlenklamellen und teurer Prismensonnenschutzanlagen bedienen. Er hat sogar Auszüge aus der Diplomarbeit von Judith Mair, einer Absolventin seiner Lichtakademie, dabei. Die hat in ihrer Master Thesis ein System in die Fassadenplanung integriert, in dem sich Lamellen einzeln an steuern lassen. Um das Licht effektiv im Inneren des Raums zu verteilen, kommt in verspiegelten Brüstungen und im Boden – natürlich – der transparente Werkstoff zum Einsatz, der auch die Tageslichttechnik und den Fassadenbau zusammenbringt.

Um Glas geht es ebenso am Stammsitz von Trösch im schweizerischen Bützberg. 5.000 Quadratmeter sind allein in der 200 Meter langen Halle verbaut, in der sich die stattliche VSG-Produktion befindet. Und doch ist die Kapazitätsgrenze nach Unternehmensangaben in Reichweite. 1.500 Quadratmeter beträgt hier der Ausstoß im 1,5-Schicht-Betrieb. Gleichzeitig ist Trösch aber noch ganz Familienbetrieb. So schwingt in den kurzweiligen Führungen immer auch ein wenig Stolz mit, wenn es um die guten thermischen Qualitäten des selbstentwickelten Abstandhalters oder um das offiziell auf der Messe in Düsseldorf (ausführliche Berichterstattung in dieser Ausgabe) vorgestellte 21-Meter-VSG geht. Das kommt ebenso an wie die technischen Informationen von Ingenieur Thomas Baumgärtner, der den Planern das punktgehaltene Fassadensystem Swissanchor erläutert. Der Fachmann der Glas Trösch GmbH in Nördlingen weist auf die glatte Fassadenaußenseite hin, die möglich ist, weil zur Befestigung der Punkthalter das Glas nicht durchbohrt wird. Und das hat keineswegs nur eine optisch-ästhetische, sondern auch eine wirtschaftliche Komponente. So bewirkt die nicht aufgerissene Oberfläche eine geringere Verschmutzung, was reduzierten Reinigungsaufwand bedeutet.

Dagegen führt die Ankündigung der Glasinnovation Silverstar Clear Vision T spontan zu Diskussionen. Dr. Fabian Zwick, Geschäftsführer in Bützberg, wirbt für das Isolierglas, das trotz niedrigen U-Werts angeblich nicht mehr anläuft. Die Teilnehmer sorgen sich besonders um die Kratzfestigkeit in Verbindung mit der Reinigung, eine Cleanbeschichtung ist laut Trösch zunächst nicht geplant. Der Hersteller verweist auf die nach EN 1096-1 erfolgreich geprüfte Langzeitbeständigkeit und spricht außerdem von hoher Lichttransmission. Wer sich Fachleute ins Haus holt, der muss eben mit ein paar kritischen Fragen leben. Thematisch gesehen ist während der zwei Tage im Herbst in Langenthal, Bützberg und Bern also tatsächlich alles nur Fassade.

GFF hat nachgefragt bei Prof. Dr. h.c. Christian Bartenbach
GFF: Herr Prof. Dr. h.c. Bartenbach, das von Ihnen in Boston realisierte Genzyme-Gebäude hat einen Umweltpreis bekommen. Was hat Lichtlenkung mit Umweltschutz zu tun?
Bartenbach: Sehr viel. Wird das Licht der Sonne, welche ich als Mutter des Lichts bezeichne, vernünftig eingesetzt, lässt sich Energie durch den Verzicht auf künstliche Lichtquellen einsparen. Und in Verbindung mit einem funktionierenden Sonnenschutz bedarf es keiner Klimaanlage mehr.

GFF: Warum sollten sich Fassadenplaner mit Tageslichttechnik beschäftigen?
Bartenbach: Noch nie zuvor war das Thema Depressionen so präsent wie heute. Aus diesem Grund ist ein Lichtkonzept unverzichtbar, längst ist der Einfluss auf die Psychologie bewiesen. Für die Planung wichtig sind freilich auch das Licht als Wärmequelle und der Blick nach draußen, diese Faktoren sollten unbedingt in die Überlegungen einfließen.

VFT-Vorsitzender Hugo Philipp – fünf Zukunftsthemen für Planer
1. Qualität der Ausbildung.
2. Überzeugungsarbeit leisten, damit Architekten nicht am Fassaden-Know-how sparen.
3. Leitplanung für die Gebäudehülle endlich als Haftungsthema begreifen.
4. Als Grundregel gilt immer: innen dampfdicht, außen dampfdiffusionsoffen.
5. Aspekte wie Wärme-, Schall-, Brandschutz sind an der Fassade zu berücksichtigen.