Nord/Süd-Gipfel zeigt: So gut kann die Kommunikation zwischen Berufsvertretungen klappen TIA oder Erfa-Gruppe: Blaupausen für Fachdialog

Während sich die Verbandslandschaft im deutschen Glasergewerk im Umbruch befindet, zeigen GFF Baden-Württemberg und Glaser-Innung Niedersachsen mit dem Nord/Süd-Dialog am 3. Mai in Karlsruhe: Wird das Verbindende und nicht das Trennende hervorgehoben, ist vieles möglich.

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    Als sich Landeslehrlingswart Roger Möhle Kenntnisse im Fensterbau aneignen muss, belegt er in den 90er-Jahren entsprechende Fortbildungsveranstaltungen in Karlsruhe und hat "Ideen mit hochgenommen".
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    Moderner Kommunikator: „Die Branche hat genügend Sachthemen und bei Weitem nicht nur Asbest und die DIN 18008 zu bieten. Natürlich profitiere ich vom Austausch mit Kollegen wie Roger Möhle“, sagt Waldemar Dörr.
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    Nord/Süd-Dialog am 3. Mai: Was Waldemar Dörr (re.) und Roger Möhle (li.) im Gespräch mit Reinhold Kober zur Situation in der Verbandslandschaft sagten, sehen Sie im Film auf www.gff-magazin.de.

Beide anwesenden Verbandsprofis lassen im Gespräch keinen Zweifel, dass sie in ihren Organisationen – der eine nach seinem Amtsantritt 2013 bzw. 2015, der andere bereits 2008 bzw. 2011 – mit Situationen konfrontiert waren, die entschlossenes Handeln erforderten – und die Bereitschaft, alte Zöpfe abzuschneiden. Denn auch in Karlsruhe reichte einst die Transparenz nicht bis in die dem Verband angegliederten Unterorganisationen wie die Service-GmbH: „Wir haben da nichts gewusst – und hatten auch den Eindruck, dass wir nichts wissen sollten“, redet Waldemar Dörr, seit 2013 Akademieleiter und seit 2015 Hauptgeschäftsführer an der Otto-Wels-Straße, hinsichtlich der damaligen Stimmung bei vielen Mitgliedern nicht um den Brei herum. Heute informiert er vor jeder Delegiertenversammlung der Innungsvertreter schriftlich über Abweichungen vom Haushaltsplan, egal ob positiv oder negativ, und erläutert diese präzise: Trifft sich das Gremium dann im Gebäude der Akademie, liegen alle Infos auf dem Tisch und hatte jeder Zeit, sich eine Meinung zu bilden und Fragen zu formulieren. Übrigens: Unter Dörrs Ägide fiel der Beschluss, die vorhandenen Mittel der GmbH freizugeben und lieber als Rücklagen für den GFF BW zu verwenden; so kann er heute sagen, trotz auch in Karlsruhe per Saldo nicht steigender Mitgliederzahlen: „Wir stehen wirtschaftlich sehr gut da, das gilt auch für die Zukunft.“

Sein Pendant Roger Möhle von der Glaser-Innung Niedersachsen ist an diesem Freitag mit fünf ehemaligen Teilnehmern des Meistervorbereitungskurses beim GFF BW zu Gast – und hat dem vorgeschlagenen Meinungsaustausch spontan zugestimmt. Auch er erlebte, 2008, mit instabilen Finanzen und Rückgängen bei den Mitgliederzahlen des damaligen Landesinnungsverbands Niedersachsen, wie es sich anfühlt, plötzlich in die Defensive gedrängt zu sein: immer weniger Mitglieder, weniger Einnahmen, reduzierte Handlungsspielräume, noch mehr Unzufriedenheit: Mit seinen Mitstreitern entschloss er sich zum Befreiungsschlag: „Wir haben den Verband neu aufgestellt, mit transparenter Beitragssituation und ganz engem Austausch, was Bedürfnisse und Anforderungen der Mitglieder angeht. Wenn jemand kommt und sagt, er brauche das und das, dann freue ich mich, denn dann kann ich darauf reagieren“, sagt Möhle, wie Dörr Glasermeister.

So gesehen erscheint es verständlich, wenn man selbst gegen manche Widerstände und mit einigem Aufwand moderne Strukturen eingezogen hat und dann partiell mit dem Gegenentwurf konfrontiert wird, dass man zum Schritt zurück nur bedingt bereit ist. Möhle sagt, der Austrittsbeschluss der heutigen GI Niedersachsen aus dem Bundesinnungsverband sei unausweichlich gewesen, weil er und seine Delegiertenkollegen die Fragen, die sich aus den in Richtung Hadamar abzuführenden Beträgen ergaben, nie zur Zufriedenheit der eigenen Mitglieder beantworten konnten. So wie die Nicht-Verbandspresse weiter bei Sitzungen ausgesperrt bleibt und der BIV sich diesbezüglich hinter einer Satzung versteckt, die offenbar nicht geändert werden kann, so verweigerte die Geschäftsführung die Offenlegung von GmbH-Zahlen selbst Mitgliedern gegenüber mit dem Verweis auf Sponsoreninteressen.

Zusätzlich für Unmut sorgt die Einladung zur BIV-Versammlung im Herbst in Hamburg, die den Mitgliedern für eine Teilnahme die Buchung eines von jeweils mehreren Hundert Euro teuren Eventpaketen (wahlweise inkl. Rahmenprogramm etc.) abverlangt, nach GFF -Informationen soll auch BIM Martin Gutmann über dieses Gebaren des nach höheren Beiträgen rufenden Verbands nicht erbaut gewesen sein. Alle diese Dinge fallen in eine Zeit, in der nicht klar ist, wo die kommende Glasergeneration in ausreichender Zahl herkommen soll. So sagt Dörr, die Unternehmensnachfolgequote liege in Baden-Württemberg bei 60 Prozent – „und das ist im Vergleich noch Jammern auf hohem Niveau“; zwar sei es nicht die Philosophie des Fachverbands, die Betriebe aus ihrer Verantwortung zu entlassen, was eigene Bemühungen um ein positives Bild als Arbeitgeber anbelangt. Doch wenn darüber hinaus Unterstützung gefragt sei, verweigere sich der GFF BW nicht, etwa wo Unternehmen in Ermangelung einer eigenen Fertigung keine Gesellen- oder Meisterstücke mehr abnehmen können.

Da stellt sich die Frage, welche Gremien geeignet sind, um den Austausch unter Kollegen sicherzustellen – ohne Politik und regionale Befindlichkeiten? Ö.b.u.v. Sachverständiger Eberhard Achenbach, mit dem die GI Nds. laut Möhle weiter zusammenarbeitet, hatte einst im Gespräch mit GFF ein Forum ähnlich dem niedersächsischen Technischen Informations-Ausschuss (TIA) ins Spiel gebracht, um Sachthemen zu diskutieren und sich zu unterstützen – Dörr verweist auf die erprobte BW-Variante einer Erfa-Gruppe. Übrigens: Die Befürchtung, die GI Niedersachsen habe durch den BIV-Austritt an Relevanz verloren, hat sich nicht bewahrheitet. Wohl als Antwort auf die eigenen Akzente in der Diskussion um die DIN 18008 hat es kürzlich ein Gespräch mit BF-GF Jochen Grönegräs und Vorstandsmitglied Thomas Stukenkemper gegeben. Ergebnis: Die Niedersachsen sollen weiter an der Klärung mitarbeiten.