Beschwerdemanagement einrichten – Kundenbindung verbessern So handeln Sie Reklamationen richtig

Einen Kunden zu gewinnen, ist zeitaufwändiger und kostenintensiver, als einen bestehenden an sein Unternehmen zu binden. Janosch Gracner erläutert, welche Beziehungsstadien es in diesem Verhältnis gibt und wie Ihnen effektives Beschwerdemanagement bei der Kundenbindung hilft.

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    © Ilona Benyei
    Wer richtig auf Beschwerden reagiert, bindet Kunden länger an sein Unternehmen.
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    Janosch Gracner studiert im sechsten Fachsemester Wirtschaftswissenschaften an der FOM – Fachhochschule für Oekonomie und Management in Frankfurt. Bei der Firma Glas-Reus in Hanau ist der staatlich geprüfte Techniker mit dem Schwerpunkt Glas- und Fensterbautechnik für die technische Projektleitung zuständig.

Dass ein Kunde, der mit der Beratung und technischen Ausführung zufrieden ist, immer wieder die Dienste des jeweiligen Unternehmens in Anspruch nimmt, ist selbsterklärend. Im Umkehrschluss haben Fehler bei einem Projekt den gegenteiligen Effekt. Es können Konflikte entstehen, die sich schnell verhärten und zur Unzufriedenheit beider Partien führen. Die Folgen sind Opportunitätskosten, Stress und ggf. Imageschäden – was in Zeiten von Digitalisierung besonders verheerend ist.

Ein sinnhaftes, strukturiertes Beschwerdemanagement soll dem präventiv entgegenwirken. Fehler sind zwangsläufig kaum vermeidbar, jedoch kommen nach Angaben der HWK Stuttgart mehr als 80 Prozent der Kunden zurück, wenn ihre Beanstandungen entsprechend bearbeitet werden.

Eine Typenfrage: Strategien zur Kundenbindung

Gerade in wettbewerbsintensiven und gesättigten Märkten ist die Kundenbindung unerlässlich. Grundsätzlich lassen sich Kunden bzw. Auftraggeber nach dem Relationship Marketing in verschiedene Gruppen unterteilen. Wissenschaftlich ausgedrückt, umfasst das sog. Beziehungsmarketing sämtliche Maßnahmen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle, die der Initiierung, der Stabilisierung, der Verbesserung und der Wiederaufnahme von Geschäftsbeziehungen zu den Anspruchsgruppen des Unternehmens dienen – insbesondere zu den Kunden. Einfacher ausgedrückt: Die Kernfrage lautet, welche Maßnahmen und Instrumente am geeignetsten sind, neue Kunden zu akquirieren, Bestandskunden zu halten oder abgewanderte Kunden zurückzugewinnen. Einem Unternehmen stehen dabei in der Theorie folgende Instrumente zur Verfügung: Produktpolitik, Preispolitik, Kommunikationspolitik und Vertriebspolitik. Mitarbeiter und auch der Geschäftsführer bzw. die Gesellschafter sind angehalten, sich je nach Kundentyp anzupassen.

Recruitment – Neukunden akquirieren

Neue Kunden von der eigenen Leistungsfähigkeit zu überzeugen, stellt immer eine Herausforderung dar. Aus diesem Grund ist bei Neukunden eine angepasste Kommunikationspolitik wichtig, vor allem wenn das Projekt als Referenzprojekt interessant ist. Bauprodukte der Glas- und Fensterbaubranche sind sehr beratungsintensiv, und es besteht immer das Risiko, dass ein Auftrag ins Leere läuft und man nur Zeit bzw. Geld investiert. Dennoch ist die richtige Kommunikation gerade bei der Neukundenakquise unumgänglich. Kunden müssen das Gefühl haben, dass man ihnen zuhört. Dies ist mindestens genauso wichtig wie die fachkompetente Beratung. Die Kommunikationspolitik muss Teil der Firmenphilosophie sein, und die Mitarbeiter sollten entsprechend sensibilisiert werden, auf Kunden einzugehen. Preispolitische Maßnahmen sollten eine eher untergeordnete Rolle spielen, da solvente Kunden auch kostenintensive Leistungen bezahlen und andere Faktoren höher gewichten.

Abgesehen davon, ist ein entsprechendes Marktstanding von elementarer Bedeutung. Die Frage, die sich hierbei stellt, ist, ob die eigene Unternehmung überhaupt über ein solches Standing verfügt. Bezogen auf die Kommunikationspolitik wäre an dieser Stelle noch anzuführen, dass eine Internetpräsenz heutzutage unumgänglich ist. Es ist indiskutabel, dass ein Unternehmen über keine zeitgemäße Internetseite verfügt oder diese so aussieht, als wäre sie vor 20 Jahren online gegangen. Gleichwohl sind Mailaccounts von öffentlichen, kostenfreien Providern ein absolutes No-Go. Diese strahlen meiner Meinung nach extreme Unprofessionalität aus.

Retention – Stammkunden an das Unternehmen binden

Bestandskunden sind das Rückgrat des Kundenstamms und verdienen entsprechende Aufmerksamkeit. Zu dieser Kategorie werden Kunden gezählt, die schon über einen längeren Zeitpunkt fester Bestandteil des Kundenstamms sind. Zusatzleistungen und Reklamationen sollten zeitnah bearbeitet werden, ohne dabei jede Banalität in Rechnung zu stellen. Auch intensive telefonische Betreuung und Rückmeldungen sind hier Pflicht. Sinnentleerte Diskussionen sollten vermieden werden. Je nach Regelmäßigkeit sind kleine Goodies ein sinnvoller Ansatz, um dem Kunden seine Dankbarkeit entgegenzubringen. Allgemein ist es ein essenzieller Faktor, dem Kunden seine Dankbarkeit zu zeigen. Es sind die Kleinigkeiten, die den entscheidenden Erfolg bringen.

Kunden zurückzugewinnen, stellt den schwierigsten Part dar. Im schlimmsten Fall sind die Fronten so verhärtet, dass Missstände sich nur noch auf juristischem Weg klären lassen.

Recovery – abgewanderte Kunden zurückgewinnen

Die erste Frage, die im Raum steht, ist, ob ich diesen Kunden wieder zurückhaben möchte. Oft gibt es Menschen, die ein Unternehmen aufgrund ihrer Persönlichkeit gar nicht mehr betreuen möchte. Falls der Kunde durch eine Verkettung unglücklicher Ereignisse einen gewissen Argwohn gegen die Firma entwickelt hat und es darum geht, ihn zurückzugewinnen, sind Wohlwollen und Entgegenkommen von essenzieller Bedeutung. Nichts ist in einer solchen Situation kontraproduktiver als zu wenig Feedback oder ablehnendes Verhalten. Die Beanstandungen sollten ernst genommen und zeitnah bearbeitet werden. Auch Nacharbeiten sollte das Unternehmen möglichst kurzfristig erledigen. Es gilt auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen. Es darf nämlich nicht vergessen werden, dass ein abgewanderter Kunde nicht nur einen Verdienstausfall zur Folge hat, sondern sich imageschädigend auswirken kann. Gleiches gilt im Prinzip für einen Auftraggeber, welcher vom Unternehmen eigentlich nicht mehr bedient werden will. Nur besteht hier das Ziel darin, friedlich auseinanderzugehen und die Situation zu deeskalieren – auch wenn man sich im Recht fühlt. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass uneinsichtiges oder ablehnendes Verhalten für beide Akteure mit negativen Folgen behaftet ist.

Beschwerdemanagement aufbauen

Die nachfolgenden Punkte sind eine Anregung für ein Beschwerdemanagement auf Grundlage meiner Erfahrung und akademischen Ausbildung. Das Beschwerdemanagement betrifft übergreifend alle Kundentypen und ist für jeden Dienstleister von essenzieller Bedeutung.

  • Auf Beanstandungen angepasst reagieren: Gerade im Privatbereich fehlen den Auftraggebern der fachliche Hintergrund und das Know-how, um Arbeitsleistungen entsprechend zu bewerten. Das Internet liefert Nährboden für Desinformation. Auch wenn es teilweise nervenaufreibend ist, sollte das Unternehmen immer sachlich und ruhig argumentieren. Auf Schuldzuweisungen oder gar aggressives Auftreten sollte generell verzichtet werden.
  • Mitarbeiter sensibilisieren: Mitarbeiter sollten darauf aufmerksam gemacht werden, stets verständnisvoll zu reagieren. Auch Feedback an den Kunden ist wichtig, da dieser mit seinen Sorgen nicht alleingelassen werden sollte. Es gilt, dass Mitarbeiter die Firmenphilosophie verinnerlichen und diese auch nach außen tragen.
  • Optionen zur Problemlösung aufzeigen: Das Unternehmen sollte Möglichkeiten der Problemlösung aufzeigen, z.B. durch Nachbesserung, Preisnachlass oder Neumontage. Von elementarer Bedeutung ist es hierbei, verbindliche Aussagen zu treffen. Dies zeigt nicht nur die eigene Kompetenz, sondern auch Flexibilität und Zuverlässigkeit.

Schlussfolgerung

Um sich von der Masse abzuheben und auch in schlechten Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben, sollten Handwerksbetriebe stets kundenorientiert handeln. Auftraggeber, welche angemessen beraten werden und die das Gefühl haben, das Unternehmen höre ihnen zu, sind auch bereit, einen angemessenen Preis zu bezahlen, und kommen gerne wieder.