Nachhaltiges Bauen Solarmodule ermöglichen hohen Deckungsbedarf

Büro- und Verwaltungsgebäude haben häufig einen hohen – und damit klimaunfreundlichen – Stromverbrauch. Aktuelle Ergebnisse des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung zeigen, wie Photovoltaik an Fassade und Dach den Verbrauch nachhaltiger gestaltet.

ZSW PV-Anlagen
Gebäudeintegrierte Photovoltaik: CIGS-Dünnschichtmodule befinden sich an der Fassade des ZSW-Institutsgebäudes. - © ZSW

Büro- und Verwaltungsgebäude benötigen genügend Strom. Das liegt v.a. an der Beleuchtung, Lüftung und Klimatisierung, aber auch an den verwendeten Elektrogeräten. Dieser Energiebedarf muss zukünftig klimafreundlich gedeckt sein: Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2050 einen klimaneutralen Gebäudesektor zu realisieren – Strom aus Photovoltaikanlagen bietet sich an. Mindestens 100 Gigawatt installierte Leistung sind laut dem Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) bis zum Jahr 2030 erforderlich, teilweise an Gebäuden – diese Art der CO2-freien Stromversorgung nutzen zu wenige Eigentümer von Nichtwohngebäuden und wenn, dann meist als Dachinstallation.

Solare Fassaden- und Dach-Anlagen funktionieren als Kombination

Die wenigsten Eigentümer integrieren laut ZSW zusätzlich Solarmodule in die Gebäudehülle. Das lohne sich allerdings, da mit zunehmender Gebäudehöhe die Fassadenfläche stetig ansteigt, während die Dachfläche konstant bleibt. Photovoltaikfassaden ermöglichen zusätzlich zur Stromerzeugung einen Wind- und Wetterschutz, bieten Verschattung, reduzieren Wärmeverluste, ersetzen konventionelle Bauteile, und haben eine schallisolierende Wirkung.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) belohnt den Solarfassaden-Einbau mit einer besseren energetischen Gebäude-Einstufung. Wirtschaftlichkeit sei immer dann gegeben, wenn bereits bei der Planung von neuen Gebäuden eine Solarfassade berücksichtigt ist: Der finanzielle Zusatzaufwand lasse sich dann nach zehn Jahren abbezahlen, danach bringt die Fassadenanlage einen Gewinn.

Ästhetische Vorteile kommen sich zudem bei der Nutzung von Dünnschichtmodulen mit einem Halbleiter aus Kupfer, Indium, Gallium und Selen (CIGS) hinzu. Die Module bieten die gleichen Gestaltungsmöglichkeiten wie Glasfassaden und ermöglichen homogene Glasflächen in dezenten Farben. Variable Modulgrößen, Sonderformen und flexible Bauteile stehen ebenfalls zur Verfügung. Die Forschenden arbeiten am ZSW an der Anwendungs-Verbesserung.

Datenerhebung fand am ZSW-Institut statt

Die Forschenden am ZSW haben anhand eines Modells mit realen Erzeugungs- und Verbrauchsdaten ausgerechnet, welchen Strombedarf-Anteil eines Bürogebäudes die Photovoltaikmodule an der Fassade und auf dem Dach decken können: Sie ermittelten am Institutsgebäude in Stuttgart die Solarstromerzeugung der CIGS-Dünnschichtsolarmodule an der Südost- und der Südwest-Fassade sowie die der Dachanlage. In einem zweiten Schritt rechneten sie die Erzeugungsdaten am Institut auf einen fünfstöckigen Verwaltungsbau hoch. Ihre Annahme: Ein Viertel der Gesamtfassade und 30 Prozent der Dachfläche sind mit Photovoltaik belegt, was im Beispiel zu einer installierten Leistung von 131 Kilowatt führt. Die Solarmodule erzeugen dann zusammen zirka 115.000 Kilowattstunden Strom jährlich gegenüber 170.000 Kilowattstunden Strombedarf. Der Bedarf ergibt sich aus Messdaten des Landes Baden-Württemberg für Verwaltungsgebäude.

Die Berechnungs-Ergebnisse zeigen, dass sich der Strombedarf von Bürogebäuden teilweise mit Solarstrom von Fassade und Dach bestreiten lässt. "Allein die Fassaden lieferten 29 Prozent des verbrauchten Stroms über den Zeitraum von einem Jahr", sagt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. 80 Prozent des erzeugten Solarstroms ließen sich hierfür nutzen, den Rest speisten die Solarmodule ins Stromnetz ein. "Die Kombination von Photovoltaik an der Fassade und auf dem Dach steigerte den Eigenversorgungsanteil auf 39 Prozent", sagt Geyer. 58 Prozent des Solarstroms ließen sich dafür einsetzen und so lokal verbrauchen, der Rest verbesserte den Ökostromanteil im Netz.

Hoher Solaranteil ist auch ohne Batteriespeicher möglich

Der hohe solare Anteil am Stromverbrauch sei ohne Batteriespeicher möglich. "Das liegt daran, dass Bürogebäude v.a. tagsüber Strom benötigen. Der erzeugte Solarstrom lässt sich daher den ganzen Tag über zu einem guten Teil sofort verbrauchen", sagt Geyer. "Eine Strom-Speicherung für einen späteren Verbrauchszeitpunkt ist daher nicht unbedingt nötig." Das wirke sich positiv auf die Kosten des gesamten Photovoltaiksystems aus.

Wechselseitige Ergänzung in verschiedenen Jaheszeiten gegeben

Hinzu kommt: Solarfassaden erzeugen bei geeigneter Ausrichtung wie im untersuchten Beispiel v.a. in den Morgen- und Abendstunden den Strom, die Dachanlagen dagegen v.a. in den Mittagsstunden: dadurch ergibt sich ein dauerhaft hohes Solarstromangebot in der stromverbrauchsintensiven Zeit zwischen 8 und 18 Uhr. Dach- und Fassadensolar-Anlagen passen auch über die Jahreszeiten hinweg gut zueinander: Die größten Leistungswerte treten für die Dachanlage in den Sommermonaten auf, während die Photovoltaikfassade aufgrund ihrer höchsten Leistungsabgabe während der Wintermonate das jährliche Erzeugungsprofil ergänzt. Fassadenanlagen nutzen die tief stehende Sonne im Winter aufgrund ihrer vertikalen Ausrichtung besser als Dachanlagen.

PV-Fassaden stehen vor dem Aufschwung

Solarfassaden kombiniert mit Dachanlagen seien eine empfehlenswerte Möglichkeit, die Stromversorgung von Büro- und Verwaltungsgebäuden klimafreundlicher zu gestalten. Fachleute und Wissenschaftler prognostizieren laut ZSW, dass Architekten und Gebäudeplaner die Fassadenphotovoltaik-Anlagen zukünftig verstärkt einsetzen. Für deutsche Hersteller von Photovoltaikmodulen und Produktionsanlagen eröffne sich die Chance, einen Massenmarkt zu erschließen. Das ZSW forscht an einer Nutzungsdauer-Verlängerung von Photovoltaikfassaden, um ihre Lebensdauer an die einer herkömmlichen Fassade anzupassen.